UNSERE ZUKUNFT

Selber denken und verantwortlich handeln. Lasst uns nachhaltig etwas bewegen!


#21

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 25.12.2011 15:05
von Lisadill • 744 Beiträge

Inzwischen ist a von Dr. Bruce Perry und dem Forscher Martin Teicher entdeckt worden, daß das Gehirn eines geschlagenen Kindes Läsionen aufweist, die auf den Bildschirmen deutlich zu sehen sind. Somit ist es endlich wissenschaftlich bewiesen, daß das Schlagen kleiner Kinder unter 3 bis 4 Jahren, zur Zeit wenn das Gehirn sich strukturiert, deren Fähigkeit zur Empathie zerstört und somit zur Produktion gewalttätiger Jugendlicher und Erwachsener beiträgt.

( siehe: http://translate.google.com/translate?hl...l%3Dde%26sa%3DG und http://translate.google.com/translate?hl...l%3Dde%26sa%3DG ).

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#22

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 01.01.2012 22:22
von Lisadill • 744 Beiträge

Die Wegbereiter

Wer Neofaschisten und ihre entschiedensten Gegner gleichsetzt, will rechten Terror verharmlosen, z.B. die Referenten des »Veldensteiner Kreises«
Von Markus Bernhardt


Seit Bestehen der Bundesrepublik gehörten ein aggressiver Antikommunismus und die gegen linke politische Bewegungen gerichtete Repression zur westdeutschen Staatsdoktrin. Im Jahr 2000 wurden allerdings Nazigegner beim vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ausgerufenen »Aufstand der Anständigen« Opfer der Umarmungsstrategie selbsternannter Demokraten, derzeit aber werden sie wieder einmal per »Extremismustheorie« mit Neofaschisten gleichgesetzt: Rot gleich Braun.

Eine besonders einflußreiche pressure group für die Propagierung dieser Formel ist der »Veldensteiner Kreis zur Geschichte und Gegenwart von Extremismus und Demokratie«, dessen Anhänger sich seit 1990 zweimal im Jahr treffen. Angeblich fühlt man sich dort dem Einsatz für die Demokratie verpflichtet. Organisiert werden die Tagungen von den Professoren Eckhard Jesse (Technische Universität Chemnitz), Uwe Backes (Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung Dresden) und Werner Müller (Universität Rostock). Als »Ort wissenschaftlicher Diskussion« hat sich das unter anderem aus Zeithistorikern, Politik- und Sozial wissenschaftlern bestehende Netzwerk – eigenen Angaben zufolge – dem Ziel verschrieben, die »vergleichende Extremismusforschung« zu fördern. Dieses Ziel verbinde der »Veldensteiner Kreis« mit »dem Engagement für den demokratischen Verfassungsstaat«, heißt es auf der Internetseite der Vereinigung. Bei ihren Tagungen treten unter anderem so prominente Referenten wie der ehemalige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde Joachim Gauck, der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Hubertus Knabe oder auch der deutsch-französische Parteienforscher Patrick Moreau auf. Seine wissenschaftliche Reputation litt allerdings etwas, als herauskam, daß er in Pamphleten gegen die damalige PDS in Thüringen eigene Pseudonyme (Peter Christian Segall, Hermann Gleumes) nutzte, um sich selbst zu zitieren.

Moreau trat mehrfach auf Veranstaltungen des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) auf und veröffentlichte in der Heron-Verlagsgesellschaft, einem Tarnunternehmen der Spitzelbehörde, die 1997 vom damaligen Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten Helmut Roewer unter dem Decknamen Stephan Seeberg gegründet worden war. Roewer gilt als eine der Schlüsselfiguren im größten Geheimdienstskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte. Fest steht: Die Mitglieder des neofaschistischen Terrornetzwerkes »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU), vor allem Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, wurden von den Inlandsgeheimdiensten zum Teil finanziert, beobachtet, aber nicht behelligt. Sie konnten untertauchen, mehrere Banken ausrauben, neun Migranten und die Polizistin Michèle Kiesewetter ermorden sowie 2004 in Köln einen Nagelbombenanschlag 2004 verüben.

Der ehemalige Bundeswehr-Panzeroffizier Roewer, der heute im als rechtsextrem eingestuften Ares-Verlag Graz publiziert, war von 1994 bis Herbst 2000 Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes. Unter seiner Leitung produzierte das Landesamt im Jahr 2000 einen für den Schulunterricht vorgesehenen Film über »jugendlichen Extremismus in der Mitte Deutschlands«, der im Auftrag von Heron entstanden ist.

Während autonome Antifaschisten in dem Film als gewaltbereit diffamiert wurden, konnte ausgerechnet der V-Mann Tino Brandt als Kopf des neofaschistischen »Thüringer Heimatschutzes«, aus dem die Terrorgruppe NSU hervorging, darin ein Bekennntis zu prinzipieller Gewaltlosigkeit der Rechten abgeben.

Auch Helmut Roewer soll bereits als Referent beim »Veldensteiner Kreis« aufgetreten sein. Gelegenheit zu einem neuerlichen Auftritt hätte er bald wieder: Die Herrschaften tagen vom 13. bis 15. April im Schloß Wendgräben bei Magdeburg, das von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung betrieben wird.

www.jungewelt.de

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#23

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 08.01.2012 22:26
von Lisadill • 744 Beiträge

Altnazis in den Amtsstuben

Bundesregierung zeigt spätes Interesse an der »NS-Vergangenheit« – solange es nichts kostet
Von Frank Brendle

Die NS-Herrschaft ist die am besten erforschte Periode der Geschichte des 20. Jahrhunderts«, bilanziert die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine große Anfrage der Fraktion Die Linke im Bundestag. Die Präsenz von Altnazis in den (westdeutschen) Amtsstuben ist allerdings immer noch ein Graubereich. Wenn die Bundesregierung behaupte, Bund und Länder hätten die Aufarbeitung »von Beginn an nachhaltig unterstützt«, sei dies schlichtweg dreist, so der Linkspartei-Abgeordnete Jan Korte. Die Anfrage, für deren Beantwortung die Bundesregierung ein Jahr benötigte, lautet schlicht »Umgang mit der NS-Vergangenheit«. Was drin steht, ist Experten größtenteils schon bekannt, aber das 85seitige Dokument ist gewissermaßen die erste regierungsamtliche Bilanz zu dieser Thematik. Fast noch interessanter sind freilich die Lücken. Erst seitdem keine personellen Konsequenzen mehr zu befürchten sind, haben einzelne Bundesinstitutionen, darunter das Auswärtige Amt und das BKA, die eigene Amtsgeschichte aufgearbeitet.

Von der vertrauten Abwehrhaltung der Bundesregierung blitzt etwas durch, wenn sie die Linksfraktion belehrt, es könne schon deswegen keine NS-Vergangenheit von Institutionen des Bundes geben, »da solche Institutionen erst seit Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland 1949 existieren«. Doch immerhin räumt sie eine »personelle und in Teilen auch inhaltliche Kontinuität, etwa im Beamtenapparat«, ein, da man in den 1950er Jahren viel Wert auf »Verwaltungserfahrung« gelegt habe. Vor allem die Wiederindienststellung sogenannter »minderbelasteter« Nazis mit dem 131-er Gesetz führte dazu, daß 1955 der Anteil ehemaliger »Parteigenossen« etwa im Verteidigungsministerium bei über 77 Prozent lag. Auch die Führungsebenen einzelner Ministerien und Ämter waren mit Nazis durchsetzt, wie das Bundeswirtschaftsministerium (über 50 Prozent), das Auswärtige Amt (über ein Drittel). Beim BKA waren 1959 drei von vier Mitarbeitern auf Leitungsebene ehemalige NSDAP-Mitglieder, und über die Hälfte war in der SS. Eine einheitliche Überprüfung von Stellenbewerbern gab es nicht, und kaum jemand wurde wegen Nazibelastung entlassen: Beim Auswärtigen Amt mußten nur drei Personen gehen, ebenso wie beim BKA.

Knapp 50 Jahre nachdem die DDR das Braunbuch über die Nazivergangenheit westdeutscher Regierungsangehöriger vorgelegt hat, zieht die Bundesregierung nun mit einer regierungsamtlichen Auflistung nach: 27 Bundeskanzler sowie Bundesminister der BRD werden darin als Mitglieder der NSDAP, der SA oder SS bezeichnet, einschließlich des früheren Außenministers Hans-Dietrich Genscher (FDP).

Eine vollständige Übersicht über die Präsenz von Nazis in den Amtsstuben gibt es jedoch nicht. Es sei im Rahmen einer Parlamentsanfrage nicht leistbar, sämtliche Personalakten mit der NSDAP-Mitgliedskartei abzugleichen, so die Bundesregierung. Das ist nachvollziehbar, verdeutlicht aber zugleich, daß in über 60 Jahren staatlicher Existenz noch keine Bundesregierung Interesse an solchen Erkenntnissen hatte. Das gilt auch für den Bereich der juristischen Aufarbeitung: Die Ludwigsburger Zentralstelle zur Verfolgung von Naziverbrechen hatte 20 Jahre nach dem Krieg 121 Mitarbeiter. Zum Vergleich: Bei der Stasi-Unterlagenbehörde arbeiten 20 Jahre nach der »Wende« 1687 Mitarbeiter. Der Schwerpunkt des geschichtspolitischen Interesses liege ganz eindeutig »nicht auf seiten der Opfer massenhaften Mordens«, so Korte.

