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#1

Kriege

in Politik und Wirtschaft 21.12.2011 20:35
von Lisadill • 744 Beiträge

Wer überlebt?
Immer neue Drohungen gegen Teheran: Ein Krieg gegen Iran könnte den Untergang des zionistischen Israels bedeuten
Von Norman Paech


Die CIA genießt nicht den Ruf einer seriösen Behörde. Man sollte ihr nicht zu viel Vertrauen schenken. Das schließt nicht aus, daß der US-Geheimdienst in dem einen oder anderen Fall durchaus zu richtigen Erkenntnissen gelangt. Dies könnte auf eine Studie zutreffen, die er am 12. Februar 2009 veröffentlichte und in der er »den Untergang des zionistischen Israels innerhalb von zwanzig Jahren« voraussagte, »wenn die allgemeinen Trends sich fortsetzen«. Diese Trends sah die CIA nicht in den nuklearen Ambitionen Teherans. Nein, die Prognose basiert auf der Einschätzung, »daß es unwahrscheinlich ist, daß die israelische Führung auch nur zu minimalen Konzessionen bereit ist, um zu einer Verständigung mit ihren Nachbarn und deren zunehmend desillusionierten und rasch wachsenden, Würde und Gerechtigkeit verlangenden Bevölkerungen zu gelangen«. Die Studie verschwand sofort wieder, denn die Annahme war realistisch und die Voraussage ähnelte gefährlich der berüchtigten Prophezeiung des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad vom Untergang Israels. Damals war Leon Panetta Direktor der CIA und hatte die Studie offensichtlich abgesegnet. Als er nun im Oktober 2011 nach Israel aufbrach, war er Verteidigungsminister der USA – und er hatte die Studie in der Tasche. Die israelische Führung reagierte verärgert, nicht so sehr auf die Mahnung, daß die Zukunft nicht mit militärischen Mitteln zu sichern sei, sondern auf die Warnung, daß sich Israel nicht unbegrenzt auf die finanzielle Unterstützung der USA verlassen könne. Entweder mache es Frieden mit den Palästinensern, oder es werde untergehen.
Gescheiterter Staat

Die USA stehen vor einem echten Dilemma. Einerseits wollen sie einen Staat retten und erhalten, der zunehmend die Symptome eines »Failing state«, eines »gescheiterten Staates« aufweist. Andererseits wollen sie einen Staat beseitigen, der sich trotz Sanktionen und Isolierung als immer dominanter im arabischen Umfeld erweist. Man sollte nicht vergessen, was Zbigniew Brzezinski, außenpolitischer Berater der US-Präsidenten von James Carter bis Barack Obama, Ende der 90er Jahre als geostrategisches Ziel Washingtons mit dem Begriff »Greater Middle East« verkündete: die Ausrichtung aller Länder von der Türkei bis Pakistan auf die Interessen der USA – mit allen notwendigen Mitteln. Das ist den Präsidenten bisher bei allen Staaten ohne Rücksicht auf Verluste gelungen, außer Iran. Aber die letzte »antiamerikanische« Bastion im Mittleren Osten, umgeben von US-Protektoraten und Vasallenregierungen, wird derzeit für den Umsturz vorbereitet.

Im April 2011 bekannte der ehemalige Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Mohamed ElBaradei in einem Interview, daß die Amerikaner und Europäer im Atomstreit nie an einem Kompromiß mit der Regierung in Teheran interessiert waren, »aber an Regimewechsel – durch jegliche notwendige Mittel«. Sein Nachfolger, der Japaner Jukija Amano, hatte bereits zwei Monate nach seiner Wahl im Juni 2009 dem US-Botschafter Glyn Davies zugesagt, seine Aufgabe in Übereinstimmung mit den strategischen Schlüsselentscheidungen der USA in der Iran-Angelegenheit zu erfüllen. Sein Bericht vom November 2011 interpretierte zwar nur alte Erkenntnisse neu und sammelte weitere Anschuldigungen gegen Iran von ausländischen Geheimdiensten, scheute aber doch davor zurück, die iranische Führung zu bezichtigen, definitiv atomares Waffenmaterial zu produzieren. Es reichte wieder nur zur Verkündung weiterer Sanktionen – mit der Drohung, daß man sich alle notwendigen Mittel vorbehalte.

Aus den Erfahrungen mit dem Nachbarland Irak weiß man, daß Sanktionen die Iraner nicht zum Verzicht auf ihr Atomprogramm zwingen werden. Es bleibt also die Frage: Ist ein Krieg gegen Iran unausweichlich? Fast jede Woche hört man erneut entsprechende Drohungen aus Israel, ob von Politikern oder Militärs. Auch aus den USA kommen regelmäßig Meldungen über Kriegspläne gegen Iran. Der US-Ökonom Daniel Ellsberg, der in den 70er Jahren den Pentagon-Skandal aufdeckte, wußte schon 2006 von Angriffsplänen: »US-Präsident George W. Bush und Vizepräsident Richard Cheney hegen solche Gedanken seit mindestens 18 Monaten. Sie haben ihre Militärstäbe insgeheim angewiesen, mögliche Atomangriffe auf unterirdische Atomenergieanlagen im Iran zu planen, ebenso wie umfassende konventionelle Luftangriffe auf überirdische militärische Energieanlagen und Kommandoposten. Philip Giraldi, ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter, hat vor einem Jahr im American Conservative berichtet, das Büro von Vizepräsident Cheney habe Kontingenzpläne für einen ›Luftangriff in großem Maßstab auf Iran sowohl mit konventionellen Waffen als auch mit taktischen Nuklearwaffen‹ in Auftrag gegeben. ›Mehrere hochrangige Offiziere der Air Force‹, die an der Planung beteiligt seien, seien ›erschüttert über die Implikationen ihrer Arbeit – daß nämlich ein nicht provozierter Angriff mit Atomwaffen auf den Iran in Planung ist –, doch niemand wolle durch Widerspruch seine Karriere gefährden‹.« (Frankfurter Rundschau, 13. Dezember 2006)
Härtere Sanktionen

Derartige Veröffentlichungen reißen seitdem nicht mehr ab. Wenn die nachfolgenden Administrationen bisher Vernunft bewiesen haben, mag das auch an ihrem Wissen liegen, daß ein militärischer Angriff auf die Atomanlagen das ganze Programm zwar verzögern, aber nicht beseitigen kann. Es bedeutet aber nicht, daß sie den gewaltsamen »Regime change« aufgegeben haben. Obama schrieb im vergangenen Jahr an die Regierungschefs von Brasilien und der Türkei einen Brief mit der Bitte, Iran davon zu überzeugen, 1200 Kilogramm angereicherten Urans in der Türkei zu lagern. Drei Wochen später hatten die beiden Regierungen eine entsprechende Einigung mit der Führung in Teheran erreicht. Doch die US-Regierung war nicht mehr interessiert und forderte härtere Sanktionen. Selbst wenn Washington weiterhin zögert, seine Kriegspläne umzusetzen, die größte Gefahr kommt aus Jerusalem von dem gewalttätigen Regime Benjamin Netanjahu/Avigdor Lieberman.

Schon einmal, im Juni 1981, haben israelische Kampfflugzeuge erfolgreich einen irakischen Atomreaktor bei Tuweitha kurz vor seiner Fertigstellung zerstört. Die Arbeiten an ihm standen unter der Kontrolle der IAEA, der die Israelis allerdings mißtrauten. Der UN-Sicherheitsrat reagierte sofort und verurteilte mit der Stimme der USA den »verfrühten Angriff« als »Gefahr für den internationalen Frieden und die Sicherheit« sowie als »eindeutige Verletzung der UN-Charta und der Gesetze internationalen Verhaltens«. Er forderte Israel auf, »in Zukunft solche Angriffe und die Drohung mit ihnen zu unterlassen«. Sanktionen allerdings scheiterten am US-Veto. Es war abzusehen, daß eine folgenlose Rüge Israel nicht von einer Wiederholung abhalten würde. Und so bombardierte dessen Luftwaffe 2007 eine im Bau befindliche Nuklearanlage in Syrien. Diesmal reagierte weder der UN-Sicherheitsrat noch die Arabische Liga.

Weit gefährlicher als das Abenteurertum dieses unverantwortlichen Duos Netanjahu/Lieberman ist der Schutz der USA, der nach jedem kriminellen Unternehmen jegliche Sanktion verhindert. Diese Politik erst öffnet das Terrain für Jerusalems Unberechenbarkeit. Sie wird nicht im Weißen Haus oder im Pentagon gemacht, sondern im Kongreß, der Israels Regierungschef Netanjahu bei seinem letzten Besuch einen triumphalen Empfang bereitet hat. Wer sich auf einen solchen Verbündeten verlassen kann, wird nie Verantwortung zeigen, Interesse an echten Friedensverhandlungen haben, Kompromisse eingehen und sich an die UN-Charta gebunden fühlen. Ein Krieg mit Iran würde jedoch anders aussehen als der mit Gaza: Er könnte den Untergang des zionistischen Israels bedeuten, wie ihn Panetta voraussieht. Dann hätten die USA genau das Gegenteil erreicht, was sie für Israel wollen. Und es ist höchst zweifelhaft, ob sie in Teheran einen »iranischen Karsai« installieren können.

Norman Paech ist emeritierter Professor für Völkerrecht. Er war von 2005 bis 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und außenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke.

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#2

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 24.12.2011 13:24
von Lisadill • 744 Beiträge

24.12.2011
Durch die weite, weiße Welt
Von Wiglaf Droste


Es ist für uns eine Zeit angekommen,

sie bringt uns eine große Freud’.

Übers schneebeglänzte Feld

wandern wir

durch die weite, weiße Welt.



Unschuldig kam das aus den Kinderkehlen. In vollendeter Harmlosigkeit sangen wir ein Weihnachtslied. Es gefiel uns.



Es schlafen Bächlein und See unterm Eise,

es träumt der Wald einen tiefen Traum.

Durch den Schnee, der leise fällt,

wandern wir

durch die weite, weiße Welt.



Wir wußten nicht, was wir sangen, und wir hatten nicht die geringste Ahnung davon, wer das vor uns gesungen hatte: »Durch den Schnee, der leise fällt, wandern wir durch die weite, weiße Welt.« Erst viel später erfuhr ich es. Der Text stammt aus dem Jahr 1939; ein Paul Hermann hatte ihn für die Nationalsozialisten geschrieben. Durch den Schnee zogen Soldaten der deutschen Wehrmacht hinaus in die weite Welt. Sie hatten Schreckliches mit ihr vor.

Unschuld kann geraubt werden. »Es ist für uns eine Zeit angekommen« war ursprünglich ein altes Sternsingerlied, das in der deutschsprachigen Schweiz zum Dreikönigsfest gesungen wurde. Durch die Neudichtung wurde es kriegstauglich gemacht und erschien im »Weihnachtsliederbuch für die deutsche Familie« und in der Liedersammlung »Deutsche Kriegsweihnacht«. Genau darum ging es: um das Sentiment, das von den Verbrechen ablenkt, das sie überdeckt und sie begleitet.

Vom hohen Himmel ein leuchtendes Schweigen

erfüllt die Herzen mit Seligkeit.

Unterm sternbeglänzten Zelt

wandern wir

durch die weite, weiße Welt.



So sang ich das, als Junge, und so wird das noch heute gesungen. Paul Hermanns Textfassung hat sich erhalten und durchgesetzt und hielt Einzug in Liedsammlungen wie die »Mundorgel«. Pfadfinder und andere Kinder singen es. Die zweite Tonspur mit dem Rhythmus marschierender Stiefel läuft immer mit, auch wenn Kinder sie nicht hören.

Die Erwachsenen, die ihnen das Lied beibringen, sind weniger unschuldig. »Es ist für uns eine Zeit angekommen« ist kein Lied über das Wandern durch die weite, weiße Welt. Es ist ein Lied darüber, wie man in die Welt einmar schiert. Ohne Kitsch und Verlogenheit kann man Soldatenarbeit nicht machen; Soldaten sind sentimental, sie haben allen Grund dazu.

Für den Rückzug aus Rußland war das Lied, unbeabsichtigt, höchst geeignet. Die Intention drehte sich ins Gegenteil, die Sänger sangen ihr eigenes Todeslied. Und schliefen wie Bächlein und Schnee unterm Eise.

