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#1

Amazon -Macht und Ohnmacht des Verbrauchers

in Gesellschaft 20.02.2013 20:34
von Lisadill • 744 Beiträge

Amazon und Du – Macht und Ohnmacht des Verbrauchers
Verantwortlich: Jens Berger

Die ARD-Dokumentation „Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon“ hat vielen Menschen die Augen geöffnet. Für das Internet-Versandhaus ist die Reportage über ausländische Leiharbeiter, die in Deutschland wie Sklaven gehalten werden, ein PR-Gau. Der „Shitstorm“, der momentan in den sozialen Netzwerken über Amazon hinwegzieht, ist gewaltig. Amazon duckt sich weg und spielt auf Zeit – der Konzern weiß, schon morgen wird wahrscheinlich bereits die nächste Sau durchs virtuelle Dorf getrieben. Es ist an der Zeit, dass der Verbraucher seinen Kompass neu justiert und sich endlich der Macht bewusst wird, die er nicht nur in den Händen, sondern vor allem in seiner Brieftasche hält. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Amazon und Du – Macht und Ohnmacht des Verbrauchers [ 5:56 ] Player verbergen | Play in Popup | Download

Amazon ist ein Musterbeispiel für einen multinationalen Konzern, der sich schon längst der sozialer Verantwortung entzogen hat. Der aktuelle Skandal ist dabei nur ein weiteres Teil in einem großen Puzzle. Amazon zahlt seinen Mitarbeitern rund 20% weniger als seine Mitbewerber, die Mitarbeiter werden meist nur befristet eingestellt, es herrscht eine „Hire-and-Fire-Mentalität“, Leistungsdruck und ständige Kontrollen gehören zum Alltag. Bereits vor mehr als einem Jahr geriet Amazon in die Schlagzeilen, als herauskam, dass man großflächig Erwerbslose ohne Lohn in „Eingliederungsmaßnahmen“ für sich arbeiten ließ – selbstverständlich wurden die Erwerbslosen nicht übernommen und Amazon ließ sich so einen ordentlichen Teil der Lohnkosten direkt aus den Kassen der Bundesagentur für Arbeit zahlen. Dies brachte damals für die NachDenkSeiten das Fass zum Überlaufen, so dass wir uns gezwungen sahen, unsere Geschäftsbeziehungen zu Amazon einzustellen.

Eine lange Liste von Vergehen

In Deutschland kontrolliert Amazon zwischen einem Fünftel und einem Viertel des Online-Versandhandels und erwirtschaftete im letzten Jahr einen Erlös in Höhe von 6,5 Mrd. Euro. Diese Marktmacht nutzt Amazon, um Mitbewerber zu schädigen und Rendite auf Kosten der Anbieter und Verlage einzufahren. Über ein äußerst kreatives Firmenkonstrukt mit einem Pro-Forma-Firmensitz in Luxemburg schafft es Amazon zudem, nicht nur die Steuern auf die Gewinne auf nahezu null Prozent zu drücken, sondern unterläuft bei Produkten wie e-books zudem die deutsche Umsatzsteuer – statt 19% an den deutschen Fiskus führt Amazon lediglich 3% an den luxemburgischen Fiskus ab. Die Liste der Vergehen Amazons ließe sich mühelos verlängern.

Die Verantwortung wird weitergereicht

Amazon-Verteidiger greifen bei derlei Anschuldigung stets zur Erklärung, Amazon nutze doch nur Lücken aus, die die Politik geschaffen habe. Nicht Amazon, sondern die Politik trage die Verantwortung für derlei Missstände. Und überhaupt – Amazon mache doch nur, was alle Anderen auch machen. In dieser Verteidigung zeigt sich bereits, wie tief das egoistische Weltbild, das Frank Schirrmacher in seinem neuen Buch „Ego“[*] kritisiert, in unsere Köpfe gedrungen ist. Sicher, man darf die Politik nicht aus der Verantwortung entlassen. Aber das befreit im Umkehrschluss nicht die Unternehmen aus der Verantwortung, die jede dieser „Lücken“ ausnutzen. Es gibt schließlich kein ökonomisches oder moralisches Gesetz, das besagt, dass man jede Gesetzeslücke ausnutzen muss. Auch wenn man die Gesetze befolgt und günstig für sich selbst auslegt, kann man sehr wohl unmoralisch handeln. Der gesetzliche Rahmen ist schließlich nicht der einzige ethische Kompass, an dem wir uns orientieren. Und warum sollte dieses Prinzip für Unternehmen nicht gelten?