Der Wille zur späten Auseinandersetzung mit der eigenen Behördenvergangenheit endet dort, wo Konsequenzen zu ziehen wären: Bei einer aktiven Entschädigungspolitik. Wer nicht schon Leistungen erhält, soll auch in Zukunft nichts kriegen. Ob überlebende sowjetische Kriegsgefangene, Opfer von Wehrmachtsmassakern oder italienische Militärinternierte: »Es besteht keine Veranlassung für die Bundesregierung, über eine Entschädigung nachzudenken«, so die stereotype Antwort.

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#24

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 09.01.2012 20:49
von Lisadill • 744 Beiträge

Rassistischer Korpsgeist

Polizeiprügel vor Oury-Jalloh-Prozeß
Von Ulla Jelpke

Vor sieben Jahren verbrannte Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam. Als es nach zwei Jahren endlich zu einem Prozeß gegen die beiden diensthabenden Polizisten kam, lautete die Anklage nicht etwa auf Mord, sondern auf »fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge«. Die Beamten hätten ein Feuerzeug übersehen, mit denen sich der an Händen und Füssen gefesselt auf einer feuerfesten Matratze liegende Asylbewerber aus Sierra Leone selbst angezündet hatte, lautete die abstruse These des Oberstaatsanwalts. Offensichtlich von höherer Stelle sorgfältig einstudierte Polizeizeugen deckten die im Jahr 2008 freigesprochenen Angeklagten. Selbst der Bundesgerichtshof in Karlsruhe rügte die unglaubliche Urteilsbegründung als lückenhaft, die Beweisführung des Gerichts als nicht nachvollziehbar und das Verhalten der Polizisten als nicht pflichtgemäß.

Seit dieser Woche werden die Todesumstände von Oury Jalloh in einem Revisionsverfahren vor dem Landgericht Magdeburg erneut verhandelt. Der damalige Dienstgruppenleiter Andreas S. ist wegen »fahrlässiger Tötung« angeklagt. Daß es soweit kam, ist auch der »Initiative im Gedenken an Oury Jalloh« zu verdanken, die bis heute auf eine lückenlose Aufklärung des Todes und die Bestrafung der Verantwortlichen drängt.

Weil afrikanische Demonstranten die Parole »Oury Jalloh, das war Mord!« riefen, wurden sie am Samstag auf einer Gedenkdemonstration in Dessau von der Polizei krankenhausreif geprügelt. Das Oberverwaltungsgericht Leipzig hatte zuvor erklärt, eine Strafbarkeit der Behauptung, Oury Jalloh sei ermordet oder vorsätzlich getötet worden, könne »nicht im Vorhinein, sondern nur dann beurteilt werden, wenn die Äußerungen konkret vorliegen. Bis dahin obliegt es der Meinungsfreiheit des Einzelnen, aber auch seinem Risiko, derartige Äußerungen in einer Art und Weise zu tätigen, daß er sich damit nicht strafbar macht.«

Im Klartext: Wenn sich ein Polizist von dieser Behauptung beleidigt fühlt, obliegt es einem Gericht, die Strafbarkeit dieser Äußerungen anschließend zu klären. Derartige rechtsstaatliche Gepflogenheiten scheinen nach Ansicht der Dessauer Polizei für Schwarze nicht zu gelten. In Kolonialherrenmanier wurde mit Knüppeln und Pfefferspray kurzerhand Selbstjustiz gegen unliebsame Wahrheiten geübt.

Unter den Opfern befand sich auch der Initiator der Proteste, Mouctar Bah, der wesentlichen Anteil an der Bewegung für die Aufklärung des Todes von Oury Jalloh hat. Er ist schon in der Vergangenheit mit Maßnahmen der Polizei überzogen worden, die ihn ganz offensichtlich einschüchtern sollten.

Die Dessauer Polizei rückt zusammen, wenn es um den Rassismus aus ihren Reihen geht. Dieser Sumpf muß endlich ausgetrocknet werden. Eine mögliche Verurteilung des Dienstgruppenleiters reicht nicht aus, solange sich rassistische Mörder in Uniform weiterhin des Korpsgeistes ihrer Kollegen sicher sein können.

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#25

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 10.01.2012 22:02
von Lisadill • 744 Beiträge

11.01.2012
Einladung an Neonazis
Sachsen-Anhalt: Rechte erhalten auf Demonstration gegen »Kinderschänder« Plattform für ihre Parolen. CDU-Bürgermeister sieht kein Problem
Von Susan Bonath


Im kleinen Altmarkdorf Insel bei Stendal droht ein Konflikt erneut zu eskalieren: Anwohner haben die Demonstrationen wieder aufgenommen, mit denen sie zwei aus der Sicherungsverwahrung entlassene frühere Sexualstraftäter vertreiben wollen (siehe dazu auch jW vom 12.10.11). Am Samstag gingen sie erneut auf die Straße – und wieder bekamen sie zwar ungebetene, aber offenbar nicht unerwünschte Unterstützung von der organisierten Rechten. Der Magdeburger Verein »Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit« rechnet etwa 40 der nach Polizeischätzungen rund 100 Teilnehmer der Kundgebung am 8. Januar der Neonaziszene zu. Die Polizei war nach Medienberichten mit einem »großen Aufgebot« angerückt, um »Demonstranten entsprechend der Auflage des Landkreises vom Wohnhaus der Männer fernzuhalten«. In einigen Fällen sei das nicht gelungen, passiert sei aber bislang nichts. Für die kommenden sieben Samstage sind bereits weitere Demonstrationen angemeldet.

Die Protestierenden, unter ihnen auch Ortsbürgermeister Alexander von Bismarck (CDU), skandierten im Chor »Raus aus Insel« und trugen Transparente mit Aufschriften wie »Wir sind keine Insel für Straftäter« oder »Problemlösung statt Problemverlagerung«. Die Neonazis, die von den Demonstranten integriert wurden, forderten zudem die Todesstrafe »für Kinderschänder«. Versammlungsleiterin Ilona Berg sagte gegenüber Polizei und Pressevertretern: »Solange sie da friedlich stehen, können sie stehen, wie sie wollen. Ich kann doch nicht in jeden reingucken, welche Gesinnung er hat.« Die NPD Sachsen-Anhalt jubelte am Montag auf ihrer Internetseite, die Demonstranten seien sichtlich erfreut über die Unterstützung durch die »nationale Opposition« gewesen.

Die Grünen-Landtagsabgeordneten Sebastian Striegel und Sören Herbst empfinden die Vorgänge als »bedrückend«. »Daß einige Anwohner erneut den Schulterschluß mit Neonazis suchen, ist ein Tiefpunkt für die demokratische Kultur«, konstatierten sie am Sonntag in einer gemeinsamen Erklärung. Den CDU-Landesverband forderten sie auf, gegen den Ortsbürgermeister disziplinarisch vorzugehen, da er weiterhin die Proteste anstachele und die Zusammenarbeit mit den Rechten fördere. Das sei keine Bagatelle. Hier bedürfe es einer Debatte über Grundrechte.

»Es ist offenkundig, daß die Neonazis freie Hand hatten«, sagte David Begrich vom Verein »Miteinander« gegenüber jW. Die Duldung ihrer Teilnahme und des durch sie initiierten Verstoßes gegen polizeiliche Auflagen sei völlig inakzeptabel. Die Linksfraktion im Landtag kündigte eine erneute Thematisierung in der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses an. »Was hier geschieht, grenzt an Menschenjagd«, kommentierte die Abgeordnete Eva von Angern. Die Rechten hätten die Demo ungehindert genutzt, »um ihre faschistische, rassistische und menschenverachtende Ideologie transportieren zu können«. Auch frühere Straftäter hätten ein Recht auf Schutz durch den Staat.

Das Justizministerium hatte den beiden ehemaligen Häftlingen im Oktober – nach den ersten Protestkundgebungen – Hilfe bei der Suche neuen Wohnraums zugesagt. Ministeriumssprecherin Ute Albersmann teilte am Dienstag auf jW-Nachfrage mit, man prüfe momentan verschiedene Angebote. Sie wies aber ausdrücklich auf das Recht der freien Wohnortwahl der Betroffenen hin, das nicht beschnitten werden dürfe. Zudem würden die Proteste die Suche erschweren: »Potentielle Vermieter fürchten, daß mit den Mietern die Demonstrationen zu ihnen umziehen.« Unbestritten sei das Recht der Bürger zu demonstrieren. Die Nichtabgrenzung von den Rechten sei aber »unerträglich« und führe dazu, »daß die NPD das als Erfolg feiert«, so Albersmann. Die zuständige Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord werde die Entwicklungen »genau beobachten«. »Solange sie sich an die Auflagen halten, kann man die Neonazis jedoch nicht ausschließen; es sei denn, sie planen oder begehen Straftaten«, betonte Albersmann.

Der Konflikt in Insel schwelt seit Mitte August 2011. Damals war den Dorfbewohnern die Herkunft der Zugezogenen bekannt geworden – vermutlich durch behördliche Indiskretion. Nach MDR-Angaben waren die beiden 54 und 64 Jahre alten Männer im Oktober 2010 nach dem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs zur Sicherungsverwahrung entlassen worden. Ihre Strafen hatten sie in Baden-Württemberg abgesessen. Zu Beginn hatte Bürgermeister von Bismarck die Demonstrationen selbst organisiert und die am Ende bis zu 80 Personen starke Gruppe von Neonazis toleriert. Nach einer dreimonatigen Pause, in der die Inseler »vergeblich auf Hilfe aus der Politik warteten«, wurden die Demos wieder aufgenommen. »Wir machen weiter, bis die weg sind«, sagten Demonstranten am Samstag. Eine Einladung für die Rechten.