Aus: Wiglaf Droste/Nikolaus Heidelbach/Vincent Klink: Weihnachten, DuMont, Köln 2007, als TB bei List, Berlin 2009


zuletzt bearbeitet 24.12.2011 13:25 | nach oben springen

#3

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 13.01.2012 22:17
von Lisadill • 744 Beiträge

ein statement von fidel castro.dass er sich mit ahmadineschad so anheimelig versteht und sich ueber ihn freut ist fuer mich nicht verstaendlich ,die analyse die folgt scheint mir durchaus realistisch. ebenso bin ich auch der meinung, dass nur dialog und verhandlung langfristig zur demokratie und einer sicheren weltgemeinschaft fuehren wird.ausser man ist fatalist .man muss sich auch mit machtvollen unsympathen an einen tisch setzen,wenn es um politik und wirtschaft geht.(privat ist es anders,sollte jeder mensch frei waehlen mit wem er sich umgibt)

Neue Kriegsgefahr
Von Fidel Castro


Am Mittwoch hatte ich die Freude, mich in aller Ruhe mit Mahmud Ahmadinedschad zu unterhalten. Dabei erlebte ich den iranischen Präsidenten absolut ruhig und gelassen, von den Drohungen der Yankees absolut unbeeindruckt, voller Vertrauen in die Fähigkeit seines Volkes, jeder Aggression zu begegnen, und in die Effizienz der Waffen, die sie zu einem Großteil selbst produzieren, um von den Aggressoren einen unbezahlbaren Preis zu verlangen.

Allerdings haben wir über das Kriegsthema kaum gesprochen. Seine Gedanken konzentrierten sich auf die Ideen, die er bei seinem Vortrag im Großen Auditorium der Universität von Havanna vorgestellt hatte und die sich auf den Kampf um den Menschen kreisten. Ich bin sicher, daß von seiten des Iran keine unbedachten Handlungen zu erwarten sind, die zum Ausbrechen eines Krieges beitragen könnten. Wenn dieser nicht zu verhindern ist, wird er das alleinige Ergebnis des Abenteurertums und der ihm angeboren Verantwortungslosigkeit des Yankee-Imperiums sein.

Ich meinerseits denke, daß die um den Iran geschaffene politische Lage, die das Risiko eines Atomkrieges beinhaltet, die Existenz unserer Gattung bedroht. Der Mittlere Osten ist zur konfliktreichsten Region der Welt geworden, und er ist das Gebiet, in dem die für die Wirtschaft des Planeten lebenswichtigen Energieressourcen geschaffen werden.

Ich teile, wie zweifellos alle Menschen mit einem Mindestmaß an Verantwortungsbewußtsein, die Einschätzung, daß kein Land, ob groß oder klein, das Recht auf den Besitz von Atomwaffen hat.

Wenn der Faschismus die gegen den Nazismus zusammengeschlossenen Mächte dazu gezwungen hat, den Wettlauf mit diesem Feind der Menschheit um die Herstellung einer solchen Waffe aufzunehmen, wäre die erste Pflicht nach der Beendigung des Krieges und der Schaffung der Organisation der Vereinten Nationen gewesen, diese Waffe ohne jede Ausnahme zu verbieten.

Jeden müßte heute die Ruhe überraschen, mit der die Vereinigten Staaten und das zivilisierte Europa die Sanktionskampagne gegen den Iran mit einer systematischen Terrorpraxis unterstützen. Am 11. Januar 2012 starb nahe der Allameh-Tabatabai-Universität im Osten Teherans der Wissenschaftler Mustafa Ahmadi Roschan, der am Reaktor von Natanz arbeitete und dessen Vizedirektor für Handelsangelegenheiten war, bei der Explosion einer Magnetbombe, die an seinem Auto angebracht worden war. Wie in den Jahren zuvor beschuldigte der Iran erneut die Vereinigten Staaten und Israel.

Es handelt sich um eine selektive Menschenjagd auf herausragende iranische Wissenschaftler, die systematisch ermordet werden. Ich habe Artikel von bekannten Sympathisanten Israels gelesen, die von Verbrechen sprechen, die ihr Geheimdienst in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und der NATO durchgeführt hat, als wenn dies etwas ganz Normales wäre.

Gleichzeitig berichten die Agenturen aus Moskau, daß Rußland heute gewarnt hat, daß sich in Syrien ein mit Libyen vergleichbares Szenario entwickelt, jedoch warnte, daß der Angriff diesmal von der benachbarten Türkei ausgehen werde.

Die Nachrichten kommen nicht nur aus dem Iran und dem Mittleren Osten, sondern auch von anderen Punkten des an den Mittleren Osten angrenzenden Zentralasien. Die Vereinigten Staaten sind durch ihre widersprüchliche und absurde imperiale Politik in ernsthafte Probleme verwickelt worden. So in Pakistan, dessen Grenzen mit einem weiteren wichtigen Staat, Afghanistan, von den Kolonialherren gezogen wurden, ohne Kulturen oder Ethnien zu berücksichtigen.

In letzterem Land, das über Jahrhunderte seine Unabhängigkeit gegen den englischen Kolonialismus verteidigt hat, hat sich die Drogenproduktion seit der Yankee-Invasion vervielfacht. Und die von unbemannten Flugzeugen und ausgeklügelten Waffen der Vereinigten Staaten unterstützten europäischen Soldaten begehen beschämende Massaker, die den Haß der Bevölkerung vergrößern und die Chancen auf Frieden in die Ferne rücken lassen. Es ist extrem unmenschlich, daß Männer, Frauen und Kinder, oder ein afghanischer Kämpfer, der gegen die ausländische Besatzung kämpft, von den Bomben der unbemannten Flugzeuge ermordet werden.

Man kann jene Tausende Kilometer von ihrem Heimatland entfernt von ihren Familien und Freunden getrennten Soldaten sogar bedauern, die zum Kämpfen in Länder geschickt wurden, von denen sie im Schulunterricht vielleicht kein einziges Mal gehört haben, und wo sie den Auftrag bekommen, zu töten oder zu sterben, um die transnationalen Konzerne, Waffenfabrikanten und skrupellosen Politiker reicher zu machen, die jedes Jahr die Mittel verprassen, die für die Ernährung und Bildung der unzähligen Millionen Hungernden und Analphabeten der Welt gebraucht werden.

Übertreibe ich etwa, wenn ich sage, daß der Weltfrieden an einem seidenen Faden hängt?

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#4

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 14.01.2012 17:52
von Gast
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Danke für diesen Artikel !

Aber oje - wenn topist das liest ...... :-)

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#5

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 14.01.2012 20:20
von Lisadill • 744 Beiträge

mei,der kann dann ja seine Meinung verkuenden..

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#6

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 16.01.2012 20:28
von Lisadill • 744 Beiträge

Damals wie heute
Medienreaktionen auf den Aufruf »Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens!« erinnern an »Kampfjournalismus aus den Laufgräben des Kalten Krieges«
Von Norman Paech

Generalamnestie: Beobachter der Arabischen Liga überwachen die Freilassung von Gefangenen in Damaskus (15. Januar)
Foto: AP
In der Frankfurter Rundschau und der Berliner Zeitung log Christian Bommarius unter dem Titel »Syrien und den Linken (sic!). Damals wie heute« am 14. Januar 2011: »Sechs linke Bundestagsabgeordnete verbrüdern sich öffentlich mit dem Massenmörder Assad – eine Fortsetzung ihres antisemitischen Treibens.« Seine Forderung: »Die Linkspartei muß sie endlich vertreiben.« junge Welt dokumentiert eine Erklärung des Hamburger Völkerrechtlers und früheren Linke-Bundestagsabgeordneten Norman Paech.


Herr Bommarius von der Frankfurter Rundschau und der Berliner Zeitung wirft einigen Abgeordneten der Linksfraktion im Bundestag und mir vor, mit unserer Unterschrift unter den Aufruf »Kriegsvorbereitung stoppen! Embargo beenden! Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens!« Wir hätten uns »öffentlich mit dem Massenmörder Assad verbrüdert« und der »antisemitischen Hamas« unsere Solidarität bekundet – »in kommunistischen Gruppen gestählt und in Antisemitismus gehärtet«. Ein ganzer Eimer politischen Unflats wird über uns ausgeleert aber kein Wort über unser Anliegen, vor der drohenden Kriegsgefahr für die Völker Irans und Syriens durch die Eskalation der Embargopolitik und die permanenten Kriegsdrohungen zu warnen.

Warum wird verschwiegen, daß wir in der vergangenen wie auch der jetzigen Legislaturperiode immer wieder die endemische Folterpraxis und die offenen Menschenrechtsverletzungen der beiden Regimes kritisiert haben? Mit solchen Regierungen hat es bei uns nie eine Solidarität gegeben und wird es auch nicht geben – darüber gab es nie Zweifel. Solidarität fordern wir ein mit den Völkern Irans und Syriens, die nachweisbar am meisten unter den Embargos leiden. Und wenn wir von den NATO-Staaten fordern, die politischen Realitäten im Gazastreifen anzuerkennen und ihre Unterstützung für die israelische Boykottpolitik aufzugeben, so hat das nichts mit Solidarität mit der Hamas, sondern mit Solidarität für die notleidende Bevölkerung zu tun. Der Vorwurf des Antisemitismus ist ohnehin zur billigen Münze verkommen.

Warum wird verschwiegen, daß der Krieg gegen Libyen nach Angaben des neuen Gesundheitsministeriums und des Übergangsrats etwa 40000 Tote, zahllose Verletzte und Vertriebene gekostet hat? War das die Beseitigung Ghaddafis wert? Sollte das das Vorbild für weitere Kriege werden? Und könnte das der Preis für die Beseitigung Assads oder Ahmadinedschads sein?

Warum werden die Tatsachen, auf die wir hinweisen, daß britische und französische Spezialeinheiten Kämpfer der »Freien Syrischen Armee« trainieren und ihnen Waffen liefern, daß die CIA den Aufständischen bei der Kommunikation behilflich ist, daß CIA, Mossad und andere Organisationen einen geheimen Krieg mit Morden, Sprengstoffanschlägen und Boykottaktionen etc. gegen den Iran führen, in die Behauptung verdreht, wir hätten USA und Israel zu »Urhebern der Massenmorde« erklärt ?

Der Skandal liegt doch nicht darin, daß wir nicht zunächst unsere Kritik an den Regimen in Damaskus und Teheran und unsere Abscheu vor den Menschenrechtsverletzungen geäußert haben, bevor wir die Kriegsdrohungen der USA und Israels kritisieren. Der Skandal liegt darin, daß die meisten deutschen Medien die permanenten Kriegsdrohungen, ob von den USA oder Israel, und die offensichtlichen Kriegsvorbereitungen wie die Kursschwankungen an der Börse hinnehmen. Wo ist die Kritik an dieser Kriegstreiberei? Ist vollkommen vergessen worden, daß die Androhung von Gewalt gemäß Artikel 2 Ziffer 4 der UN-Charta genauso verboten ist wie die Ausübung von Gewalt? Ist die Lehre aus den Kriegen in Jugoslawien, Afghanistan, Irak und Libyen, daß nun auch die letzten unbotmäßigen Regierungen militärisch ausgewechselt werden können? Den Preis zahlen immer die Völker, und der ist uns in jedem Fall zu hoch.

Warum bringt unsere Forderung nach Abkehr von einer aggressiven Politik der Erpressung und Drohung mit Krieg und nach Rückkehr zum politischen Dialog die Journalisten derart in Wut, daß sie zum Kampfjournalismus aus den Laufgräben des Kalten Krieges zurückkehren? Es geht ihnen offensichtlich nicht um unser zentrales Anliegen, vor dem Krieg in dieser kriegsgefährdetsten aller Regionen und dem Weg dorthin zu warnen. Ihnen geht es um die Linke, ihre Diffamierung und Spaltung. Das wird uns allerdings nicht davon abbringen, immer wieder gegen Krieg und Kriegsdrohung unsere Stimme zu erheben.

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#7

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 18.01.2012 20:53
von Lisadill • 744 Beiträge

Mehr als Säbelrasseln?