Macht und Moral des Verbrauchers

Amazon ist eines dieser Unternehmen, die den Egoismus zum Grundprinzip erklärt haben und für die soziale Verantwortung nie ein Unternehmensziel war. In der Amazon-Welt zählt nur eine Zahl – die Rendite. Amazon ist dabei weder moralisch, noch unmoralisch – Moral und Ethik sind keine betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Amazon ist vielmehr amoralisch und überträgt dieses Prinzip auch auf seine Kunden. Der typische Amazon-Kunde ist demnach ein „Homo Oeconomicus“, ein Wesen, das rein nutzenmaximiert denkt und seine Kaufentscheidungen aus egoistischem Antrieb fällt. Weder der Buchhändler um die Ecke, noch der Leiharbeiter aus Polen spielen in diesem Modell eine Rolle.

Für den Verbraucher stellt sich an dieser Stelle nur eine Frage: Mache ich dieses Spiel mit, handele rein nutzenmaximiert und schiebe sämtliche Verantwortung auf den Staat ab, der die Leitplanken unternehmerischen Handelns setzt? Oder lege ich an meine Geschäftspartner (auch multinationale Konzerne sind auf dieser Ebene Geschäftspartner) moralische Ansprüche an und setze dabei mit meinem Konsumverhalten eigene Maßstäbe? Von der Politik ist diesbezüglich leider nicht viel zu erwarten, steckt sie doch selbst knietief im neoliberalen Ideologiesumpf. Wer will, dass die Unternehmen sich ändern, muss zu allererst sich selbst ändern und aufhören, sich so zu verhalten, als sein man ein „Homo Oeconomicus“, eine rein nutzenmaximiert orientierte, egoistische Konsummaschine.

Wer das Verhalten einiger Konzerne nicht länger tolerieren will, muss ihnen die rote Karte zeigen und sein Geld woanders ausgeben. Das ist die einzige Sprache, die das „System Amazon“ versteht. Amazon ist überall. Für ein amoralisches System wird Moral erst dann zu einer Kennzahl, wenn sie sich auf den Umsatz bemerkbar macht. Und dies liegt ausschließlich in der Macht des Verbrauchers.

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#2

RE: Amazon -Macht und Ohnmacht des Verbrauchers

in Gesellschaft 21.02.2013 18:15
von Jonas • 615 Beiträge

Ich hatte auch bei Amazon gekauft (z.B. englischsprachige Bücher).
Ich habe den Account aus Protest löschen lassen.

Dabei gab es noch folgenden interessanten Effekt:
ich musste ein Kindle-Buch (das ich von http://www.Worldwatch.org
als Kindle-Buch gekauft hatte, um Papier zu sparen) löschen lassen.
D.h. wenn man mit der Löschung des Accounts gegen die Praktiken protestieren will,
dann sind die Kindle-Bücher weg. Ich kaufe also lieber Papier (egal wo),
das verliert bei Löschung des Accounts nicht den Anschluss an das
DRM (digital rights management) und bleibt erhalten. Oder PDF,
das bleibt auch erhalten.

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#3

RE: Amazon -Macht und Ohnmacht des Verbrauchers

in Gesellschaft 21.02.2013 20:48
von Lisadill • 744 Beiträge

Zitat von Jonas im Beitrag #2
Ich hatte auch bei Amazon gekauft (z.B. englischsprachige Bücher).
Ich habe den Account aus Protest löschen lassen.

Dabei gab es noch folgenden interessanten Effekt:
ich musste ein Kindle-Buch (das ich von http://www.Worldwatch.org
als Kindle-Buch gekauft hatte, um Papier zu sparen) löschen lassen.
D.h. wenn man mit der Löschung des Accounts gegen die Praktiken protestieren will,
dann sind die Kindle-Bücher weg. Ich kaufe also lieber Papier (egal wo),
das verliert bei Löschung des Accounts nicht den Anschluss an das
DRM (digital rights management) und bleibt erhalten. Oder PDF,
das bleibt auch erhalten.



das ist interessant! Also brauchen wir das normale Buch doch noch..

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