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#26

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 13.01.2012 11:37
von Lisadill • 744 Beiträge

Artikel von Jutta Ditfurth

Nationalistischer Taumel

http://www.jungewelt.de/2012/01-13/060.php

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#27

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 24.01.2012 20:29
von Lisadill • 744 Beiträge
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#28

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 07.02.2012 18:55
von Lisadill • 744 Beiträge

Guerillataktik von rechts
Neonazis setzen auf viele kleinere Aufmärsche anstatt auf große Aufzüge. Immer häufiger gewaltsame Aktionen
Von Ulla Jelpke


Erfolgreiche antifaschistische Blockaden großer Naziaufmärsche wie in Dresden und Dortmund haben in der rechten Szene offenbar zu einem Kurswechsel geführt. Das zeigen die von der Bundesregierung auf Kleine Anfragen der Linksfraktion im Bundestag veröffentlichten Zahlen rechtsextremer Aufmärsche im Jahr 2011. Die Zahl der Teilnehmer solcher Aufmärsche ging demnach im vergangenen Jahr auf 21900 gegenüber 26200 im Jahr davor zurück. Dagegen stieg die Zahl der neofaschistischen Demonstrationen insgesamt um 69 Prozent auf 142 Aufmärsche deutlich an. Allein im letzten Quartal 2011 waren es 18 Aufmärsche mit Teilnehmerzahlen zwischen 20 und 250. Ein inhaltlicher Schwerpunkt dieser Aufmärsche war unter Losungen wie »Ehre, wem Ehre gebührt – Großvater, ich bin stolz auf Dich« die Relativierung der Nazikriegsverbrechen. Bei der Organisation der Veranstaltungen zeichnet sich eine Arbeitsteilung zwischen der NPD und den sogenannten Freien Nazikameradschaften ab, die etwa zu gleichen Teilen für die Durchführung verantwortlich zeichneten.

Deutlich wird an der Übersicht auch: Die Neofaschisten weichen vermehrt in kleinere Orte aus, in denen sie ungestört von antifaschistischer Gegenmobilisierung mit martialischen Auftritten die eigene Stärke demonstrieren wollen. Zum Umdenken in der Neonaziszene kam es insbesondere, nachdem im Februar letzten Jahres bereits das zweite Mal in Folge der größte europaweite Faschistenaufmarsch anläßlich des Jahrestages der Bombardierung Dresdens von einem breiten antifaschistischen Bündnis gestoppt werden konnte. Damals hieß es auf dem Naziportal Altermedia: »Statt mit durchsichtigen und leicht einzuschätzenden Großaufmärschen zu scheitern, sollten wir zu einer Guerilla-ähnlichen Taktik übergehen.«

Die rechte Szene sei unberechenbarer geworden, stellt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Bernhard Witthaut fest. Die Aktionen der Neonazis, die häufig über das Internet organisiert werden, zeichneten sich inzwischen durch »weniger Teilnehmer bei den Demonstrationen und einem Anstieg der Gewalt autonomer Nationalisten« aus. Es sei erschreckend, wie Neonazis mitunter regelrecht in eine Kleinstadt einfallen.

Deutlich zeigt sich diese neue Taktik der Rechten gerade an nicht angemeldeten und klandestin vorbereiteten Fackelzügen von Neonazis, die zum Beispiel unter dem Namen »Die Unterblichen« vermummt mit weißen Masken und schwarzen Umzügen zu nächtlicher Stunde in Kleinstädten gegen einen angeblich drohenden »Volkstod« aufmarschieren. Mindestens 18 solcher anschließend im Internet dokumentierten Aufmärsche, deren Schwerpunt in Sachsen liegt, fanden seit Anfang letzten Jahres statt.

Zuletzt marschierten am Freitag 20 maskierte Neonazis mit Fackeln durch das Potsdamer Neubaugebiet Waldstadt. Initiator dieser Aktionsform, die bereits zum zweiten Mal in dem Stadtteil stattfand, ist offenbar das Südbrandenburger Kameradschaftsnetz »Spreelichter« mit seiner gleichnamigen Website. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hat den Aufzug verurteilt. »Aktionen dieser Art treffen nicht nur einen bestimmten Stadtteil, sondern das demokratische Herz der ganzen Stadt«, so Jakobs.

Daß die Neofaschisten über ihre Aktionsformen nachgedacht haben, zeigt sich auch an den bevorstehenden Aufmärschen in Dresden anläßlich des Jahrestages der Bombardierung der Stadt durch die Alliierten 1945. Nachdem die Aufmärsche der Rechten zunächst jahrelang anwuchsen und weitgehend ungestört abliefen, wurden sie in den vergangenen beiden Jahren durch friedliche Massenblockaden gestoppt. In diesem Jahr haben die Rechten ihren geplanten Großaufzug am 18. Februar zunächst abgesagt, was noch nichts heißen muß. Dafür läuft eine stärkere Mobilisierung für den 13. Februar. Antifaschistische Gruppen und Bündnisse halten an ihrer Mobilisierung fest. Sowohl am 13. als auch am 18. Februar werden die Neonazis mit massenhaften Protest und Blockaden zu rechnen haben.
www.dresden-nazifrei.com

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#29

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 09.02.2012 22:45
von Lisadill • 744 Beiträge

Zahnlose Gremien

Untersuchungsausschuß und Bund-Länder-Kommission zum Neonaziterror rangeln schon vor Arbeitsbeginn um Kompetenzen. Linke und Grüne ohne Einfluß
Von Ulla Jelpke

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy leitet den NSU-Untersuchungsausschuß
Der Bundestagsuntersuchungsausschuß zur Aufklärung der Zwickauer Neonaziterrorzelle und der Rolle der Sicherheitsbehörden ist am Donnerstag erstmals zusammengetreten. Er will sich zunächst einen Überblick über die bisherige »Sicherheitsarchitektur und die Organigramme der Sicherheitsbehörden« verschaffen. Einstimmig wurden auf der ersten Sitzung 38 Beweisanträge beschlossen. Bereits am Mittwoch hatte das Bundeskabinett die Einrichtung einer Bund-Länder-Kommission zum gleichen Thema beschlossen. Sebastian Edathy (SPD), der dem Untersuchungsausschuß vorsteht, rief dazu auf, an einem Strang zu ziehen. Streitigkeiten um die Kompetenzen der Gremien zeichnen sich aber bereits ab, ebenso wie Auskunftsblockaden der Bundesregierung.

Der Bund-Länder-Kommission gehören die früheren Innensenatoren von Berlin und Hamburg, Erhardt Körting (SPD) und Heino Vahldieck (CDU), der Münchner Strafrechtsexperte Eckart Müller und der einstige Bundesanwalt Bruno Jost an. Die letzten beiden wurden von FDP bzw. Grünen benannt. Einzig die Linkspartei durfte keine Mitglieder bestimmen. Die Idee zu einer solchen Kommission hatte die SPD eingebracht, die darin eine Alternative zum Untersuchungsausschuß sieht. Allerdings will Bundes innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) der Kommission keine eigenen Untersuchungsbefugnisse einräumen. Sie soll lediglich die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden bewerten. Kommissionsmitglied Körting protestierte dagegen, als reine »Redaktionskommission« fungieren zu sollen und kündigte an: »Wir werden selber Berichte einfordern.«

Der Thüringer Landtag hat ebenfalls einen Untersuchungsausschuß gebildet. In Sachsen stellt sich die CDU quer, angeblich, weil dann auch die NPD in dem Gremium mitwirken könne. Die sächsische Linke nennt das eine »billige Ausrede«.

Ob die verschiedenen Gremien tatsächlich Licht ins Dunkel des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) und der Verwicklungen staatlicher Stellen bringen werden, ist fraglich. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) pochte am Donnerstag erneut darauf, die Aufklärung etwaiger Mißstände in den Ländern sei allein deren Sache. Landesakten würden nur in Ausnahmefällen den Bundesbehörden zur Verfügung gestellt. Zudem verfügen Linke und Grüne nur über jeweils ein Mitglied im Untersuchungsausschuß, so daß sie nicht das erforderliche Viertel der elf Mitglieder erreichen können, um eigene Anträge zu stellen. Erweiterte Oppositionsrechte hatten Union und SPD abgelehnt. Diese dürften zudem eigene Absichten mitbringen: Die Union will ein Ergebnis, das auf eine weitere Stärkung der Sicherheitsbehörden zielt, die SPD muß fürchten, daß ein Versagen der Regierungsbehörden, die während der aktivsten Zeit des »NSU« von ihr geführt waren, aufgedeckt wird. Zu befürchten ist außerdem, daß Landes- und Bundesministerien ihren Beamten keine Aussageerlaubnis erteilen.