Hintergrund. Steht ein Krieg gegen den Iran unmittelbar bevor? Die Gefahr eines israelischen Alleingangs ist vermutlich sehr viel geringer als allgemein angenommen
Von Knut Mellenthin


Die USA und Israel haben eine seit Monaten geplante gemeinsame Militärübung verschoben. Nun spekuliert die Welt über die Gründe und Hintergründe dieser überraschenden Entscheidung. Denn die seit Sonntag bekanntgewordenen Erklärungen beider Seiten geben darüber keine Auskunft und sind auch hinsichtlich der Ansetzung eines neues Termins unbestimmt.Viele Kommentatoren, die einen Krieg gegen Iran ablehnen, werten die Maßnahme als Zurechtweisung der israelischen Regierung durch Washington. Präsident Barack Obama, so flackern jetzt alte Hoffnungen wieder auf, strebe letztlich doch eine politische Einigung mit dem Iran an und habe ein deutliches Zeichen gegen einen israelischen Alleingang setzen wollen. Gerade im Wahljahr 2012, wo es um eine eventuelle zweite Amtszeit als Präsident geht, wolle Obama keinen neuen Kriegsschauplatz eröffnen, meinen die Optimisten. Mindestens ebenso plausibel ist allerdings die gegenteilige Annahme, daß der wegen seiner »weichen« Außenpolitik unter schwerem Beschuß der Republikaner stehende Amtsinhaber dazu tendieren könnte, gerade während des Wahlkampfs durch Militärschläge gegen Iran Stärke und Konsequenz zu zeigen.

Kein Zweifel besteht, daß die jetzt verschobene Übung »Austere Challenge 2012« (»Harte Herausforderung 2012«), die eigentlich im Mai stattfinden sollte, eine eindeutige Stoßrichtung gegen den Iran hatte. Im Zentrum der Planung stand die Erprobung und Koordinierung verschiedener Systeme beider Staaten zur Abwehr von Raketenangriffen. Allen Ankündigungen zufolge sollte es sich um das größte gemeinsame Manöver handeln, das die USA und Israel jemals veranstaltet haben. Nach glaubwürdigen Vorausmeldungen sollten jeweils 3000 Angehörige beider Streitkräfte daran beteiligt werden.

Nicht seriös erscheinen dagegen Anfang Januar veröffentlichte Berichte, daß bereits mehrere tausend US-Soldaten in Israel eingetroffen seien, daß ihre Gesamtzahl schließlich 9000 erreichen sollte, und daß sie bis zum Jahresende dort »stationiert« bleiben würden. Diese Gerüchte, ohne jede Quellenangabe eifrig im Internet weiterverbreitet, scheinen ursprünglich von israelischen Desinformationsfabriken, insbesondere dem Online-Dienst Debkafile, in die Welt gesetzt worden zu sein. Ebenso unseriös waren Berichte, in denen so getan wurde, als wäre das Manöver erst vor dem Hintergrund der Zuspitzung in den allerletzten Monaten kurzfristig angesetzt worden. Tatsächlich stand schon seit spätestens Sommer 2011 fest, daß die Übung im Frühjahr 2012 stattfinden würde. Außerdem knüpft »Austere Challenge 2012« lediglich an gemeinsame Manöver an, die schon seit 2001 mindestens alle zwei Jahre durchgeführt werden.
Optimistische Kriegsgegner

Ein Pentagon-Sprecher, Hauptmann John Kirby, gab die Verschiebung der Übung am Sonntag mit den Worten bekannt: »Allgemein gesprochen glauben Führer beider Seiten, daß sich eine optimale Beteiligung aller Einheiten am besten später im Jahr erreichen läßt.« Darüber hinaus machte er, ohne konkret zu werden, »eine Vielfalt von Faktoren« für die Terminänderung verantwortlich. Indessen seien solche Verschiebungen »alles andere als ungewöhnlich«. »Austere Challenge« solle nunmehr erst in der zweiten Jahreshälfte stattfinden.

Andere Gründe, die gerüchteweise als Ursachen der Verschiebung gehandelt wurden, waren aktueller Geldmangel beider Regierungen oder die Vermutung, daß Obama aus Rücksicht auf den Iran die Konfrontation zumindest derzeit nicht noch weiter anheizen wolle. Das würde allerdings die Hoffnung voraussetzen, daß die Lage in der Region in der zweiten Jahreshälfte besser und nicht etwa noch angespannter ist als jetzt. Für eine Militärübung, die unmittelbar in Angriffshandlungen übergeht, wäre das jetzt anvisierte Zeitfenster sogar erheblich vorteilhafter als die ursprünglich geplante Durchführung im Mai. Denn falls die US-Regierung wirklich in diesem Jahr aus innenpolitischen Gründen einen Krieg gegen Iran führen will, müßte sie den Beginn sehr nahe an den Wahltag, das ist der 6. November, legen. Anderenfalls riskiert Obama, daß ihm mögliche Mißerfolge eines mehrmonatigen Krieges angelastet werden.

Die politischen Hintergründe der Verschiebung von »Austere Challenge« kommentierte der bekannte Kriegsgegner, Autor und Blogger Jim Lobe am Sonntag, unmittelbar nach Bekanntwerden der Nachricht: »Ich glaube, wir erleben ein ernsthaftes Abrücken der Obama-Regierung von Israels Provokationen und möglicherweise ein ernsthaftes Interesse an einer Verständigung, auch wenn Letzteres eine allzu hoffnungsvolle Schlußfolgerung sein mag, um erreichbar zu sein.« Der Generalstabschef der US-Streitkräfte, Martin Dempsey, habe sich, so vermutet zumindest Lobe, in den vergangenen zwei Wochen mehrmals gegenüber Obama besorgt über die Möglichkeit eines militärischen Alleingangs geäußert und sei aus diesen Gesprächen »enttäuscht über die sehr passive Reaktion des Präsidenten« herausgekommen. Dempsey wird Ende dieser Woche zu einem schon länger vereinbarten Besuch in Israel eintreffen. Für seine Spekulation nennt Lobe weder Quellen noch Anhaltspunkte. Aus den in letzter Zeit veröffentlichten Äußerungen des Generals sind solche Vermutungen jedenfalls nicht herzuleiten.

Lobe schloß seinen Kommentar mit den Sätzen: »Es scheint so, daß diejenigen, die für den Mord in der vorigen Woche verantwortlich sind – gemeint ist der Bombenanschlag auf einen iranischen Wissenschaftler am 11. Januar – sehr hart daran arbeiten, die Chancen zu verringern, daß die Sechsergruppe und Iran eine ausgehandelte Lösung für das iranische Atomprogramm erreichen können. Vielleicht ist die (US-)Regierung jetzt zur Überzeugung gelangt, daß das Scheitern des Versuchs, eine solche Lösung zu erreichen, sehr wahrscheinlich zum Krieg führen wird. Die Absage einer stark erwarteten Militärübung zur Raketenverteidigung, besonders während der derzeitigen Wahlkampagne, scheint auf einen erheblichen Grad von Ernst seitens der Administration hinzudeuten. Ich kann mir vorstellen, daß General Dempsey (bei seinem Besuch in Israel) eine sehr deutliche Botschaft zu überbringen hat.«

Zum selben Thema schrieb der US-amerikanische Orientalist Juan Cole, ebenfalls seit Jahren ein scharfer Kritiker der Kriegsdrohungen gegen den Iran, am 16. Januar in seinem Blog: »Hier sind zwei Anzeichen, daß die Obama-Administration den Versuch unternimmt, die Spannungen mit Iran zu entschärfen, indem sie starke symbolische Signale aussendet, daß Washington keine Militarisierung der Krise mit dem Iran will. General Martin Dempsey (…) wird in dieser Woche Gespräche mit seinen israelischen Amtskollegen führen. Er scheint sie vor einem einseitigen Losschlagen gegen den Iran warnen zu wollen. (…) Ich bin der Ansicht, daß die Obama-Regierung den Iran in einem Wahljahr nicht angreifen wird, ebenso wenig wie Präsident Obama grünes Licht für einen israelischen Militärschlag geben wird. Deshalb General Dempseys Besuch.«

Das zweite von Cole angesprochene »Anzeichen« für seine These ist die Verschiebung – er nennt es hartrnäckig »Absage« – der geplanten gemeinsamen Militärübung. Dazu schreibt er: »Mit Austere Challenge 2012 wurde der Zweck verfolgt, den Israelis die Gewißheit zu geben, daß ihre Zukunft zweifelsfrei gesichert ist und daß sie nicht unmittelbar zu verzweifelten Maßnahmen gegen den Iran greifen müssen. Ich vermute, daß die Obama-Regierung jetzt entschieden hat, daß eine Zusicherung des US-amerikanischen Raketenschilds für die Israelis durch diese gemeinsame Militärübung in der Region als implizite Drohung mit einem gemeinsamen US-amerikanisch-israelischen Angriff beispielsweise auf die Atomanlagen in Natanz mißverstanden werden könnte.«
Obamas Opportunismus


Hetze und Propaganda: Demonstration gegen den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in New York (22. September 2011)
Foto: Reuters
Solchen optimistischen Prognosen oder Hoffnungen ist entgegenzuhalten, daß Obama seit Beginn seiner Amtszeit im Januar 2009 zu keinem Zeitpunkt einen ernsthaften Versuch unternommen hat, mit dem Iran ins Gespräch zu kommen und die Konfrontation abzubauen. Er hat das nicht einmal in den ersten zwei Jahren getan, als er in beiden Häusern des Kongresses über eine solide Mehrheit verfügte. Zwischen Herbst 2009 und Juni 2010 hat dieser Präsident eine Riesenchance ignoriert und zerstört, über den sogenannten »fuel swap« einen Weg vertrauensbildender Maßnahmen zwischen den USA und dem Iran einzuschlagen.

Gegenüber Israel hat Obama sich als der schwächste, unsicherste und feigste Präsident erwiesen, den die USA jemals hatten. In keiner außenpolitischen Frage, in der israelische Interessen und Forderungen im Spiel sind, hat dieser Präsident klare Standpunkte vorgelegt und an diesen auch gegen Widerstand aus dem Kongreß und seiner eigenen Partei festgehalten. Er ist jemand, wie israelische Zeitungen schreiben, »den man herumschubsen kann«. Daß er dort trotzdem als israelfeindlich wahrgenommen wird, ist eine spezielle Ironie. Möglicherweise ist es ein nicht ganz ungerechtfertigter Reflex auf die Tatsache, daß es Obamas Handlungen, so weit es jedenfalls die Konflikte des Nahen und Mittleren Ostens angeht, offensichtlich an Wahrhaftigkeit fehlt und daß sie von schierem Opportunismus motiviert sind.

Obama wird nach aller Wahrscheinlichkeit nicht ausgerechnet in einem Wahljahr versöhnliche Signale an Teheran riskieren und sich auf einen sachlichen Dialog mit diesem Gegner einlassen. Wer auch immer aus den Reihen der Republikaner als Präsidentschaftskandidat antreten wird, wird zum Iran mit Schlagworten auftrumpfen, die aggressiver, hysterischer, undifferenzierter und übrigens auch schlichtweg dümmer sein werden als die Positionen israelischer Politiker und Militärs. Selbst wenn Obama sich völlig wider Erwarten dieser Debatte stellen würde, hätte er mindestens 90 Prozent des Kongresses und sämtliche Mainstreammedien gegen sich. Das Wahljahr ist also der allerschlechteste Zeitrahmen, um Verhandlungen mit dem Iran zu beginnen. Wohlverstanden: Es ginge wirklich um deren Beginn. Denn was bisher unter diesem Titel lief, war nur die Konfrontation Irans mit a priori unverhandelbaren und strafbewehrten Forderungen.
Konfliktlinien USA–Israel

Einen interessanten Kommentar zur Verschiebung der Übung »Austere Challenge« brachte das israelische Online-Portal Debkafile am 15. Januar. Im Allgemeinen dienen dessen »Exklusivanalysen« dazu, Sichtweisen und Desinformationen zu verbreiten, die israelische Dienststellen in Umlauf bringen wollen. Da Debkafile sich wichtigtuerisch auf geheime Insiderkontakte beruft und manche erfundenen Geschichten veröffentlicht, die man an sich dem Mossad ohne weiteres zugetraut hätte, erfreut sich das Portal auch bei kriegsgegnerischen Bloggern einer gewissen Beliebtheit.

