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#1

Feminismus/zum Geburtstag von Yoko Ono

in Gesellschaft 17.02.2013 19:09
von Lisadill • 744 Beiträge

Käfig und Körper

Ton Scheren Scherben (2). Yoko Ono wird 80
Von Klaus Walter
Unter Osthippies: John Cage, hier 1990 auf dem Berliner Kollwitz

Die offiziöse Geschichtsschreibung führt Yoko Ono wahlweise als Verehrerin oder als Schülerin von John Cage. De facto arbeiten beide schon früh zusammen. Jörg Heiser im Katalog über eine Performance von Cages »Music Walk« in Tokio, 9. Oktober 1962: »Eine Frau im schwarzen Kleid liegt auf einem Konzertflügel. Der Deckel fehlt, sie liegt rücklings auf den Saiten – keine bequeme Haltung – und ihr Kopf hängt über den Rand, ein Arm ist nach oben angewinkelt. Im Hintergrund drei Herren im Anzug, die einander den Rücken zukehren und in ruhige Tätigkeiten vertieft scheinen, die weder auf das Auditorium gerichtet zu sein scheinen, noch auf das, was die Frau macht. Ihr Mund ist halb geöffnet. Singt sie, schreit sie?« (Irgendwer fragt immer, ob Ono schreit. Oder kreischt.) »Einer der drei Herren ist Cage selbst. Die Frau ist Yoko Ono.« Heiser weist darauf hin, »daß Ono das Cagesche Konzept des prepared piano mit dem eigenen Körper umsetzte, während sie den Einsatz der Stimme aus ihrer musikalischen Sozialisation heraus interpretierte.«

Der Körper steht im Zentrum von Onos Werk, immer wieder geht es um Ver- und Enthüllen. Im Dominikanerkloster läßt sie die Philharmoniker von sogenannten Wicklerinnen solange verhüllen, bis die Stille eintritt, die John Cage in seiner berühmtesten Arbeit, nun ja, vertont hat: »4’33««. »Silence is a rhythm too«, heißt es bei den Slits. Die drei Frauen der englischen Punkband posieren 1979 lehmbeschmiert mit nacktem Oberkörper für das Cover ihres Debütalbums. Es trägt den onoesken Titel »Cut«. Auch was den Einsatz der Stimme angeht, haben weiblich dominierte Punkbands von Ono gelernt, The Raincoats, X-Ray Spex, auch Lydia Lunch, sie nerven mit ihren Stimmen, weil es Gründe gibt zu nerven und nichts zu beschön(s)i(n)gen. Eine Generation später greifen die Riot-Grrrl-Bands diese Ästhetik auf. Der Kreis schließt sich im 21. Jahrhundert, als Ono mit Frauen wie Le Tigre, Cat Power, Peaches und Kim Gordon zusammenarbeitet, Töchter und Enkelinnen im Pop-Feminismus.

Cage (dt.: Käfig) und der Körper: »Two minutes of silence« ist ein Track auf »Unfinished Music«, dem gemeinsamen Album von John Lennon und Yoko Ono, quasi eine Fortschreibung von Cages »4’33««. Die Stille ist John Ono Lennon II. gewidmet, ihrem ungeborenen Sohn. Im November 1968 verliert Ono das Kind, nach zwei weiteren Fehlgeburten bringt sie 1975 Sean Ono Lennon zur Welt.

»1961 hatte ich eine Fehlgeburt … oder besser gesagt, eine Abtreibung. Ich dachte, ich werde versuchen, diesen Klang einer gebärenden Frau zu rekonstruieren.« Dieses Zitat von Yoko Ono dient Jörg Heiser als Beleg dafür, wie »ernst und wörtlich« die Musikerin »die Idee der Stimme als Instrument« nahm, trotz oder wegen ihrer Ausbildung in klassischer Liedkunst.

Onos Schlüsselerlebnis: Als Vierjährige habe sie Dienstboten belauscht, die die Schreie einer Frau in den Wehen imitieren. 1969 wird die Welt von Lennon & Onos durchdringenden Schreien erschüttert, in »Cold Turkey« imitieren oder rekonstruieren sie die Schreie eines Junkies auf Entzug. Ein Jahr später erscheint Arthur Janovs »Urschrei«. Die Retrospektive in der Frankfurter Schirn rückt die historische Dimension von Onos Pioniertaten in den Blick: Bei allen Performances der frühen sechziger Jahre ist sie die einzige Frau unter Männern. Bei der Premiere von »Cut Piece« 1964 hatte »sich weder bei den Künstlern und Künstlerinnen noch im Publikum ein Bewußtsein für feministische Themen entwickelt«, so die Kuratorin Ingrid Pfeiffer. »Wie können wir ein ewiger James Bond oder eine ewige Twiggy (falsche Wimpern, der Nie-ein-Baby-gehabt-und-nie-sattgegessen-Look) sein und gleichzeitig drei Kinder großziehen?« Diese Frage stellt Yoko Ono 1971 in dem Manifest »The Feminization of Society«. Ersetzen wir Bond und Twiggy durch Depp und Moss, dann sind wir in der Gegenwart. In ihren frühen Filmen »demontiert sie herkömmliche und männlich geprägte Blickstrategien«, schreibt Kathleen Bühler im Katalog und erwähnt »Fly«, den Kurzfilm mit der Fliege auf dem nackten Frauenkörper, sowie »Rape«. Der minutenkurze Film »Freedom«, im Museum gegenüber von »Fly« plaziert, zeigt eine fast nackte Frau – der Kopf ist außerhalb des Bildes – die versucht, ihren BH vor der Brust zu zerreißen, offenkundig eine Solidaritätsadresse an die neu entstehende Frauenbewegung, die im Verbrennen von Büstenhaltern einen Akt der Befreiung sieht. Brüste dürfen hängen.

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