Einen Vorgeschmack darauf, wie die Bundesregierung die parlamentarische Aufklärung ins Leere laufen lassen will, lieferte sie vor wenigen Tagen bei der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Diese wollte wissen, welche Informationen zum »NSU« Verfassungsschutz, BND, MAD, BKA usw. überhaupt hatten, und inwiefern sie diese Erkenntnisse in den dafür vorgesehenen Gremien ausgetauscht haben. Solche Erkenntnisse sind unentbehrlich, um sich ein Bild über deren Rolle zu machen. Doch das Bundesinnenministerium verweigert die Antworten: Nicht einmal in der Geheimschutzstelle des Bundestages will es die Informationen auslegen. Jegliche »Verschriftlichung« werde abgelehnt, weil sonst Rückschlüsse auch auf die künftige Arbeit der Sicherheitsbehörden möglich wären. Das »Staatswohl« gebiete eine solche Geheimhaltung, heißt es. Die Linksfraktion mahnte an, dem »Staatswohl« sei am ehesten mit Aufklärung, nicht aber mit Verschleierung gedient. Die Fraktion prüft eine Verfassungsklage, um die Antworten zu erzwingen.

Bundesinnenminister Friedrich teilte unterdessen mit, er wolle den Länderchefs auf einer Sonderkonferenz am 22. März Kriterien für ein mögliches NPD-Verbotsverfahren vorlegen. Wenn sich herausstelle, daß der »NSU« »eine Art militärischer Arm der NPD war, dann könnte es mit dem Verbot sehr schnell gehen«, sagte er in der Leipziger Volkszeitung. Falls es sich nur um ideologische Partner handle, würde es dagegen »deutlich schwieriger«. Ende Mai solle die Innenministerkonferenz einen ersten Überblick über die Beweislage gewinnen.

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#30

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 13.02.2012 13:09
von Lisadill • 744 Beiträge

Verdacht der Kumpanei

Polizei, Politik und Neonazis
Von Markus Bernhardt

Erneut gerät mit dem Bundes kriminalamt (BKA) eine hochrangige deutsche Ermittlungsbehörde in den Verdacht, sich der Kumpanei mit dem neofaschistischen Terrornetzwerk »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) schuldig gemacht zu haben. So wiesen Mitarbeiter des BKA im Dezember 2011 die Bundespolizei an, wichtige Ermittlungsdaten zu löschen, die zuvor auf sichergestellten Mobilfunktelefonen des mutmaßlichen »NSU«-Unterstützers André E. gefunden worden waren.

Zwar fühlte sich BKA-Präsident Jörg Ziercke am Sonntag genötigt zu erklären, daß seine Behörde »Beweismittel weder unterdrückt noch manipuliert noch vernichtet« habe und »weder Neonazis noch Informanten aus der rechten Szene« schütze. Glaubwürdig sind die Einlassungen jedoch keineswegs. Gleich in mehreren Fällen, soviel steht bereits jetzt fest, hätten die Ermittler die Möglichkeit gehabt, das »Zwickauer Terrortrio« Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe festzunehmen und somit zumindest einige der den Neonazis angelasteten Morde zu verhindern. Auch daß es im Rahmen der von allen Behörden großspurig angekündigten »Aufklärungsarbeit« des größten Geheimdienstskandals der BRD-Nachkriegsgeschichte zu weiteren Vertuschungsaktionen der Geheimdienste und Polizeien kommen würde, war absehbar.

Insgesamt steht zu befürchten, daß die Verstrickungen der Behörden in den »NSU«-Sumpf niemals allumfassend aufgeklärt werden. Dies lehrt etwa die Geschichte des am 26. September 1980 von Neofaschisten verübten Bombenanschlages auf das Münchner Oktoberfest, bei dem 13 Menschen starben und über 200 Personen teils schwer verletzt wurden. Auch hier versuchten die Behörden – nicht ohne Erfolg – alles, um die These von einem rechten Einzeltäter zu manifestieren und Hinweise auf Verbindungen des Neonazis zur »Wehrsportgruppe Hoffmann« als konstruiert abzutun. Übrigens: Auch nach dem Oktoberfestanschlag waren Beweismittel von den Ermittlern vernichtet worden.

Während man offiziell aufgrund der aktuellen BKA-Enthüllungen um das Image der Behörden besorgt ist und wie bei derlei Erkenntnissen üblich eine »allumfassende Aufklärung« fordert, sind es die herrschenden Politiker selbst, die kaum etwas unversucht lassen, um es neofaschistischen Gewalttätern so gemütlich wie irgend möglich zu machen. Nicht anders ist die horrende Zahl von über 6000 Polizisten zu deuten, die die Elbmetropole Dresden am heutigen Montag in einen Belagerungszustand versetzen, um den drohenden Aufmarsch von einigen hundert Neofaschisten vor demokratischen Protesten und Blockaden zu schützen. Daß es der etablierten Politik mit dem von ihr propagierten offensiven Kampf gegen Neonazis nicht ernst ist, wird außerdem daran deutlich, daß der zuständige Ausschuß des Bundestages noch Ende vergangener Woche die Immunität zweier Linke-Abgeordneter aufheben ließ. Die Staatsanwaltschaft kann nun wegen deren Teilnahme bei früheren antifaschistischen Protesten in Dresden ermitteln.

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#31

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 22.02.2012 12:24
von Lisadill • 744 Beiträge

Neonazis als Nachbarn
Wurden Rechte im Leipziger Osten angeheuert, um Wohnhaus zu entmieten? Linkspartei kritisiert Informationspolitik der Eigentümer. Antifa-Aktionswoche angekündigt
Von Anna Dumange

Mittendrin: Neonazis demonstrieren in Leipzigs Stadtteil Reudnitz nach einem Gewaltverbrechen gemeinsam mit Bürgern für die Todesstrafe (21. August 2008)
Foto: ddp
Der Leipziger Stadtteil Reudnitz gilt als sicheres Pflaster für Neonazis. Die NPD hat dort und in den umliegenden Bezirken eine große Stammwählerschaft, bereits in den Jahren 2007 und 2008 wurden alternative Wohn- und Kulturprojekte von Neonazis angegriffen. Nun brodelt es wieder im Leipziger Osten. Kneipen werden verstärkt von rechtem Publikum frequentiert, ein »Thor-Steinar«-Laden wurde eröffnet. Für Aufsehen sorgen zudem die Vorgänge in einem unsanierten Wohnhaus in der Langen Straße, die Juliane Nagel, Stadträtin der Linkspartei, zusammen mit dem Ladenschluß-Bündnis im Januar öffentlich machte.

In die Hausnummer 15 zog im November 2011 eine Gruppe Rechter in zwei Wohnungen im 3. Stock und im Erdgeschoß. Dabei hatte die SGK-Liegenschaftsverwaltung noch im Spätsommer zwei Mietanfragen mit der Begründung abgelehnt, das Haus, in dem Studenten und junge Familien günstig wohnten, solle leergezogen und saniert werden. Die Liegenschaftsverwaltung ist ein Teil des Immobiliengeflechts Kling Group, in deren Aufsichtsrat die Hauseigentümerin, Rechtsanwältin Nicole Kling, sitzt. Kurz darauf zogen die neuen Mieter ein, die ihren Einstand alles andere als friedlich gaben. Eine Flagge mit der Aufschrift »My blood is my honour, my race is my pride« wurde gehißt, Beschwerden der Hausbewohner bei Verwaltung und Eigentümerin liefen ins Leere. »Sehr kräftige und durch entsprechende Kleidung offensichtliche Nazis« seien die neuen Mieter gewesen, berichtete einer der Hausbewohner gegenüber junge Welt. Ihm sei sofort klar gewesen, »daß das nicht auf nette Nachbarschaft hinauslaufen wird.«

In den folgenden Wochen sollte sich das bestätigen. Die Hausbewohner wurden beleidigt und bedroht, bei zwei Partys »kam es zur Zerstörung von Briefkästen und Klingelanlage, ein Fahrrad wurde zertreten, Hitlergrüße vor dem schwul-lesbischen Projekt Rosalinde zwei Häuser weiter gezeigt«, erinnert sich der Mieter. Ende Dezember sei das Wasser im Haus abgedreht und der Zugang zu der Versorgungsanlage zerstört worden. Es habe regelmäßige Treffen von Neonazis im Erdgeschoß gegeben – die Räume wurden offenbar nicht als Wohnraum, sondern als Treffpunkt genutzt. Köpfe der Leipziger Neonaziszene wie Tanja Baki, NPD-Stadtratskandidatin und die rechten Hooligans Andreas und Dittmar Sch., auch »Twins« genannt, seien dort gesehen worden, berichtete Linksparteipolitikerin Nagel.

Obwohl die Polizei vor Ort war, Hausverwaltung und Eigentümerin wiederholt informiert wurden, blieb eine Reaktion aus. Statt dessen wurde die Hausverwaltung an die OZ Immobilien im sächsischen Oschatz übertragen. Dort will man von dem Fall nichts wissen. Die Eigentümerin Nicole Kling sei Anwältin, hieß es auf Anfrage der jungen Welt, man habe von ihr ein Auskunftsverbot gegenüber der Presse erhalten. Wohl nicht grundlos. Der Verdacht, daß das Haus mit Hilfe der Neonazis entmietet werden sollte, liegt nahe und wäre ein Präzedenzfall, der das Image der Kling Group nachhaltig schädigen würde. Nicole Kling habe den Verfassern eines Flugblattes, in dem vor den Neonazis gewarnt wird, sogar eine Abmahnung geschickt, berichtete Nagel. »Ein solch hilfloser Versuch drückt vor allen Dingen Indifferenz und Verantwortungslosigkeit aus.« Nachdem der Fall öffentlich wurde, ging im Haus ein Schreiben ein, daß den Mietern aus dem Erdgeschoß gekündigt worden sei.