Debkafile interpretiert die Verschiebung des Manövers – auch dort wird von »Absage« gesprochen – als Ausdruck eines »offenen Streits zwischen den USA und Israel«. Es handle sich dabei um »eine der schärfsten Meinungsverschiedenheiten in der Geschichte der Beziehungen« zwischen den beiden Staaten. Der Grund dafür liege im Widerstand der Obama-Regierung gegen jedwede Form eines israelischen Militärangriffs auf die iranischen Atomanlagen. Der »Bruch« sei bereits an der »Verurteilung« des jüngsten Mordanschlags auf einen iranischen Wissenschaftler durch Washington deutlich geworden.

Gleichzeitig weist Debkafile darauf hin, daß sich ein militärischer Aufmarsch der USA in der Region vollzieht. Genannt wird die Stationierung von 15000 US-Soldaten in Kuwait und die Bereithaltung von zwei Flugzeugträgern, zu denen in Kürze noch ein dritter stoßen werde. Das bedeute, daß sich die USA entweder auf die Abwehr iranischer Vergeltungsschläge nach einem israelischen Alleingang vorbereiten oder daß sie Israel durch einen eigenen Angriff auf den Iran zuvorkommen wollen. Jedenfalls sei der Hauptzweck von General Dempseys bevorstehendem Besuch, Israels Regierung und seine militärischen Führer von Angriffsplänen ohne vorherige Zustimmung Washingtons abzubringen.

Im Weiteren nennt Debkafile drei Gebiete, in denen angeblich zwischen beiden Regierungen grundlegende Meinungsverschiedenheiten bestehen. Erstens: Obama setze auf Sanktionen gegen Irans Zentralbank und den iranischen Erdölexport. Er brauche jedoch Zeit, um noch mehr Staaten davon zu »überzeugen«, sich diesen Strafmaßnahmen zu unterwerfen. Beim derzeitigen Tempo werde es noch bis Jahresende dauern, bevor die neuen Sanktionen wirklich in Kraft sind. Zu diesem Zeitpunkt werde Teheran jedoch schon eine Atomwaffe besitzen. Für diese Annahme gibt es zwar keine plausiblen Hinweise, aber in Israel erfreut sie sich wachsender Beliebtheit. Die israelische Führung befürchte außerdem, daß die US-Regierung absichtlich auf Zeitverzögerung ausgehen werde, in der Hoffnung, doch noch ohne kriegerische Konfrontation wesentliche iranische Zugeständnisse zu erreichen. Dagegen gehe man in Israel davon aus, daß alle vorausgegangenen Gespräche vom Iran nur ausgenützt worden seien, um seine Atomwaffenentwicklung voranzutreiben.

Zweitens: Obama bestehe darauf, daß sich Israel aus einem militärischen Konflikt zwischen den USA und dem Iran völlig heraushalten müsse. Dadurch wolle er sich freie Hand sichern, um selbst zu bestimmen, wann und unter welchen Umständen eine Operation durchzuführen sei. Israel sei jedoch nicht bereit, gegenüber Washington eine solche Verpflichtung einzugehen.

Drittens: US-amerikanische Militärstrategen rechnen – laut Debkafile – damit, daß Iran auf Schläge gegen seine Atomanlagen zunächst nur mit eingeschränkten Vergeltungsmaßnahmen antworten werde, um zunächst eine Eskalation nach Möglichkeit zu verhindern. In diesem Zusammenhang verlange Washington von Israel, auf iranische Gegenangriffe nicht selbst zu reagieren, sondern die möglichen militärischen Optionen vollständig den USA zu überlassen. Die US-Regierung fürchte, daß Israel in diesem Fall durch »Überreaktionen« – »overkill« – »unvorhergesehene Folgen« provozieren könnte.

Diese Auflistung scheint, vermutlich in bewußt zugespitzter Form, wirkliche Differenzen zwischen den beiden Regierungen widerzuspiegeln. Allerdings entspricht die Darstellung auch einem in jahrelanger Kooperation einstudierten Spiel mit verteilten Rollen zwischen dem »bad cop« Israel und dem »good cop« USA. In Israel gibt es dafür den scherzhaften Ausdruck »Halt mich zurück!«. Der kleinere Staat übernimmt dabei regelmäßig die Rolle des cholerischen Schlägers, der von seinem besonneneren großen Partner nur unter großen Kraftanstrengungen – und manchmal gar nicht – davon abgehalten werden kann, sich auf eigene Faust sein Recht zu holen.
Kein Zwang zu handeln

Seit November vergangenen Jahres ist noch mehr als zu früheren Zeitpunkten von einem ganz nahe bevorstehenden militärischen Alleingang Israels gegen Iran die Rede. Allerdings läßt sich zurückverfolgen, daß diese Drohungen schon 1993 begannen. Damals war Iran selbst von der niedrigsten Stufe der Urananreicherung noch mehr als ein Jahrzehnt entfernt. Seit 2003 gehören »Prognosen« über nahe bevorstehende Militärschläge gegen die iranischen Atomanlagen, oft mit genauen Terminen versehen und mit vielen bunten Details ausgeschmückt, zum Medienalltag. Der wichtigste Effekt dieser Dauerbeschallung ist Abstumpfung bei allen Beteiligten. Allerdings weisen Veränderungen in den iranischen Reaktionen darauf hin, daß man seit einigen Monaten die Gefahr eines Krieges für realistisch hält und ernst nimmt. Bislang hatte man dort die Kriegsdrohungen nur als Propaganda abgetan und sich sehr sicher gegeben, daß niemand es wagen werde, den Iran anzugreifen. Auch die Warnungen der russischen Regierung vor den Folgen einer solchen militärischen Konfrontation haben in letzter Zeit einen dramatischen Ton angenommen.

Aber ist ein israelischer Alleingang in diesem Jahr wirklich wahrscheinlich? Um diese Frage zu beantworten, muß man sich klar machen, daß die politischen und militärischen Führer des Landes ihren eigenen Propagandalügen sicher kein uneingeschränktes Vertrauen schenken. Sie werden zum Beispiel schwerlich glauben, daß Iran nur noch weniger als ein Jahr vom Besitz eigener Atomwaffen entfernt sei, wie Verteidigungsminister Ehud Barak vor einigen Wochen behauptete. Für Israel gibt es in Wirklichkeit überhaupt keine zwingenden Gründe, in naher Zukunft militärisch allein loszuschlagen und dabei alle sich daraus ergebenden Risiken auf sich zu nehmen.

Wenn Iran angeblich schon seit einigen Jahren alle technischen Voraussetzungen zur Produktion von Nuklearwaffen hat, aber dennoch keine herstellt, liegt die Schlußfolgerung auf der Hand: Die iranischen Führer wollen, aus vielfältigen politischen, ethischen und militärischen Gründen, tatsächlich keine Atomwaffen. Zumindest nicht unter den heute gegebenen Voraussetzungen. Diese könnten sich freilich durch einen Angriff entscheidend verändern. Die Frage ist jedoch, ob das wirklich im bewußten Interesse Israels oder auch nur seiner derzeitigen Regierung wäre. Ganz sicher jedenfalls begründet diese Ausgangslage keinen militärischen Handlungszwang Israels in naher Zukunft.

Gegen einen israelischen Alleingang im laufenden Jahr spricht auch, daß die israelische Führung sich begründete Hoffnungen machen kann, daß im Januar 2013 ein republikanischer Präsident ins Weiße Haus einziehen könnte, der mit Sicherheit aggressiver und kriegswilliger als Obama wäre. Zumindest den Wahlausgang wird man unter diesem Aspekt wahrscheinlich abwarten.

Ohnehin steht die Frage, ob dem zionistischen Staat nicht am besten mit der Verewigung der derzeitigen Konstellation gedient ist, in der Teheran aufgrund US-amerikanischer Zwangsmaßnahmen zunehmend isoliert und abgeriegelt wird, ohne daß es zu militärischen Kampfhandlungen kommt. So gesehen ist Obama, der in der Schlußphase des Wahlkampfs zur Profilierung durch ein militärisches Abenteuer neigen könnte, ein größeres Sicherheitsrisiko als Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu.

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#8

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 20.01.2012 20:23
von Lisadill • 744 Beiträge

Sabotage gegen Infrastruktur

Syrien: Energie- und Gesundheitsversorgung durch Angriffe und Sanktionen beeinträchtigt

Von Karin Leukefeld, Damaskus
Durch gezielte Angriffe von bewaffneten Aufständischen hat der öffentliche Versorgungssektor in Syrien hohe Verluste zu verzeichnen. Mitarbeiter im Gesundheitswesen, im Strom- und Ölsektor werden bedroht, entführt und getötet. Die Sanktionen der USA und der Europäischen Union haben seit September vergangenen Jahres zusätzliche Schäden in Millionenhöhe verursacht. Der syrische Gesundheitsminister Wael Al-Halaqi legte am Donnerstag in Genf bei der Weltgesundheitsbehörde (WHO) einen entsprechenden Bericht vor. Demnach wurden in den vergangenen Monaten zwölf Klinikmitarbeiter getötet und 25 verletzt. Zwölf Krankenhäuser, 43 Gesundheitszentren und 76 Krankenwagen wurden teilweise zerstört.

Bereits am Mittwoch hatte der Minister für Elektrizität, Imad Khamis, vor Journalisten in Damaskus die Verluste durch Angriffe und Sabotageaktionen gegen das landesweite Stromnetz und dazugehörige Infrastruktur mit rund 9,5 Millionen Euro (713 Millionen Syrische Pfund) beziffert. Die nationale Wirtschaft sei infolgedessen mit Verlusten in Höhe von 304,7 Millionen Euro (23 Milliarden SYP) belastet. Bewaffnete Gruppen kappten gezielt Stromleitungen und sprengten Strommasten. Insbesondere in Deraa, Homs und Hama ist die Elektrizitätsversorgung teilweise zusammengebrochen. Reparaturen seien schwierig, weil die Arbeiter angegriffen würden, so Khamis. Landesweit seien derzeit vier E-Werke außer Betrieb. In ländlichen Gebieten sei die Versorgung teilweise bis zu zehn Stunden unterbrochen, in Damaskus werde der Strom täglich für zwei Stunden abgestellt.

Die Schäden seien nicht nur materiell, sagte Khamis. Der Staat sei verpflichtet, jeden Haushalt mit Strom zu versorgen. Die Unterbrechungen belasteten die Bevölkerung, Industrie und Wirtschaft. Derzeit könne nur rund 80 Prozent des landesweiten Bedarfes geliefert werden. Syrien erhält in einem geringem Ausmaß von 2,7 Prozent Strom aus der Türkei und liefert seinerseits Strom an den Libanon und Jordanien. Aufgrund der Anschläge ist die Lieferung an den Libanon derzeit unterbrochen.

Zusätzlich zu gezielten Angriffen und Sabotage ist der syrische Ölsektor von den »ungerechtfertigten und illegalen« Sanktionen betroffen, erklärte Ölminister Sufian Allaw am Donnerstag. Durch das Ölembargo seitens der USA und der EU seien dem Land seit September vergangenen Jahres Verluste in Höhe von rund 1,55 Milliarden Euro (zwei Milliarden US-Dollar) entstanden. Firmen, mit denen Syrien Verträge über Förderung und Entwicklung im Öl- und Gassektor abgeschlossen habe, würden durch die Sanktionen gezwungen, diese Verträge zu brechen. Lokale Mitarbeiter in den Projekten hätten ihre Arbeit verloren. Auch der Versuch, die täglich geförderten 140000 Barrel Öl anderweitig zu verkaufen, werde durch die Sanktionen behindert, so Allaw. Transportfirmen seien zumeist in den USA und europäischen Staaten registriert und müßten sich den Strafmaßnahmen beugen. Ebenso verhalte es sich mit Versicherung und Rückversicherung für die Ladung.

Durch Angriffe auf Pipelines, Tankzüge und die allgemeine Infrastruktur ist Syrien bisher ein Schaden von rund 26,5 Millionen Euro (zwei Milliarden SYP) entstanden, sagte Allaw. 21 Mitarbeiter des Ölsektors wurden getötet, 24 verletzt, fünf Personen gelten als vermißt

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#9

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 19.03.2012 23:44
von Lisadill • 744 Beiträge

Kollektives Massaker
Von Knut Mellenthin


Nach dem Mord an 16 Dorfbewohnern in der vergangenen Woche drohen afghanische Abgeordnete, die ausländischen Streitkräfte im Land zu Besatzungstruppen zu erklären. Eine Untersuchungskommission des Kabuler Parlaments legte am Sonntag ihre Ergebnisse und Schlußfolgerungen vor. Danach waren 15 bis 20 US-amerikanische Soldaten an dem Massaker in der südafghanischen Provinz Kandahar beteiligt, dem am 11. März unter anderem neun Kinder und drei Frauen zum Opfer gefallen waren. Um die Spuren des Verbrechens zu verwischen, hatten die Täter die Leichen in Brand gesteckt.

Im Gegensatz dazu hält die US-Regierung an ihrer Behauptung fest, das Verbrechen sei von einem einzigen Soldaten, dem 38jährigen Stabsunteroffizier Robert Bales, begangen worden. Bales wurde schon in der vorigen Woche aus Afghanistan ausgeflogen und auf seinen Heimatstützpunkt Fort Leavenworth (Kansas) gebracht. Vertretern der Kabuler Regierung und dem Stabschef der afghanischen Streitkräfte, General Scher Mohammad Karimi, war ihr Ersuchen verweigert worden, den Unteroffizier sprechen und befragen zu können. Bereits am Freitag warf Präsident Hamid Karsai den USA vor, keine Kooperationsbereitschaft bei der Aufklärung der Hintergründe des Massenmordes gezeigt zu haben. Karimi, der zum Tatort gereist war und mit Überlebenden gesprochen hatte, betonte ausdrücklich, daß er von der Beteiligung mehrerer US-Soldaten ausgehe.

Mit der hastigen Heimschaffung des angeblichen Einzeltäters durchkreuzte die US-Regierung die einstimmige Forderung des Parlaments, Bales vor ein afghanisches Gericht zu stellen. Die Nacht-und-Nebel-Aktion wurde offiziell damit begründet, daß die US-Truppen in Afghanistan keine Einrichtungen hätten, um straffällig gewordene Soldaten zu inhaftieren. Das würde, wenn es stimmt, ein noch schärferes Licht auf das Vorgehen der Besatzer werfen. Immerhin operieren die US-amerikanischen Streitkräfte schon seit über zehn Jahren in Afghanistan, derzeit mit rund 90000 Soldaten. Die im Laufe der Zeit angefallenen Ermittlungs- und Strafverfahren dürften zumindest in die Hunderte gehen. Offenbar ist es übliche Praxis, die Täter oder Tatverdächtigen so schnell wie möglich aus Afghanistan fortzuschaffen. Ein vom Kabuler Parlament heftig kritisiertes Abkommen sichert den Besatzungstruppen zu, daß ihre Angehörigen ausschließlich vor Gerichte ihres Landes gestellt werden. Seit Bales wieder in seinem Heimatstützpunkt ist, läuft in den US-amerikanischen Mainstreammedien eine von seinem Anwalt John Henry Browne inszenierte Sympathiekampagne für den liebevollen Familienvater, allzeit freundlichen Nachbarn, absolut sanften Menschen und dekorierten Kriegshelden.

Der Sprecher der afghanischen Parlamentariergruppe, die in der vergangenen Woche zwei Tage vor Ort recherchiert hatte, Hamidsai Lali, präsentierte am Sonntag Ergebnisse der Untersuchung. Aus den Gesprächen, die die Abgeordneten dort mit Nachbarn und Familienangehörigen der Opfer geführt hatten, ergebe sich, daß die laut lachende, anscheinend angetrunkene Soldatengruppe, die die zwei benachbarten Dörfer überfiel, 15 bis 20 Mann stark gewesen sei. Die Entfernung vom US-Stützpunkt zu den Dörfern und zwischen diesen beiden sei zu groß, als daß ein Einzelner die Taten im festgestellten Zeitraum von einer Stunde hätte begehen können. Im Bericht ist außerdem von zwei Frauen die Rede, die vergewaltigt worden seien, bevor sie erschossen wurden.

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#10

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 09.06.2012 12:28
von Lisadill • 744 Beiträge

Zur Lage in Syrien:

Psychokrieg um Syrien
Von André Scheer

Bewaffnete Gruppen verdrängen nach Einschätzung der Bundesregierung die Regierungstruppen aus den größeren Städten Syriens (Kampftraining in der Nähe von Idlib, 7. Juni 2012)
Foto: AP
Das Timing ist auffällig: Pünktlich zu Tagungen des UN-Sicherheitsrates rütteln Berichte über Massaker in Syrien die Weltöffentlichkeit auf, für die westliche Politiker ohne jede Prüfung Staatschef Baschar Al-Assad verantwortlich machen. Nach dem Massaker von Masraat-Al-Kubeir am Mittwoch, bei dem Medienberichten zufolge fast 80 Menschen getötet wurden, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag ausrichten, eine Führung, die solche Taten in ihrem Land zulasse, habe jegliche Legitimität verspielt.

Dabei ist auch der Bundesregierung offensichtlich bewußt, daß das von den Kabinettsmitgliedern gepflegte Bild der Lage in Syrien nicht der Realität entspricht. In einem als »Verschlußsache – Nur für den Dienstgebrauch« gekennzeicheten Papier »über die Auslandseinsätze der Bundeswehr«, das jW vorliegt, schreibt das Verteidigungsministerium am Mittwoch selbst: »Die Zahl asymmetrischer Angriffe durch Dschihadisten und Al-Qaida-nahe Terrorgruppen nimmt zu.« Von der ansonsten so oft angeführten »Freien Syrischen Armee« ist nicht die Rede.

In Moskau wird deshalb vermutet, daß die Verbrechen gezielte Provokationen darstellen. So äußerte Sergej Demidenko vom Institut für strategische Einschätzungen und Analyse gegenüber dem staatlichen Rundfunksender Stimme Rußlands: »Die Islamisten und die Monarchen des Persischen Golfs werden versuchen, Al-Assad endgültig zu zerschlagen, weil er vorläufig die einzige Kraft ist, die in der arabischen Welt noch ihr Opponent ist.« Dazu diene auch der gegen Syrien entfesselte »psychologische Krieg«.



Moskau ist inzwischen gemeinsam mit Peking zum wichtigsten Hindernis für eine ausländische Militärintervention in Syrien geworden, wie sie etwa Frankreichs Staatschef François Hollande oder die US-Administration kaum verhohlen androhen. So betonte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag im kasachischen Astana noch einmal: »Ein Mandat für eine Intervention in Syrien von außen wird es nicht geben. Das kann ich Ihnen garantieren.« Beim dortigen Gipfeltreffen der Shanghai-Kooperationsorganisation (SCO) hatte Moskau bei seinen Verbündeten um Unterstützung für den Vorschlag einer Syrien-Konferenz geworben, mit der der Friedensplan des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan gerettet werden soll. »Wichtig ist, daß wir diese Idee nicht mit Erklärungen kippen, Verhandlungen mit jenen, die das Blutvergießen fördern, seien unmöglich. Entweder werden wir alle, von denen irgend etwas abhängt, am Verhandlungstisch versammeln, oder wir gehen endgültig zu der Ideologie über, daß das Regime an allem schuld und deshalb zu stürzen ist und alle anderen Engel sind.«

Dieses auch in den meisten westlichen Medien gepflegte Bild erhält zunehmend Kratzer. So berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Freitag, syrische Oppositionelle hätten aufgrund glaubwürdiger Zeugenaussagen den wahrscheinlichen Tathergang des Massakers in Hula, bei dem am 25. Mai 108 Menschen ermordet worden waren, rekonstruiert. »Ihr Ergebnis widerspricht den Behauptungen der Rebellen, die die regimenahen Schabiha-Milizen der Tat beschuldigt hatten«, schreibt das Blatt und weiter: »Da zuletzt Oppositionelle, die Gewalt ablehnen, ermordet oder zumindest bedroht worden sind, wollen die Oppositionellen ihre Namen nicht genannt sehen.«


zuletzt bearbeitet 09.06.2012 12:30 | nach oben springen

#11

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 17.08.2012 20:32
von Lisadill • 744 Beiträge

Engagement gegen Kriege
Der Verband deutscher Schriftsteller (VS) in ver.di veröffentlichte am Donnerstag die »Gelnhäuser Erklärung zu Literatur und Frieden«:

Schriftstellerinnen und Schriftsteller scheinen oft ohnmächtig in ihrem Wirken, wenn in großen und kleinen Kriegen Menschen leiden, bis in den Tod. Doch trotzdem haben sie immer wieder das Wort für den inneren und äußeren Frieden ergriffen, vor, während und nach Kriegen. So unterschiedliche Schriftsteller wie Wolfgang Borchert, Dorothee Sölle und Heinrich Böll haben gezeigt, daß das Engagement gegen Kriege und für Frieden nicht beim gesprochenen oder gedruckten Wort endet. (…)

Deutschlands Kriegsherren haben von der Einigung des Reiches bis zum Zweiten Weltkrieg in kaum darstellbarer Dimension Kriegsgeschichte geschrieben. Doch immer haben auch mutige Männer und Frauen in Wort und Schrift nein gesagt, weil sie eine friedvolle und lebenswerte Welt anstrebten. In ihrer Tradition stehen wir Wortschöpfer, mit ihnen erheben wir unsere Stimme in dieser Erklärung des Verbands deutscher Schriftsteller (VS).

(…) Vor beiden Weltkriegen haben sich Schriftsteller, Journalisten und Lehrer von den Herrschenden zur Kriegspropaganda missbrauchen lassen. Nicht gering war die Zahl derer in den Reihen der schreibenden Zunft, die sich dazu hinreißen ließen, Militärlehrbücher in literarischer Verkleidung zu schreiben und Hetzartikel zu verfassen. Antikriegswirken ist es deshalb auch, die Voraussetzungen des Kriegs und seine Folgen, seine Wirkungen im Alltag der Menschen schonungslos aufzudecken, was viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Heinrich Mann, Erich Maria Remarque, Ernst Barlach, Kurt Tuchol­sky, Lion Feuchtwanger, Heinrich Böll, Anna Seghers, Christa Wolf – um nur einige zu nennen – in der Zeit vor und nach den Weltkriegen taten. Zu nennen sind aber auch lokale Schriftsteller wie zum Beispiel Hans M. Schmidt, der Lehrer am Gelnhäuser Grimmelshausen-Gymnasium ist. Er denkt Borcherts Nein weiter und sagt: »Jedes offene, entschiedene Nein zu einer Sache entsteht bei mir aus einem klaren, ebenso entschiedenen Ja für eine andere.«

(…) Als die Greuel, die Furcht und das Elend 1945 ihr äußeres Ende fanden, lebten sie in den Menschen weiter, und nicht wenige Drahtzieher aus dem Faschismus schlüpften in neuem Gewand in die bundesrepublikanische Gesellschaft. Brecht wußte, daß die Ursachen für Krieg und Faschismus mit dem Kriegsende und den Urteilen in Nürnberg nicht beseitigt waren. Er erklärte: »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.« Und wir haben es dann erlebt, wie z.B. in Hoyerswerda, Mölln und bei den jüngsten Skandalen um die Neonazimorde des sogenannten NSU. Wieder mußten wir sehen, wie Politik, Polizei und die Geheimdienste sich auf dem rechten Auge blind zeigten. Mit seinen Aktionen unter dem Motto »Worte gegen rechts« wendet sich der Verband deutscher Schriftsteller gegen alle Bestrebungen und Kräfte, die den inneren und äußeren Frieden in unserer Welt gefährden.

(…) Der Verband deutscher Schriftsteller bekennt sich in der Tradition seiner Mitbegründer Heinrich Böll, Günter Grass, Dieter Lattmann, Ingeborg Drewitz und vieler anderer in Gelnhausen zu seiner Verantwortung für den äußeren und inneren Frieden. Vom Friedensschluß des 30jährigen Krieges bauen wir auf den Pfeilern der Friedenserklärungen und Friedensbestrebungen von Grimmelshausen bis Christa Wolf und deren Kassandra eine Brücke zu unserer heutigen Erklärung.