Die Mitbewohner trauen dem Frieden nicht. Es blieben Fragen offen und ein »ungutes Gefühl«. Interessant sei, daß die Wohnungen nie zur Vermietung ausgeschrieben waren und von den Nazis nicht als Wohnraum genutzt wurden. Das könnten Hinweise dafür sein, daß die Rechten wissentlich in das Haus geholt wurden. Das Ladenschluß-Bündnis bereitet derzeit eine Aktionswoche gegen die neonazistischen Aktivitäten im Leipziger Osten vor.

ladenschluss.blogsport.de

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#32

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 24.02.2012 10:38
von Lisadill • 744 Beiträge

auf dass sich etwas in den Koepfen der Regierenden veraendert.Nachhaltig!

24.02.2012 / Schwerpunkt / Seite 3Inhalt
Schande für Deutschland
Zentrale Gedenkveranstaltung für die Opfer rechten Terrors in Berlin. Merkel kündigt Aufklärung der Morde an und bittet Angehörige um Verzeihung
Von Sebastian Carlens

Semiya Simsek (rechts) und Gamze Kubas¸k, deren Väter von Rechtsterroristen ermordet wurden, sprachen auf der Gedenkveranstaltung im Berliner Konzerthaus
Foto: Reuters
In einer Rede auf der zentralen Gedenkveranstaltung für die zehn Opfer der rechten Mordserie in Deutschland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag rückhaltlose Aufklärung der Taten des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) versprochen: »Wir tun alles, um die Morde aufzuklären, die Helfershelfer und Hintermänner aufzudecken und alle Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen«, sagte sie im Berliner Konzerthaus. Die zahlreichen Ermittlungspannen der Behörden im Umgang mit den rassistisch motivierten Verbrechen begründete Merkel mit dem Fehlen typischer Verhaltensmuster von Terroristen. »Einige Angehörige standen jahrelang selbst zu Unrecht unter Verdacht. (…) Dafür bitte ich sie um Verzeihung«, sagte Merkel. Anläßlich des Gedenkens hatten die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und Deutscher Gewerkschaftsbund für 12.00 Uhr zu einer Schweigeminute für die Opfer aufgerufen. An den Bundesbehörden in Berlin und Bonn wurde Trauerbeflaggung angeordnet. Auch in den Ländern fanden Gedenkveranstaltungen statt.

Die Bundeskanzlerin hielt ihre Rede in Vertretung des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff. Mehr als 1200 Gäste, darunter auch Angehörige der Opfer, waren eingeladen; nicht alle Familien der Ermordeten nahmen allerdings an der Veranstaltung teil. Die Ombudsfrau Barbara John, die im Auftrag der Bundesregierung die Hinterbliebenen der Opfer betreut, sagte gegenüber jW, daß zu Angehörigen aller neun getöteten Migranten Kontakt aufgenommen werden konnte. Lediglich zu den Eltern des in Rostock ermordeten Yunus Turgut, die in der Türkei lebten, habe sie keine Verbindung. Einzelne Angehörige hätten jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht dem Staatsakt beiwohnen wollen.

Neben Merkel sprachen Ismail Yozgat sowie Semiya imek und Gamze Kubak, Töchter zweier Ermordeter (die Rede von Semiya imek dokumentiert jW unten). Ismail Yozgat lehnte eine Abfindung seiner Familie seitens des Staates ab. »Wir möchten keine finan zielle Entschädigung, wir möchten seelischen Beistand«, sagte Yozgat während seiner Rede im Berliner Konzerthaus. Sein Sohn Halit war am 6. April 2006 im Alter von 21 Jahren in Kassel erschossen worden.

In persönlichen Worten drückte die Kanzlerin, die die Taten als »Schande für uns Land« bezeichnete, ihre Beklemmung über das Weltbild der NSU-Täter aus: »Etwas Menschenverachtenderes, Perfideres, Infameres – sofern es solche Steigerungsformen überhaupt gibt – habe ich in meiner Arbeit noch nicht gesehen«, sagte Merkel zum Bekennervideo der Terroristen. Zu den Gründen, die junge Menschen in die Arme von Neofaschisten treiben, äußerte sie: »Wir müssen uns eingestehen, daß manchmal gerade dort, wo die Arbeitslosigkeit hoch und die Abwanderung stark ist, oft auch die vertrauten Strukturen der Jugendarbeit verlorengehen, das Freizeitangebot schwindet – die Feinde unserer Demokratie das zu nutzen wissen.« Gleichzeitig lobte Merkel das Engagement vieler Bürger gegen rechts, die beispielsweise bei der Verhinderung des Neonaziaufmarsches in Dresden gezeigt hätten, daß Zivilcourage funktioniere.

Dies könnte man als harsche Kritik der Kanzlerin an der Politik ihrer eigenen Bundesregierung verstehen: Die strukturelle Verödung ganzer Landstriche, das Kaputtsparen einer funktionierenden Jugendbetreuung, die sozialen Verwerfungen, denen sich gerade die Menschen im Osten Deutschlands ausgesetzt sehen – sie sind das Ergebnis politischer Entscheidungen. Solange antifaschistisches Engagement für die Menschen, die sich den Neonazis – nicht zuletzt jedes Jahr aufs neue in Dresden – mutig entgegenstellen, häufig mit Kriminalisierung endet, solange Handydaten von Zehntausenden Demonstranten gegen rechts ausgespäht werden, solange Anklagen und Prozesse gegen »Rädelsführer« antifaschistischer Proteste erhoben werden, wird staatsbürgerliches Engagement gegen Neonazis kaum zu stärken sein. Die Bitte der Kanzlerin um Entschuldigung kann glaubhaft werden, wenn den Worten nun auch Taten folgen: Wenn der Verfassungsschutz, der ursächlich mit seinen V-Männern und Geldpaketen zum Erstarken der Neonaziszene beigetragen hat, aus der sich die Terrorgruppe NSU entwickelte, aufgelöst wird. Wenn sich die Bundesregierung von der geschichtsvergessenen Extremismusdoktrin verabschieden würde, die rechte Gewalt und linken Protest dagegen auf eine Stufe stellt. Und wenn, endlich, auch die Voraussetzungen für Gleichberechtigung aller hier lebenden Migranten geschaffen würden. Daran wird die Bundesregierung zu messen sein.

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#33

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 27.02.2012 14:51
von Lisadill • 744 Beiträge

Das antisemitische Tattoo

Was bei der staatlichen Trauerfeier für die »NSU«-Opfer nicht zur Sprache kam: Die Islamfeindschaft ist eine verallgemeinerte Judophobie
Von Helmut Dahmer


Auf die »Wiedervereinigung« der beiden deutschen Teilstaaten, die einander seit den vierziger Jahren als Frontstaaten verschiedener Machtblöcke in feindlicher Koexistenz gegenübergestanden hatten, folgte in den 1990er Jahren eine Welle von Brandanschlägen und Überfällen, die sich gegen Flüchtlinge und Einwanderer richteten und etwa 150 Menschen das Leben kosteten. Es war, als hätte die Wieder-Befreundung der Bevölkerungen von DDR und BRD deren Toleranzreserven aufgebraucht.

Die zumeist jugendlichen Schläger und Brandstifter wähnten denn auch, im Interesse der schweigenden Mehrheit zu handeln, als sie mit Blut und Feuer neue (»ethnische«) Grenzen im Inneren der ethnisch inhomogenen Bevölkerung einzuziehen suchten. Spät erst, im Jahr 2000, reagierte die (damals sozialdemokratisch geführte) Regierung und rief zu einem »Aufstand der Anständigen«. Doch die nun als »rechtsextremistisch motiviert« anerkannten Aktionen gegen »Ausländer«, Asylbewerberheime, Friedhöfe, Synagogen und Gedenkstätten gehörten fortan zum Alltag, und in bestimmten ostdeutschen Städten reklamierten »Freie Kameradschaften« no-go-areas, »National befreite Zonen«, in die sich kein Ausländer mehr hinein traute. Polizei, Geheimdienste und Strafverfolgungsinstanzen sahen dem Treiben mehr oder weniger passiv zu. Weil sie ihren eigentlichen Gegner seit eh und je auf der politischen Linken, also in kommunistischen und sozialistischen Organisationen sowie in der Studenten-Protestbewegung und ihren Ausläufern sahen, erwiesen sie sich bei der Beobachtung und Verfolgung rechter Gewalttäter als unwillig und unfähig.
Breivik und »NSU«

Aus diesem Schlummer unsanft geweckt wurden die deutsche Exekutive und Judikative, als im vergangenen November die sogenannte Zwickauer Zelle des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (»NSU«) aufflog, eine rassistische Bande von Bankräubern und Killern, die im Laufe eines Jahrzehnts unter der Losung »Taten statt Worte« in verschiedenen Städten mindestens neun willkürlich »ausgewählte« Ausländer, nämlich türkische und griechische Kleinhändler, sowie eine Polizistin erschossen hatten. Bei ihnen handelt es sich um die deutschen Kollegen des Norwegers Anders Behring Breivik, der im Juli 2011 zuerst mitten in Oslo eine Autobombe zündete und sodann auf einer nahegelegenen Insel 69 junge Menschen erschoß, die er des »Multikulturalismus« verdächtigte.