Als Gefangene in Mykene und den Tod vor Augen stellt die Seherin aus Troja fest: »Man hätte früh dem Übel wehren müssen, als es noch nicht ›Krieg‹ hieß.«

In diesem Sinn fordern wir auf, für den inneren und äußeren Frieden mit Wort und Tat einzutreten.

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#12

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 21.08.2012 10:35
von Lisadill • 744 Beiträge

Aufklärung unerwünscht
Von Rüdiger Göbel

Auftrag Guck und Horch: »Kein Fall der Parlamentsbeteiligung« (Verteidigungsministerium)
Deutschland ist Kriegspartei in Syrien: Der Bundesnachrichtendienst (BND) und ein deutsches Marineschiff im Mittelmeer helfen laut einem Medienbericht den Aufständischen mit Informationen bei der Kriegführung (siehe jW vom 20. August). Ein Mandat des Bundestages für die Kriegsbeihilfe zum »Regime change« in Damaskus gibt es nicht – die meisten im Bundestag vertretenen Parteien finden die Übergehung des Parlaments offensichtlich nicht weiter schlimm. Zur Erinnerung: Bild am Sonntag war informiert worden, daß ein Schiff der deutschen Kriegsmarine mit »modernster Spionagetechnik« des BND vor der syrischen Küste kreuzt. Die etwa 40 Spezialisten des Kommandos »Strategische Aufklärung« an Bord der »Oker« sollen bis zu 600 Kilometer tief in Syrien etwa Truppenbewegungen beobachten können. Darüber hinaus sind BND-Agenten im türkischen NATO-Stützpunkt Incirlik bei Adana stationiert, von wo sie Telefonate und Funkverkehr aus Syrien abhören. Gesammelte Informationen gelangen laut BamS – indirekt – an die syrischen Aufständische.

Die Bundesregierung wollte am Montag keine Auskunft darüber geben, ob BND-Erkenntnisse an die Gegner von Präsident Baschar Al-Assad weitergegeben werden. Über die Aktivitäten der Geheimdienste würden öffentlich grundsätzlich keine Auskünfte gegeben, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern in Berlin. Der Bundestagsabgeordnete Fritz-Rudolf Körper (SPD), Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, behauptete im Deutschlandfunk dreist, der Spionageeinsatz sei durch das Mandat für die UN-Beobachtermission im Libanon (UNIFIL) gedeckt. Und: Gewonnene Informationen würden nicht an die Aufständischen in Syrien weitergegeben. Eine solche einseitige, parteiergreifende Weitergabe erfolge nicht, log Körper die faktische Kriegsbeihilfe sozialdemokratisch zurecht. Gleichzeitig räumte er nämlich ein, der BND tausche sich mit US-amerikanischen und britischen Partnerdiensten aus – und die informieren sehr wohl die Assad-Gegner.


Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele erklärte in der Neuen Osnabrücker Zeitung, sollte der BND Informationen an die syrischen Rebellen weiterleiten, sei dies nicht mit dessen Aufgabenbeschreibung vereinbar. »Der BND soll Informationen für die Bundesregierung sammeln, nicht in einen Bürgerkrieg eingreifen.« Ströbele forderte, die Regierung »muß schleunigst Klarheit schaffen, sonst muß sich das Kontrollgremium für die Geheimdienste zeitnah mit Syrien beschäftigen«.

Genau das, die Untersuchung der BND-Wühlarbeit im zur Geheimhaltung verpflichteten Parlamentarischen Kontrollgremium, will die Linke verhindern. Über das Eingreifen in einem, bewaffneten Konflikt müßten das gesamte Parlament und damit die Öffentlichkeit informiert werden, forderte Sevim Dagdelen, Sprecherin der Linksfraktion für internationale Beziehungen. Nur so ließen sich die notwendigen Konsequenzen ziehen. »Wenn Informationen des BND über Verbündete tatsächlich an die Aufständischen in Syrien weitergeleitet worden sind – wie es auch einst im Irak der Fall war – wäre das ein völkerrechtswidriger Eingriff in einen Bürgerkrieg«, konstatierte Dagdelen. Die Bundesregierung halte möglicherweise Kenntnisse des BND über das Massaker von Hula, das eine große Rolle bei der Eskalation des Bürgerkrieges gespielt hat, geheim. »Die selektive Information, Geheimhaltung und Desinformation ist längst Teil der Kriegsführung geworden.«

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#13

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 03.09.2012 21:57
von Lisadill • 744 Beiträge

04.09.2012 / Abgeschrieben / Seite 8Inhalt

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Schwer durchschaubar
Der frühere CDU-Politiker und Publizist Jürgen Todenhöfer veröffentlichte am Montag in der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel »Volk gegen Volk« einen Artikel zum Krieg in Syrien. Darin analysiert er die Entwicklung des Konflikts seit März 2011 und schreibt zusammenfassend:

Der syrische Krieg ist von außen nur noch schwer zu durchschauen, weil er ständig sein Gesicht verändert. Vier Phasen gab es bisher. Die erste von März bis April 2011 ist die Zeit friedlicher Demonstrationen. (…) In Phase zwei, von Mai bis August 2011, treten die ersten bewaffneten Kämpfer auf. (…) In der dritten Phase, von August bis Ende 2011, präsentieren sich die bewaffneten Rebellen als Schutztruppe friedlicher Demonstranten. (…) In der vierten Phase, von Anfang 2012 bis heute, verselbständigen sich die bewaffneten Rebellen. Und radikalisieren sich. (…)

Der Slogan »Assad tötet sein eigenes Volk« geht an der Realität des gegenseitigen Mordens vorbei. Beide Seiten töten des »eigene« Volk. Ein Drittel der Getöteten dürften Sicherheitskräfte sein, ein Drittel Rebellen, ein Drittel Zivilisten. Regierung und Rebellen töten wahrscheinlich gleich viele Zivilisten. Wie in den meisten Bürgerkriegen. Die besondere Tragik dieses Bruderkrieges liegt darin, daß beide Seiten nur Marionetten eines großen zynischen Machtspiels sind. (…) Dieses Machtspiel wird auf vier Ebenen ausgetragen. Auf der ersten Ebene versuchen die USA, Katar und Saudi-Arabien, den Iran-Verbündeten Assad zu stürzen, um dadurch den Einfluß Teherans im Nahen Osten zu schwächen. Iran ist ihnen durch Bushs törichten Irak-Krieg zu mächtig geworden. Auf der zweiten Ebene kämpfen extremistische Sunniten und Al-Qaida-Kämpfer aus aller Welt gegen das »ketzerische« Schiiten- und Alawitentum. Auf der dritten versuchen die USA in Fortsetzung des Ost-West-Konflikts, Rußland aus dem Nahen Osten zu verdrängen. Moskau wehrt sich. Auf der vierten schließlich ringen Regierung und Opposition unter großen Blutopfern um die Macht in Syrien. Die Kämpfer ahnen nicht, daß sie am Ende erneut die Vormacht anderer anerkennen sollen. Und wieder verraten werden.

Die US-Regierung versucht, diese diabolischen, ineinander verknoteten Stellvertreterkriege durch Desinformation im Stil des Irak-Krieges zu vertuschen. Sie erzählt das Märchen vom demokratischen Aufstand eines Volkes, den Amerika unterstützen müsse. Doch um Demokratie geht es den USA nirgendwo in der arabischen Welt. Die USA beabsichtigen nicht, ihre Ölversorgung vom Ergebnis demokratischer Wahlen im Nahen Osten abhängig zu machen. Die Chaosstrategie ist wie beim Afghanistan- und Irak-Krieg in keinem Punkt zu Ende gedacht. Sie wird für den gesamten Nahen Osten verheerende Folgen haben. Und wie ein Bumerang auf uns zurückschlagen.

Nur die USA als Hegemonialmacht des Nahen Ostens könnten den syrischen Knoten lösen. Durch direkte Verhandlungen mit allen Beteiligten. Daß Assad Blut an den Händen hat, kann sie nicht wirklich stören. Auch Obama hat Blut an den Händen. Das Blut Tausender Afghanen und Pakistaner. Und vieler Syrer. Statt die Syrientragödie anzuheizen, sollte Barack Obama vermitteln. Es wäre die erste wirkliche Friedenstat des Friedensnobelpreisträgers.

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#14

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 27.09.2012 09:55
von Lisadill • 744 Beiträge

Syrien ist nicht Libyen
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung befaßt sich am Mittwoch mit den Folgen des Krieges in Syrien für die Türkei:

(…) Kein Land hat sich in der Syrienkrise exponiert wie die Türkei, kein Politiker betreibt Assads Sturz so energisch wie Ministerpräsident Erdogan. Der Sturz des libyschen Diktators Ghaddafi, an dem Erdogan ebenso entschlossen beteiligt gewesen war, hatte ihn glauben gemacht, die Geschichte werde sich in Syrien rasch wiederholen. (…) Aber Syrien ist nicht Libyen, und Erdogans Außenpolitik hat die Türkei nicht sicherer, sondern unsicherer gemacht. (…) Das Bürgerkriegsland Syrien bereitet der Türkei heute jede Menge Probleme. Die geringsten Verwerfungen verursachen da noch die hunderttausend syrischen Flüchtlinge, (...). Schwerer wiegt, daß entlang der Grenze zu Syrien jene Unternehmen zusammengebrochen sind, die von der Produktion und dem Handel mit dem Nachbarland gut gelebt haben. Vor allem aber ist die innere Sicherheit durch zwei Entwicklungen gefährdet: Der Kurdenkonflikt ist wieder voll entbrannt, und auch in der Türkei nehmen die Spannungen zwischen der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit und der Minderheit der schiitischen Aleviten zu, (...)

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#15

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 09.12.2012 10:08
von Lisadill • 744 Beiträge

Blutiger Bürgerkrieg
Aus einer Erklärung der DKP zur »Patriot«-Entsendung:

Die Bundesregierung begründet ihren Beschlußantrag, den NATO-Partner Türkei vor einer »Bedrohung« durch Syrien »schützen« zu wollen. Doch Syrien bedroht die Türkei nicht. Im Land tobt ein blutiger Bürgerkrieg. Der wird – auch seitens der türkischen Regierung – durch Unterstützung der »Freien Syrischen Armee« angeheizt, statt Deeskalation und Verhandlungen zu fordern. Alle Vorfälle im türkischen Grenzgebiet sind Folge innersyrischer Kämpfe. (...)

In Wirklichkeit wird eine neue Aggression, ein neuer Krieg der NATO vorbereitet, für die das hochgerüstete NATO-Mitglied Türkei weitgehend stellvertretend handeln soll, um die Interessen der Hauptländer des Kapitals in der Region zu sichern. Aber die Herrschenden in der Türkei haben ganz offensichtlich auch eigene Interessen, die von den NATO-Partnern unterstützt werden. Es geht u. a. um die Unterdrückung aller kurdischen Autonomiebestrebungen und um Vorherrschaft in der Region. (...)

Die DKP unterstützt die Forderungen der Friedensbewegung und der Partei Die Linke an die Bundestagsabgeordneten, dem Antrag der Bundesregierung nicht zuzustimmen. (...)

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#16

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 14.12.2012 11:38
von Lisadill • 744 Beiträge

Konstantin Wecker: Zivile Kräfte stärken

Nach Kritik an seiner Unterstützung des Syrien-Aufrufs »Freiheit braucht Beistand« erklärte der Liedermacher Konstantin Wecker am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite:

Liebe Freunde, manchmal läßt mich der Zustand der Welt ziemlich ratlos sein. Angesichts der grauenvollen Verhältnisse in Syrien habe ich einen Aufruf unterschrieben, den mein verehrter Freund Hans Peter Dürr mit unterschrieben hat, ebenso wie Elmar Altvater, den ich sehr schätze. Einen Aufruf von »medico international«, in dem mich Sätze wie diese durchaus überzeugt haben: »Die Lage in Syrien erscheint hoffnungslos. Kein Dialog ist in Sicht, und niemand scheint das andauernde Töten stoppen zu können. Jede Waffenlieferung – ob aus Rußland, den USA, dem Iran, Europa, der Türkei oder den Golfstaaten – wird die ohnehin bestehende humanitäre Katastrophe verschlimmern. Jede militärische Aufrüstung der Anrainerländer birgt die Gefahr einer Regionalisierung des Krieges. Jede andere Form der offenen militärischen Intervention wird die politischen Kräfte an den Rand drängen und die Opposition in Syrien weiter spalten.«

»Noch immer finden jeden Freitag Hunderte von unbewaffneten Demonstrationen statt (…). Ihnen gilt unser solidarischer Beistand, unser Respekt und unsere praktische politische Unterstützung.«

Nun wurde mir von einigen Seiten – auf durchaus freundliche Weise – gesagt, ich hätte damit »keineswegs die Zivilgesellschaft Syriens gestärkt, sondern diejenigen Interessen, die Libyen in eine Hölle auf Erden gebombt haben«. Wer mich kennt, weiß, daß ich mich dem Pazifismus verschrieben habe und daß es mir gerade darum geht, die zivilen Kräfte zu stärken. Ich konnte diesem Text nicht entnehmen, daß er indirekt – wie mir jetzt geschrieben wurde – den Einsatz deutscher »Patriot«-Raketen befürworten würde. Das wäre entschieden gegen meinen Willen. Auch Flugverbotszonen, wie 2011 in Libyen, stehen für mich nicht zur Debatte.

Dieser Aufruf darf nicht zum Einfallstor werden zu einer militärischen Option. Wir brauchen eine Logik des Friedens und nicht des Krieges.

Ich bin dafür, alles zu tun, um das Morden in Syrien zu beenden. Meine Vorstellung von »alles« schließt aber militärische Mittel eindeutig aus. Denn bei aller Ratlosigkeit ist mir soviel klar: Mit Waffen kann man keinen Frieden schaffen. Und auch hier müssen wir uns dem Diktat der ewigen Alternativlosigkeit entziehen. Es kann nicht sein, daß wir bei jedem Konflikt in jedem Land immer nur die Frage zu beantworten haben: Militärintervention, ja oder nein? Aber man hat eben ein Wirtschaftssystem, das auf Konflikt abzielt (»Konkurrenzprinzip«) und eine globale Elite, die an Kriegen prächtig verdient.

Ich gebe zu, daß ich bei meiner Unterschrift nicht bedacht habe, daß genau dies nicht ausdrücklich mit erwähnt wurde, und deshalb wohl auch Personen unterschrieben haben, die militärische Interventionen durchaus als Mittel der Wahl sehen. Deshalb werde ich die Entwicklung und die Folgen des Aufrufs genau beobachten und, wenn nötig, meine Unterschrift zurückziehen.

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#17

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 16.12.2012 19:46
von Lisadill • 744 Beiträge

Nein zu Lynchdrohung
Von Arnold Schölzel

Nach jW vorliegenden Informationen hat der in Paris lebende Publizist, Soziologe und Politikwissenschaftler Alfred Grosser seine Unterschrift unter einen offenen Brief an den syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad (siehe jW vom 13. Dezember, Seite eins) zurückgezogen. Der Text des Briefes wurde am 7. Dezember der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, am 9. Dezember in der französischen Tageszeitung Libération veröffentlicht, aber erst Mitte vergangener Woche über deutsche Nachrichtenagenturen verbreitet. Den Text unterzeichneten sechs Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels: Alfred Grosser, David Grossman, Claudio Magris, Orhan Pamuk, Boualem Sansal und Martin Walser. Grosser, der die Auszeichnung 1975 erhielt, teilte dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Sonnabend mit, »die Schlußdrohungen« des Briefes seien »wirklich nicht akzeptabel«. Er habe noch nie ein Jawort zurückgezogen, »ausnahmsweise« nehme er dieses zurück. Weder Grosser noch ein Sprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels waren am Sonntag für eine Stellungnahme erreichbar.

Die von Grosser bezeichnete Passage des Briefes hat folgenden Wortlaut: »Abgesehen von dieser Lösung (Rücktritt, Verhandlungen, Ausreise – d. Red.) gibt es nur eine andere für Sie, auch wenn das für Ihre Familie bedauerlich wäre: entweder getötet zu werden wie Saddam Hussein oder Muammar Al-Ghaddafi, oder ein Leben im Gefängnis in einer sterilen Zelle in Den Haag.«

Der offene Brief wurde im Namen einer »Vereinigung der Schriftsteller für den Frieden« verfaßt. Die Initiative wurde von David Grossman und Boualem Sansal Anfang Oktober mit einem »Straßburger Appell«, dem sich etwa 140 Schriftsteller anschlossen, ins Leben gerufen. Bei der Vorstellung der Vereinigung auf der Frankfurter Buchmesse war auch Alfred Grosser anwesend. Als künftiger Generalsekretär der Organisation wurde dort Denis Huber, Direktor des Zentrums Nord-Süd beim Europarat, vorgestellt.

Am Freitag hatte sich u. a. der Verband »Arbeiterfotografie« an Grosser gewandt, sein Bedauern über dessen Unterschrift ausgedrückt und ihn gebeten, mit Hinblick auf die Schlußpassage seine Unterstützung zu prüfen.

Ebenfalls am Sonnabend kritisierte das Istanbuler Nazim-Hikmet-Kulturzentrum in einer Presseerklärung den türkischen Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk wegen seiner Unterschrift unter den Brief. Das Zentrum schreibt u. a.: »Diese Autoren sind offen Werkzeuge der NATO geworden. (...) Der türkische Nobelpreisträger (…) repräsentiert nicht die Intellektuellen und die Öffentlichkeit der Türkei.«

Bereits am Donnerstag hatte der Liedermacher Konstantin Wecker seine Unterstützung für den Syrien-Aufruf »Freiheit braucht Beistand« von »medico international« und »Adopt a Revolution« zurückgezogen (siehe jW vom 14. Dezember). Er erklärte, daß einer der Hauptinitiatoren von »Adopt a Revolution«, Ferhad Ahma, zum Krieg in Syrien gesagt habe: »Ich glaube, um schnellstmöglichst einen Sturz des Regimes herbeizuführen, brauchen die Rebellen nach wie vor effiziente und bessere Waffen. Ansonsten wird dieser Kampf sich noch in die Länge ziehen.« Zu den 60 Erstunterzeichnern gehörten SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth, die Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping, der Schriftsteller Navid Kermani, der Theologe Friedrich Schorlemmer und ATTAC-Beiratsmitglied Elmar Altvater.


zuletzt bearbeitet 16.12.2012 19:47 | nach oben springen

#18

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 22.12.2012 08:59
von Lisadill • 744 Beiträge

Vom Pazifismus geleitet
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie zieht sich aus dem Unterstützerbündnis der Kampagne »Adopt a Revolution« (AaR) zurück:


Wir haben innerhalb des Vorstandes lange darüber diskutiert, ob wir als pazifistische, an gewaltfreiem Handeln orientierte Organisation die Kampagne AaR weiterhin unterstützen können. Wir sind übereingekommen, daß wir das nicht mehr können. Wir wollen unsere Gründe dafür darlegen:

(…) Obwohl wir über die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Syrien nur grob informiert waren – dies merken wir ebenso selbstkritisch an –, haben wir die Kampagne AaR unterstützt. Mit jedem Tag der vom Regime und seinen Gewaltapparaten betriebenen militärischen Eskalation gegen die aufbegehrende Bevölkerung wurde uns mehr und mehr bewußt, über wie wenig authentische Informationen wir zu den dramatischen Ereignissen in Syrien verfügen. Die Informationen sind notwendigerweise vermittelt: über die Kampagne AaR, über wenige vorzügliche Berichterstattungen in- und ausländischer Medien, über Berichte geflohener Syrer und Syrerinnen. Es bleiben jedoch Mosaiksteine, die wir nicht hinreichend einordnen können. (…)

Hatten wir im Sommer 2012 in unserer verbreiteten Erklärung (www.grundrechtekomitee.de) unter bestimmten Bedingungen und unter UN-Vermittlung noch auf eine »zivile« Konfliktlösung gehofft und uns mit dem gewaltfreien Widerstand solidarisch erklärt, so hat sich die Situation inzwischen gravierend verändert. Immer mehr innere und äußere Gewaltakteure drängen auf einen militärischen »Regime Change«. Die gewaltfreien Komitees haben diesem Drängen zumindest teilweise nachgegeben. Unsere Position bleibt vom Pazifismus geleitet.

In dieser eskalierenden Situation und im gemeinsamen Widerstand gegen das Baath-Regime haben sich auch die gewaltfreien syrischen Bürgerkomitees loyal gegenüber den diversen bewaffneten Gruppen der Freien Syrischen Armee (FSA) verhalten und dem auch in ihren Erklärungen Ausdruck verliehen. Sie haben mäßigend auf die FSA einzuwirken versucht, indem sie deren Verbände aufforderten, die kriegsvölkerrechtlichen Regeln einzuhalten. Wir erkennen an, daß sie weiterhin für ein multiethnisches, multireligiöses zukünftiges demokratisches Syrien streiten.

Die Bürger- und Bürgerinnenkomitees beginnen im Rahmen der »Nationalen Koalition«, neue humanitäre und zivile Aufgaben zu übernehmen: Versorgung der Verwundeten, Aufbau ziviler Strukturen in den »befreiten Gebieten«, Flüchtlingshilfe.

Wir wollen und können fernab von den tragischen Ereignissen nicht über das Engagement der gewaltfreien Komitees urteilen. Wir können aber – auch eingedenk unseres politischen Selbstverständnisses – nicht mehr verantwortungsvoll selbst empfehlen, über die Kampagne AaR den gewaltfreien Aufstand in Syrien zu befördern. Damit täuschten wir uns selbst. Die Grenzen zwischen den gewaltfreien Bürgerkomitees und den bewaffneten Gruppen sind bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Die Zukunft Syriens wird durch die Macht der Gewehre bestimmt werden. Dies befördern zunehmend all die Nationen (…), die nun mit Waffenlieferungen in den Konflikt eingreifen oder dies in Erwägung ziehen. (…)

Aus all diesen Gründen ziehen wir unsere Unterstützung der Kampagne AaR zurück. (…)

www.dfg-vk.de/aktuelles

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#19

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 14.01.2013 21:45
von Lisadill • 744 Beiträge

BRD unterstützt Krieg

Bereits zahlreiche Tote bei französischen Luftangriffen auf Städte im Norden Malis. Westen begrüßt Attacken. Bundesregierung kündigt »logistische« Beteiligung an
Von Simon Loidl
Frankreich hat am Montag seine Luftangriffe auf Ziele im Norden Malis fortgesetzt. Bei den seit Freitag andauernden Attacken in dem westafrikanischen Land wurden verschiedenen Angaben zufolge bereits Dutzende Menschen getötet.

Allein bei dem Angriff auf die zentralmalische Stadt Gao starben laut der Nachrichtenagentur AFP mehr als 60 »islamistische Kämpfer«. Während französische Armee und Agenturen ausschließlich Aufständische als Opfer vermelden, warnen Hilforganisationen vor den Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Nach Angaben von World Vision sind fast 10000 Menschen auf der Flucht vor den Angriffen. Auch Ärzte ohne Grenzen (MSF) zeigte sich besorgt über die Zivilisten, die im Kampfgebiet wohnen. Gegner des Militäreinsatzes warnen bereits seit Monaten vor einer dramatischen Verschärfung der Situation der Bevölkerung durch eine Intervention.

Über den Verlauf der Kämpfe gab es am Montag widersprüchliche Meldungen. Die französische Regierung sprach laut AFP davon, daß die islamistischen Gruppen im Osten Malis »auf dem Rückzug« seien. Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian räumte aber »Schwierigkeiten« im Westen des Landes ein, wo den französischen Soldaten »extrem gut bewaffnete Kämpfer« gegenüberstünden. Aber auch die zentralmalische Stadt Diabaly wurde nach »schweren Kämpfen« von Aufständischen erobert. Laut dapd berichtete ein »Kommandeur«, daß sich diese nun der strategisch wichtigen Stadt Segou nähern würden.

Unterdessen haben westliche Staaten den Angriff begrüßt. Die USA kündigten an, Frankreich mit geheimdienstlichen Informationen und Logistik unter die Arme zu greifen. Laut New York Times hat Washington während der vergangenen vier Jahre bis zu 600 Millionen Dollar in den Aufbau von »Antiterror«-Strukturen in der Region gesteckt – unter anderem sind US-Spionageflugzeuge und Überwachungsdrohnen dort im Einsatz.