Als tatkräftiger Unterstützer der »NSU«-Gruppe wirkte neben anderen André E., ein 32jähriger gelernter Maurer, der seine Weihnachtsgrüße gern mit Hakenkreuzen verzierte und als Inhaber einer Video-Produktionsfirma wohl auch für die comicartige Video-Dokumentation der »NSU«-Mordserie verantwortlich war. Seine Bande verließ sich jahrelang darauf, daß ihre Erschießungsaktionen (die in der deutschen Presse bezeichnenderweise »Döner-Morde« genannt wurden) für sich selbst sprächen. Die Ermittlungsbehörden aber stellten sich blind und taub und tippten auf kriminelle Abrechnungen unter Migranten. Später ließen sie verlauten, es habe ja keine »Bekennerschreiben« gegeben, und von sich aus hätten sie keinen Zusammenhang zwischen den Morden erkennen können. Schließlich half ihnen aber André E. doch noch mit einem Video-Bekenntnis auf die Sprünge. Zudem trägt er »auf [seinem] Bauch (…) zwei Wehrmachtspistolen [ein]tätowiert, dazwischen einen zerplatzten Schädel und die Worte ›Die Jew die‹ – Stirb, Jude, stirb« –, wie der Spiegel (Ausgabe vom 18. 2. 2012) berichtete.

»Juda verrecke!«, brüllten einst die SA-Leute, und ihr Schlachtruf war Optativ und Kommando. E. liebt Tätowierungen und hat sich mit dem exterminatorischen »Programm« derart identifiziert, daß er es sich – anglisiert – in die Haut stechen ließ. Er wurde so zu einer Art lebendem Plakat, wenn auch zu einem verhüllten, das erst in der Untersuchungshaft entdeckt wurde.

André E. trägt den Judenhaß im Herzen und auf der Haut, doch die Gruppe, deren Aktionen er unterstützte und in einem halbdokumentarischen Comic feierte, ermordete willkürlich »ausgewählte« nicht-jüdische Kleinhändler, Türken und Griechen. Der Judenhaß motivierte sie zu xenophoben Untaten. Das Haßobjekt der Leute vom »Nationalsozialistischen Untergrund« war austauschbar. Sie haßten Juden, doch ein Judenmord in Deutschland war für die Bande viel zu riskant. Die Morde an einzelnen Kleingewerbe-Migranten hingegen blieben weithin unbeachtet, der Verdacht, sie seien von ihresgleichen umgebracht worden, wirkte beruhigend, so sehr, daß André E. schließlich beschloß, an die Öffentlichkeit zu gehen.
Ohne Ansehen der Person

Fremdenfurcht und Fremdenhaß gelten heute vor allem den muslimischen Zuwanderern und ihren Nachkommen, so wie sie in Europa jahrhundertelang vorwiegend der jüdischen Minderheit galten. Im Kreis der sozialen Phobien ist die Xenophobie die ältere und universellere Form; die Judophobie ist ihr Spezialfall, der in Europa Epoche gemacht hat. Der destruktive Umgang mit »Fremden« ist hier jahrhundertelang im Umgang der christianisierten Mehrheitsbevölkerung mit jüdischen Minderheiten eingeübt worden. Darum nehmen sich die aktuelle Fremdenfeindlichkeit und die grassierende Islamophobie wie eine verallgemeinerte Judophobie aus.

Mit Entsetzen Scherz treibend, hat das ein Frankfurter Graffito-Schreiber schon vor einem Vierteljahrhundert in Form einer Rätselfrage formuliert: »Türken und Juden: die einen haben’s vor sich, die andern hinter sich.« Das Schmähliche ist, daß solche Rätsel in Deutschland keine sind, weil jeder sogleich weiß, wovon die Rede ist. Daran wird eine weitere Verwandtschaft der beiden potentiellen Opfergruppen deutlich: Sie sind den Xenophoben nur als Kategorie, als Typus präsent, als Karikatur und Gerücht. Die Individuen, die die Kategorie einfängt, zählen nicht. Man kann sie »ohne Ansehen der Person« attackieren und massakrieren.

André E. und die seinen kennen kein höheres Ziel, als »den« Juden (und seine Stellvertreter) umzubringen. Juden repräsentieren ihm – wie allen Antisemiten – die verhaßte Abstraktion, nicht nur die religiöse, die zu einem Gott führt, der unsichtbar ist und keine Abbilder von sich duldet, sondern die ökonomische, die sich im Übergang von der Natural- zur Geldwirtschaft und von der direkten zur indirekten (»sachlichen«) Herrschaft vollzogen hat. Wo Investi tion oder Nicht-Investition einzig von der erwartbaren Profitabilität des verfügbaren Kapitals abhängen, suchen sie nach Verantwortlichen und Schuldigen, guten oder bösen Vätern, Göttern und Dämonen. Der Menschenfreund sagt: Nicht die Verhältnisse sind an unserer Misere »schuld«, sondern die Menschen, die diesen Verhältnissen unterliegen – weil sie sie dulden. Warum sie sie dulden, kann er nicht sagen. Der Judophobe glaubt, es besser zu wissen. Das Dispositiv liefert ihm eine »Weltanschauung«, nämlich eine einfache »Erklärung« für seine Misere. Zugleich stellt es ihm eine Matrix zur Strukturierung und Ausrichtung seiner Affekte zur Verfügung.
Wahn und Aufklärung

Da der Wahn, es gebe eine geheime Macht hinter allen Mächten, die einer bestimmten ethnisch-religiösen Gruppe zugefallen sei, stets wieder mit der Realität kollidiert, bedarf es der beständigen Befestigung dieses Wahns. Mit dem Verleugnungsaufwand, den der Antisemit leisten muß, nimmt seine Erfahrungsfähigkeit ab, seine soziale Blindheit zu. Der Wahn ruft nach Bestätigung, er muß sozialisiert werden. Darum gehen alle Antisemiten auf Mission aus, sie sind zwanghafte Proselytenmacher. Sie wittern Verwandtes, antisemitische Gefühle und Überzeugungen auch bei anderen.

Was tun? Solange die Herrschaft versteinerter Verhältnisse über die lebenden Menschen nicht gebrochen ist, das Gefälle zwischen Arm und Reich national wie international so groß ist wie in den heute bestehenden Klassengesellschaften, solange ein Fünftel der Menschheit in irdischen Paradiesen, ein anderes aber in der irdischen Hölle lebt, wird es das Bedürfnis nach realer oder imaginärer Privilegierung und sein Komplement, das Bedürfnis nach sozialer Exklusion geben. Solange wird auch das judo-alterophobe Dispositiv so attraktiv bleiben wie eine Droge. Es läßt sich kritisch auflösen, indem man seine Genealogie rekonstruiert. Das ist eine Aufgabe zuerst der Sozialwissenschaft, dann eine der politischen Pädagogik, die die gewonnene Einsicht popularisiert. Doch dabei handelt es sich um eine Jahrhundertaufgabe.

Heute und morgen müssen die Antisemiten und Xenophoben politisch bekämpft werden, indem man ihre Slogans und Programme öffentlich angreift und ihrer Unsinnigkeit und Gewaltträchtigkeit überführt. Sie selbst sind weitgehend erfahrungs- und argumentationsresistent, darum geht es bei der anti-antisemitischen Argumentation vor allem um die Hörer und Zuschauer, um die Dritten, das Publikum, das die Xenophoben für ihren stummen Bundesgenossen halten. Vor diesem Publikum muß man die xenophoben Parteien und Gruppierungen diskreditieren, die xenophoben Banden aber müssen entwaffnet und aufgelöst werden. Versagt die staatliche Exekutive (wie im Fall der »NSU«), muß man den Teil der Öffentlichkeit mobilisieren, der versteht, worum es geht, und über ihn Legislative, Exekutive und Judikative zur Intervention zwingen

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#34

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 01.03.2012 18:58
von Lisadill • 744 Beiträge

sehr bedenklich!


Die Rechten rüsten auf
Von Sebastian Carlens

Rund 1500 Einsatzkräfte der Polizei haben am Dienstag 58 Objekte in der bayerischen Oberpfalz, in Niederbayern und in Rheinland-Pfalz durchsucht. Die Ermittler förderten bei ihrer konzertierten Aktion »Unglaubliches« zu Tage: Maschinenpistolen, Maschinengewehre, eine Abschußvorrichtung für Panzerfäuste – Gerätschaften, die teilweise unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen. Neben 200 Waffen konnten auch Tausende Schuß Munition sichergestellt werden. Elf Personen wurden festgenommen, fünf Männer und eine Frau sind in Haft. Zur Großrazzia soll die »Lebensbeichte« eines Waffenhändlers geführt haben, der nach Informationen des Bayerischen Rundfunks bereits im Dezember vergangenen Jahres verhaftet wurde und gegenüber den Ermittlern ausgepackt und seine Kunden der letzten Jahre verraten haben soll.