Großbritannien kündigte an, Transportflugzeuge zu liefern, und auch die Bundesrepublik will bei dem Krieg mitmachen. Außenminister Guido Westerwelle hat seinem französischen Kollegen Laurent Fabius angeboten, »gemeinsam mit der französischen Regierung zu prüfen«, wie die Bundesrepublik den Einsatz »politisch, logistisch, medizinisch und humanitär unterstützen könne«. Die beiden Außenminister erklärten zudem, daß die Planung einer EU-Ausbildungsmission für die malischen Streitkräfte »mit noch größerer Intensität und so schnell wie möglich« weitergehen müßte.

Dem Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, reicht dies nicht. Laut Spiegel online hat er den französischen Einsatz in Mali am Montag ausdrücklich begrüßt und ein »entschiedenes deutsches Engagement« gefordert. Dabei kritisierte Trittin die seiner Ansicht nach zögerliche Haltung der Bundesregierung zu dem Krieg: »Ich würde von einem Außenminister gerne einmal hören, was geht, und nicht nur, was alles nicht geht«, sagte Trittin dem Nachrichtenportal.

Die Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linke-Fraktion, Sevim Dagdelen, hingegen verurteilte die »völkerrechtswidrigen Luftangriffe Frankreichs in Mali«. Diese würden »deutliche Züge eines ›Krieges gegen den Terror‹« tragen, an dem sich die Bundesrepublik »auf keinen Fall beteiligen darf«. Frankreich mache bei seiner »lange vorbereiteten« Intervention »keine Unterschiede zwischen Kämpfern und Zivilisten«, so Dagdelen.


zuletzt bearbeitet 14.01.2013 21:45 | nach oben springen

#20

RE: Kriege

in Politik und Wirtschaft 15.01.2013 23:54
von Lisadill • 744 Beiträge

Kolonialpolitik in Mali
Lange vorbereitete Intervention: Frankreich hat in der Sahel-Region das Schlachtfeld im ersten »Europäischen Krieg gegen den Terror« eröffnet
Von Sevim Dagdelen
Stimmungsmache im Innern: Französische Soldaten patrouillie
Stimmungsmache im Innern: Französische Soldaten patrouillieren in Paris
Foto: dapd
Frankreich hat am vergangenen Freitag eine Militärinterven­tion in Mali gestartet. Gleich zu Beginn schon kamen drei Kampfflugzeuge, mindestens zwei Kampfhubschrauber und mehrere hundert Soldaten zum Einsatz. Bombardiert wurde auch vermeintliche Infrastruktur der Islamisten im Norden. Von sechzig Toten wird allein in Gao berichtet. Die französische Regierung sprach von vielen getöteten Islamisten, mußte jedoch auch den Tod von Zivilisten und eines französischen Soldaten einräumen. Als völkerrechtliche Grundlage gilt das Hilfsersuchen des malischen Übergangspräsidenten Dioncounda Traoré, der nach einem Putsch von Militärs im März 2013 von der »Internationalen Gemeinschaft« unter Führung Frankreichs eingesetzt wurde, in Mali tatsächlich aber keine Macht ausübt. Das ist klassisch kolonialistische Politik und mit dem Völkerrecht in keiner Weise zu vereinbaren. Trotzdem haben alle westlichen Regierungen, die Medien und auch der UN-Sicherheitsrat den Militäreinsatz begrüßt. Kurz vor der Sitzung des Sicherheitsrates hatte Frankreich bereits angekündigt, daß es mehrere Wochen dauern würde, die »Terroristen auszulöschen«.

Die große öffentliche Zustimmung zur Mali-Intervention hängt damit zusammen, daß sämtliche Medien die Darstellung übernehmen, er sei buchstäblich in letzter Sekunde ein Vormarsch der Islamisten gestoppt worden, die ansonsten ganz Mali in einen Terrorstaat verwandelt hätten. Tatsächlich sollen etwa 800 Kämpfer die 50000-Einwohner-Stadt Konna eingenommen haben und Richtung Mopti weitergezogen sein. Während Konna nahezu kampflos an die Islamisten ging – ein Teil der regulären malischen Soldaten befand sich gerade in einer Offensive gut 100 Kilometer westlich –, wäre deren Vormarsch sicherlich bereits in Sévaré gestoppt worden, dem militärisch gut gesicherten zweitgrößten Flughafen des Landes.
Langfristig geplant
An einen spontanen Rettungseinsatz durch das französische Militär kann man nicht glauben – mittlerweile wurde bekannt, daß die USA mit Luftbetankung und Großbritannien mit Transportmaschinen beteiligt sind. Der gewöhnlich gut unterrichtete private US-Nachrichtendienst Stratfor berichtet gar von deutschen Elitesoldaten vor Ort. Tatsächlich muß ein Einsatz wie der in Mali langfristig geplant sein, allein, was die Aufklärung von Zielen im Norden des Landes angeht, wo die »Islamisten« sich inmitten der Zivilbevölkerung bewegen. Die Darstellungen von einer Rettung in letzter Sekunde ist nichts als Kriegspropaganda, an der sich die Partner Frankreichs bereitwillig beteiligen.

Die Pläne für das weitere Vorgehen liegen schon lange auf dem Tisch, ebenso wie ein Mandat des UN-Sicherheitsrates, das bereits im Oktober 2012 den Weg freimachte für die Stationierung einer EU-Mission in Mali. Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, deren Truppen an der Seite der Reste der malischen Armee und eilig ausgebildeter Milizen als Bodentruppen bei der französischen Rückeroberung des Nordens fungieren sollen, hatte bereits im Frühjahr 2012 einen entsprechenden Einsatz beschlossen und seitdem an der Aufstellung entsprechender Einheiten und eines gemeinsamen Hauptquartiers gearbeitet. Auch die Beteiligung der EU ist bereits beschlossene Sache. Ein entsprechendes »Krisenmanagement-Konzept« wurde im Dezember vom Rat angenommen, und es wurden bereits verschiedene Vorlagen für einen Operationsplan diskutiert. Wenn sich also am morgigen Donnerstag die Außenminister der EU-Mitgliedsländer in Brüssel zu einer Sondersitzung zur Mali treffen, wird ein fertiger Plan für den Einsatz auf dem Tisch liegen, an dem die militärischen Stäbe der EU schon lange arbeiten – spätestens seit der Verabschiedung der EU-Sicherheitsstrategie für den Sahel im März 2011. Diese zu erstellen war die erste große Aufgabe des seinerzeit neu gegründeten Europäischen Auswärtigen Dienstes, und ihre Umsetzung wird von den Brüsseler Außenpolitikern als Nagelprobe für die neue, intergierte Gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik und damit auch als persönliche Herausforderung begriffen. Eine vergleichbare Regionalstrategie hat die EU bislang nur für das Horn von Afrika formuliert.

Bei der jetzt anvisierten Intervention handelt es sich um den zweiten Anlauf der EU, Soldaten in Mali zu stationieren. Die Mitte 2012 begonnene Mission »EUCAP Sahel Niger« sollte sich ursprünglich auf Mauretanien, Mali und Niger erstrecken, wurde dann aber wegen der Rebellion im Norden Malis und dem Putsch nur in Niger stationiert. Doch auch in Mali sind die EU und ihre Mitgliedsstaaten aktiv. Frankreich und Deutschland hatten dort bereits vor dem Putsch Soldaten stationiert, welche die malische Armee ausbilden, aus dem Europäischen Entwicklungsfonds wurden Polizeistationen und militärische Infrastruktur sowie andere Maßnahmen »gegen den Terrorismus« finanziert. Diese Maßnahmen haben nicht nur die Rebellion im Norden mit befördert, als deren Hauptauslöser der NATO-Krieg gegen Libyen gesehen werden muß. Zudem werden Islamisten aus der ganzen Welt angelockt, die realisiert haben, daß hier ein Schlachtfeld für einen europäischen »Krieg gegen den Terror« bereitet wird, das ihnen beste Voraussetzungen bietet.

Rückblickend gesehen lesen sich die Strategie für den Sahel und andere Strategiepapiere der EU wie Propaganda für die Islamisten. In ihnen wurde etwa behauptet, daß die Marginalisierung, Armut und Perspektivlosigkeit der Bevölkerung insbesondere die Jugend anfällig mache für radikale, dschihadistische Ideologien, während Schmuggel, Entführungen und andere illegale Aktivitäten lohnende Finanzierungsquellen und die kaum zu überwachenden Wüstengrenzen gute Voraussetzungen für Straffreiheit böten. Was in den Strategiepapieren nicht erwähnt wird, aber ergänzt werden müßte, ist die Vielzahl bewaffneter Gruppen und erfahrener Kämpfer in den Nachbarstaaten und eine gerade unter diesen weit verbreitete Wut auf den Westen. In allen an Mali grenzenden Staaten haben sich die heute amtierenden Regierungen mit politischer Unterstützung und teilweise auch militärischer Hilfe Frankreichs gegen ihre Konkurrenten durchgesetzt. Das war zugleich Voraussetzung dafür, daß die EU über die ECOWAS Einfluß auf die Bildung der Übergangsregierung in Mali nehmen und ihre Soldaten als Bodentruppen bei der jetzigen Intervention mobilisieren kann.

Die wichtigsten Positionen innerhalb der ECOWAS hinsichtlich der Krise in Mali nehmen alte Klienten Frankreichs ein: Burkina Fasos Staatschef Blaise Compaoré und der Präsident von Cote d’Ivoire, Alassane Ouattara, der 2011 – zeitgleich mit dem NATO-geführten »Regime change« in Libyen – ebenfalls mit Hilfe französischer Kampfhubschrauber an die Macht geschossen wurde. Die Anhänger von dessen Konkurrenten Gbagbo, die sich gegenwärtig in Ghana reorganisieren, haben sich entsprechend bereits mit Vertretern der Putschisten und einer Islamistengruppe in Mali getroffen, in der Hoffnung, die Regierung Ouattara – die Frankreich militärische Stützpunkte auch für die jetzige Intervention zur Verfügung stellt – über Mali zu destabilisieren. Vergleichbare Vorgänge sind in anderen Staaten der Region bekannt und in weiteren anzunehmen.
Zweckbündnisse
Der Versuch, antifranzösische bzw. antikoloniale Zweckbündnisse notfalls auch mit Islamisten zu schmieden, muß jedoch nicht auf diese bewaffneten Gruppen beschränkt sein. In vielen Ländern sind von der Marginalisierung und der Kolonialpolitik Frankreichs auch und vor allem Jugendbewegungen betroffen, die nun ebenfalls ins Visier des europäischen »Krieges gegen den Terror« geraten könnten. Damit ist nicht primär gemeint, daß diese sich demoralisiert von ihren vergeblichen politischen Protesten den Islamisten anschließen oder daß ihre Organisationen als terroristisch eingestuft werden könnten, sondern daß diese zwischen Islamisten und neuen Kolonialtruppen zerrieben und weiter marginalisiert werden. So ist es jedenfalls in Mali: Die sehr wache und aktive Demokratiebewegung hat sich sowohl gegen die von außen installierte Regierung und die ausländische Militärintervention ausgesprochen, als auch gegen die Islamisten. Die Regierung sollte aus landesweiten Versammlungen und Wahlen bestimmt werden. Im Konflikt mit den Islamisten wurde ein Friedensmarsch für Ende des Monats vorbereitet (siehe Spalte) – genau dort, wo jetzt die französischen Luftangriffe stattfinden. Die demokratischen Initiativen werden somit im Krieg erstickt.

In abgeschwächter Form droht das auch in Europa. Mit Verweis auf mögliche Racheakte hat Frankreich die sogenannte Terrorabwehr im eigenen Land verstärkt. Präsident François Hollande wies Regierungschef Jean-Marc Ayrault an, Regierungsgebäude und den öffentlichen Nahverkehr noch besser zu schützen. In Paris patrouillieren Soldaten in den Straßen und Bahnhöfen – nicht zuletzt auch, um Stimmung für die Kolonialintervention zu machen.

Der europäische Krieg gegen den Terror wird nicht auf Mali begrenzt bleiben und auch nicht in wenigen Wochen beendet sein. Und er wird auch soziale Bewegungen treffen. Zuallererst aber sorgt er für Zehntausende Flüchtlinge.



Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuß und Sprecherin der Fraktion Die Linke für Internationale Beziehung

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