Doch nicht nur Waffen und Betäubungsmittel, sondern auch neofaschistisches Propagandamaterial und Hakenkreuzarmbinden fielen den Ermittlern in die Hände. Die Beschuldigten, die ersten Medienberichten zufolge aus dem Umfeld örtlicher Motorradgangs stammen sollen, verfügen über Verbindungen ins militant rechte Milieu Bayerns. Das bayerische Innenministerium bestätigte am Donnerstag, daß der Waffenhändler, der die Fahndung durch seine Aussagen ins Rollen gebracht haben soll, selbst ein »bekannter Neonazi« sei. Die Staatsanwaltschaft sprach von »wechselseitigen Bezügen zwischen den von der Maßnahme betroffenen Personen«. Nun müsse geprüft werden, ob es »terroristische Planungen« gegeben habe. Mit den Ergebnissen einer ballistischen Untersuchung der beschlagnahmten Waffen sei erst in ein paar Wochen zu rechnen, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte die Razzia zu einem »großen Erfolg«. »Der Fall beweist, daß man im rechtsextremen Bereich immer wieder versucht, in den Besitz hoch gefährlicher Schußwaffen zu kommen«. Bisher war der Landes­innenminister durch ganz andere Befürchtungen auffällig geworden: »Leider ist beim Linksextremismus das Problembewusstsein der deutschen Öffentlichkeit geringer ausgeprägt als beim Rechtsextremismus«, klagte er im vergangenen Jahr gegenüber Bild. Und auch die Mordserie der Zwickauer Terrorzelle änderte nichts an Herrmanns Einschätzung – gegenüber dapd warnte der Minister zu Jahresbeginn, daß »insbesondere der gewaltbereite Linksextremismus seit Jahren auf dem Vormarsch« sei. Im Interview mit der SZ machte Herrmann am 17. Februar das Versagen der Thüringer Behörden für die Zwickauer Terrorzelle verantwortlich, die immerhin fünf Morde auf bayerischem Gebiet begehen konnte.

Besser beraten wären die bayerischen Zuständigen, wenn sie die Rolle des eigenen Bundeslandes für die neofaschistische Szene thematisieren würden – im Süden der Republik haben sich in den letzten Jahren flächendeckende Strukturen gewaltbereiter Neonazis gebildet. Der CSU-Bundes innenminister Hans-Peter Friedrich, dessen Haus am Donnerstag eine Studie zum Integrationsunwillen junger Muslime vorgelegt hat, will, so Bild, den »Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten« nach Deutschland »nicht akzeptieren«. Autoritäre, fanatische und antidemokratische deutsche und bayerische Neonazis müssen nicht erst importiert werden. Sie gedeihen, auch und gerade in der rechten Ordnungszelle Bayern, ganz von alleine und rüsten auf, mit Kriegsgerät.

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#35

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 02.03.2012 20:04
von Lisadill • 744 Beiträge

Unglaublicher Zufall

Waffenfunde bei Neonazis in Bayern
Von Claudia Wangerin

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte von einem großen Erfolg gesprochen, der zeige »daß wir mit aller Entschlossenheit gegen Kriminalität und insbesondere Rechtsextremisten sowie Angehörige aus dem Rockermilieu vorgehen«. Herrmann, der bislang nicht für besondere Wachsamkeit gegenüber Neonazis bekannt war, suggerierte damit, die Waffenfunde bei der Großrazzia in der Oberpfalz und in Niederbayern am vergangenen Dienstag seien auf gezielte Ermittlungen auch in der rechten Szene zurückgegangen. Nach Berichten verschiedener Regionalmedien widerspricht die Staatsanwaltschaft Regensburg dieser Darstellung. Durchsucht worden seien zwar auch Gebäude, deren Eigentümer oder Mieter rechtsextremen Kreisen zuzuordnen seien, dieser Zusammenhang habe sich aber erst im Lauf der Ermittlungen ergeben und sei nicht ausschlaggebend für die Durchsuchungen gewesen, zitierte das regionale Wochenblatt bereits am Mittwoch den Sprecher der Staatsanwaltschaft Regensburg, Dr. Markus Pfaller.

Ausgangspunkt der Razzien sei die Festnahme zweier Personen im Dezember vergangenen Jahres wegen verbotener Waffengeschäfte gewesen; eine dieser Personen habe nun Hinweise gegeben, die zu der Durchsuchungsaktion führten, erläuterte Pfaller am Freitag, als das Regionalmedium wegen der vielen Gerüchte, die auf die eigenwillige Informationspolitik Herrmanns zurückgingen, noch einmal nachhakte. Die Staatsanwaltschaft habe bisher keine Erkenntnisse, daß der Haupthinweisgeber dem rechten Milieu angehöre, zitierte das Online-Portal des Regionalmediums Pfaller. Bei den Razzien waren insgesamt 59 Objekte in Bayern durchsucht worden. Ausbeute: Rund 200 Schußwaffen, darunter auch solche, die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen, wie eine Abschußvorrichtung für eine Panzerfaust. Außerdem Munition und mehrere hundert Gramm Betäubungsmittel. Keineswegs beruhigend, aber vor dem Hintergrund früherer Funde im Dunstkreis deutscher Neonazis seit 1980 auch keineswegs »unglaublich«, wie Herrmann das Waffenarsenal nannte. Als im November 2006 im bayerischen Landkreis Rosenheim immerhin 55 Kurz- und Langwaffen, darunter Maschinengewehre, bei Neonazis gefunden wurden, tat dies die Staatsanwaltschaft als »Statussymbole der einschlägigen Szene« ab. Zu diesem Zeitpunkt waren in Bayern bereits fünf Morde geschehen, die erst fünf Jahre später der rechten Terrorzelle »Nationalsozialistischer Untergrund« zugeordnet werden konnten – dies allerdings ganz ohne Zutun der bayerischen Behörden. So nutzte Herrmann nach den jüngsten Razzien die Gunst der Stunde, einen Zufallstreffer als Ergebnis intensiver Ermittlungen in der Neonaziszene zu verkaufen. Und beim nächsten Mal ist es ganz bestimmt wieder »unglaublich«.

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#36

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 15.03.2012 20:58
von Lisadill • 744 Beiträge

Hitlergruß »unpolitisch«

160 Haftbefehle gegen Neonazis offen. Statistik zu neofaschistischen Straftaten wird weiterhin beschönigt. Rechtsradikale in Gefängnissen gut organisiert
Von Ulla Jelpke

25 bis 30 Prozent der Strafgefangenen gelten als rechtsradikal (JVA Berlin-Plötzensee, Mai 2008)

Anfang diesen Jahres wurden bundesweit 160 Neofaschisten mit Haftbefehl gesucht. Das teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion mit. Nach der offiziellen Zählweise lag allerdings nur bei 50 dieser Personen dem Haftbefehl eine »politisch rechts motivierte Straftat zugrunde«. Ein kurzer Blick in das Dokument zeigt jedoch, daß die Statistik schöngerechnet ist.

Nach dem Auffliegen der Nazi-Terrorzelle im November vorigen Jahres mußte das Bundeskriminalamt (BKA) im Innenausschuß des Bundestages zugeben, daß es keinen Überblick hat, gegen wieviele Nazis ein offener Haftbefehl vorliegt. Auf Druck der Abgeordneten hat das BKA mittlerweile gemeinsam mit den Ländern aus sämtlichen 144107 offenen Haftbefehle jene Personen herausgefiltert, die in Polizeidateien als rechts motivierte Straf- oder Gewalttäter ausgewiesen sind. Zudem wurden jene aufgeführt, deren Haftbefehl sich auf eine explizit politisch motivierte Straftat bezieht. Gezählt wurden sowohl Haftbefehle zur Vollstreckung als auch zur U-Haft. Dateien der Geheimdienste wurden nicht herangezogen. Die Sicherheitsbehörden unterscheiden die zugrundeliegenden Straftaten in politisch motivierte und »sonstige« Kriminalität. Das trägt dem Umstand Rechnung, daß nicht jede Straftat eines Nazis gleich eine »typisch« neofaschistische ist, etwa wenn er wiederholt ohne Fahrschein in der Straßenbahn erwischt wird und das Bußgeld nicht bezahlt.

In mehreren Fällen allerdings ist die polizeiliche Einschätzung der Straftaten als »unpolitisch« extrem fragwürdig. Besonders eklatant ist dies bei einem Täter der Fall, den die Staatsanwaltschaft Hallstadt wie folgt beschreibt: »Die gesuchte Person griff eine andere Person (türk. Herkunft) mit beiden Händen am Hals und würgte sie. Nach der Befreiung des Zeugen beleidigte die gesuchte Person diesen mit ›so was wie Ihr gehört vergast‹.« Die Staatsanwaltschaft wertet diese Tat nicht als politisch motiviert. Ebenfalls unter »sonstige Kriminalität« verbucht, wird eine Kombination aus »gefährliche Körperverletzung mittels Luftpistole/Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Hitlergruß«. Insgesamt werden elf Fälle von Volksverhetzung und Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen als »unpolitisch« eingestuft. »Wie kann es unpolitisch sein, wenn ein polizeilich bekannter Nazi den Hitlergruß zeigt?«, fragte die Linksfraktion in einer Pressemitteilung vom Donnerstag. Es sei skandalös, daß die Sicherheitsbehörden in Deutschland auch nach Bekanntwerden der Morde durch die NSU-Bande weiterhin den Rechtsextremismus verharmlosten und die Statistik manipulierten. Die Linksfraktion erneuerte ihre Forderung nach einer unabhängigen Beobachtungsstelle gegen rechte Gewalt.

Nachlässig im Kampf gegen rechte Straftäter zeigt sich die Bundesregierung auch hinsichtlich einer etablierten Nazi-»Subkultur« in Strafvollzugsanstalten. Inhaftierte Neonazis organisieren sich dort in Cliquen, um eigene Anhänger bei der Stange zu halten, neue Kameraden zu gewinnen und andere einzuschüchtern. Der Bundesregierung ist nach eigenen Angaben bewußt, »daß zumindest in einzelnen Justizvollzugsanstalten entsprechende Subkulturen bestehen«. Deren Bekämpfung wird aber den Anstaltsleitungen bzw. den jeweiligen Bundesländern überlassen. Nach kriminologischen Forschungsberichten geht das Land Brandenburg davon aus, daß 25 bis 30 Prozent der Insassen von Jugendstrafanstalten dem neofaschistischen Spektrum zuzuordnen sind, in Sachsen-Anhalt bis zu 20 Prozent. Die offenkundige Gefahr liegt neben dem Terror gegenüber Mithäftlingen darin, daß gerade Jungnazis noch weiter radikalisiert, statt resozialisiert werden. Die vorhandenen Angaben stammen allerdings aus dem Jahr 2003. Neuere Erkenntnisse gibt es nicht. Eine Absicht, die vorhandenen Wissenslücken zu schließen, hat die Bundesregierung bisher nicht gezeigt.

Nach jahrelangen Debatten um ein »Abschalten« der V-Leute in Führungspositionen der NPD, hatte am Mittwoch auch der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) seinen Widerstand aufgegeben. Die Landesinnenminister verständigten sich darauf, zehn der vermutlich 120 V-Leute in der NPD abzuschalten. SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy verurteilte den Einsatz von V-Leuten als »Lebensversicherung für die NPD«. Petra Pau von der Linksfraktion im Bundestag bezeichnete den Beschluß als »halbherzig«. Sämtliche V-Leute seien »aktive Rechtsextremisten«, die Zusammenarbeit mit ihnen solle beendet werden.

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#37

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 17.03.2012 20:02
von Lisadill • 744 Beiträge
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#38

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 17.03.2012 20:02
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#39

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 22.03.2012 08:00
von Lisadill • 744 Beiträge

Nordrhein-Westfalen zieht V-Leute ab
Vorstoß soll Verbotsverfahren gegen NPD erleichtern. Neonazis planen »Mahnwache«
Von Sebastian Carlens


Im Jahr 2003 scheiterte ein erster Anlauf zum Verbot der NPD an der Vielzahl staatlicher Spitzel in ihren Führungsgremien. Nach dem Mordfeldzug des rechtsterroristischen »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) erhielt die Debatte um ein mögliches Verbot der NPD neuen Auftrieb. Geändert hat sich an der Praxis der deutschen Geheimdienste jedoch wenig, deshalb könnte die Durchsetzung der NPD-Vorstände mit Informationen auch zum Hinderungsgrund für einen zweiten Versuch, die Nazipartei zu verbieten, werden. Aus Nordrhein-Westfalen wurde am Mittwoch mitgeteilt, daß sämtliche V-Leute des Landesverfassungsschutzes aus den Führungsgremien der Partei abgezogen worden seien. Ziel müsse sein, ein Verbotsverfahren mit realistischen Aussichten auf Erfolg einzuleiten, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) gegenüber dapd. Berlin hat diesen Schritt bereits vollzogen.

Am heutigen Donnerstag kommen die Innenminister aus Bund und Ländern in Berlin zusammen, um über einen neuen Verbotsantrag zu beraten. Jäger kündigte an, dort gemeinsam mit den SPD-Innenministerkollegen ein »gestuftes Vorgehen« vorzuschlagen: Zunächst solle Material gesammelt werden. Darauf aufbauend soll dann ein Verbot der Partei mit deren aggressiv kämpferischer Haltung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung begründet werden, wie es bei dapd hieß.

Die NPD hat angekündigt, parallel zur Innenministerrunde eine »Mahnwache« gegen ein mögliches Verbot abhalten zu wollen. Vertreter der neonazistischen Organisation wollen heute ab 16 Uhr vor dem Hotel »Ritz-Carlton« am Potsdamer Platz die NPD als »einzige Partei, die konsequent gegen Überfremdung, den drohenden Volkstod, den restlosen Ausverkauf Deutschlands steht« präsentieren.

Die Berliner »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes« (VVN-BdA) hat zu einer Gegenkundgebung aufgerufen, die ab 15 Uhr, ebenfalls auf dem Potsdamer Platz, stattfinden soll.

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#40

RE: Braunes" Gedankengut" in Deutschland

in Gesellschaft 27.03.2012 20:19
von Lisadill • 744 Beiträge

Buchrezension

Verharmloser und Förderer des »NSU«

»Das braune Netz«: Neuerscheinung beleuchtet Dimensionen des Neonaziterrors in der BRD
Von Sebastian Carlens

Ab November 2011 erschütterten immer mehr Details einer neofaschistischen Verbrechensserie die BRD: 13 Jahre lang mordete eine Bande Rechtsterroristen unerkannt, ungejagt und ungestraft quer durchs Land – erst ein gescheiterter Banküberfall enttarnte die Existenz des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU), der bis dahin mutmaßlich zehn Menschen umgebracht hatte. Heute, bald ein halbes Jahr nach Auffliegen der Terrorzelle, ist das Thema in die zuständigen parlamentarischen Gremien verwiesen. Die Angehörigen der Opfer wurden entschädigt, ein Staatsakt beendete die Affäre.

Indes – zu Ende ist gar nichts, solange die Bedingungen, unter denen der NSU entstehen konnte, fortexistieren. Auch deshalb ist das Buch des Berliner Autors und Journalisten Markus Bernhardt über »Naziterror – Hintergründe, Verharmloser und Förderer« notwendig: »Das braune Netz«, erschienen im März im Papyrossa-Verlag Köln, dürfte nicht nur die erste kompakte Buchveröffentlichung zum Thema NSU auf dem deutschen Markt sein. Es trägt zusammen, was bisher über die Terrorzelle bekannt ist. Und es wagt eine Bilanz: Wie konnten mutmaßlich drei Personen mehr als ein Jahrzehnt im Untergrund agieren, obwohl die rechte Szene der BRD von Spitzeln der Inlandsgeheimdienste geradezu durchsetzt war (und ist)? Warum entkamen die Terroristen mit beinahe traumwandlerischer Sicherheit immer wieder, obwohl die Fahnder ihnen bei mehr als einer Gelegenheit dicht auf den Fersen waren?

Die einzige Überlebende der Terrorzelle schweigt, die staatlichen Stellen mauern, im Dickicht aus föderalen Interessen, Geheimhaltungsbedürfnissen und Kompetenzgerangel gefangen. Die politische Einordnung wird, solange die behördliche Sicht auf den Neonazismus im Bannkreis einer historisch falschen »Extremismusdoktrin« verharrt, nicht stattfinden können. Die wirkliche Gefahr, so Bernhardts Fazit, lauert nicht an den »extremen Rändern«, gar links der »Mehrheitsgesellschaft«, wie uns dies Verfassungsschutz, Familienministerium und »Extremismusforschung« beständig einhämmern wollen. Es ist der »Extremismus der Mitte«, der Auswüchse wie den NSU gebiert. Verfassungsschutzämter, Militärischer Abschirmdienst und Bundesnachrichtendienst waren mit Quellen im unmittelbaren Umfeld der Terroristen vertreten, in Thüringen koordinierte gar ein »Vertrauensmann« die gesamte rechte Szene. Ein als »kleiner Adolf« bekannt gewordener Mitarbeiter des LfV Hessen war bei mindestens einem der NSU-Morde persönlich anwesend. Und der ehemalige Thüringer Verfassungsschutzchef Roewer, in dessen Amtszeit die NSU-Entstehung fällt, hielt Linke schon immer für gefährlicher als Neofaschisten.

Bernhardt benennt diese Fakten, ohne vorschnelle Antworten zu präsentieren. Umso unverständlicher, warum er sich in einer Rezension, die auf »Endstation rechts« erschien, »verschwörungsideologischer Deutungen« zeihen lassen muß: Dort holt Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber weit aus, um jede Benennung der – erwiesenermaßen vorhandenen – Kungelei zwischen Verfassungsschutz und organisierten Neonazis zu desavourieren. Vielleicht, weil Pfahl-Traughber selbst in Bernhardts Buch auftaucht, als ein Vertreter der »Extremismus-Doktrin«, die zur Verharmlosung der neofaschistischen Gefahr maßgeblich beigetragen hat? Oder weil Pfahl-Traughber seinen (ehemaligen) Arbeitgeber, den Verfassungsschutz, vor jedem Verdacht bewahren will? Bei »Endstation rechts«, einem an sich verdienstvollen Projekt, darf er auch in anderen Beiträgen seine Sicht auf »Fehlwahrnehmungen« des Inlandsgeheimdienstes schildern und die medialen »Zerrbilder«, die angeblich über dessen so verdienstvolle Arbeit bestünden, geraderücken. Fragwürdig, warum ausgerechnet »Endstation rechts« Raum für diese Propaganda bietet. Es gibt doch, was rechte Umtriebe und klammheimliche Sympathien dafür aus der »Mehrheitsgesellschaft« angeht, wahrlich Wichtigeres zu tun.


Markus Bernhardt: Das braune Netz - Naziterror–Hintergründe, Verharmloser, Förderer. Papyrossa-Verlag, Köln 2012, 120 Seiten, 9,90 Euro

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