»Es ist dürftig, was Die Linke da vorgelegt hat«
Die Kirchen plündern die staatlichen Kassen – dagegen regt sich auch im Bundestag Widerstand. Ein Gespräch mit Carsten Frerk
Interview: Gitta Düperthal
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Foto: privat
Carsten Frerk ist Chefredakteur des Humanistischen Pressedienstes (hpd.de). Er ist Autor mehrerer Bücher zu Kirchenfinanzen und Mitglied im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung.
Etwa 480 Millionen Euro fließen jährlich von den Bundesländern an die Kirchen. Landespolitiker verschiedener Parteien fordern, die Verträge zwischen Kirche und Bundesländern zu prüfen. Die sächsische FDP z.B. hat das am Wochenende auf ihrem Parteitag beschlossen. Was soll da genau auf den Prüfstand?
Die sächsische FDP hat gefordert, die Staatsleistungen für die Kirche zu überprüfen, sowie das staatliche Inkasso der Kirchensteuern. Letzteres sollten die Kirchen bitteschön künftig selber machen. Überprüft werden sollen der Religionsunterricht sowie alle wesentlichen staatlichen Vorgänge, die der Unterstützung oder Finanzierung der Kirchen dienen.
Wie ist das in den einzelnen Bundesländern geregelt?
Es geht unterschiedlich viel Geld über den Tisch. Hamburg und Bremen bringen gar keine Staatsleistungen für die Kirche auf. Die politischen Regimes dieser beiden Stadtstaaten haben sich nie von Gottes Gnaden hergeleitet. Sie brauchten auch niemals die Salbung oder Unterstützung der Kirchen, sondern haben sich auf die Kaufmannsprivilegien vermögender Hanseaten verlassen. Sie brauchten keinen Gott, um ihre Herrschaft zu legitimieren. Überall dort, wo es in früheren Zeiten Könige gab, gesalbt und gekrönt, brauchte man hingegen die Kirchen.
In welchen Bundesländern geht es um besonders hohe Beträge aus Steuergeldern für die Kirchen?
Rheinland-Pfalz ist ein Spitzenreiter, traditionell mit der CDU und den Kirchenfreunden an der Regierung. Vor allem aber sind die östlichen Bundesländer mit hohen Summen dabei. Nach der »Wende« wurde neu verhandelt, das Kirchenprinzip festgelegt. Man hat gesagt: Die alten Grundlagen, auf die man sich hätte hierbei berufen können, seien durch die Nazis und dann die Kommunisten zerstört worden – und griff somit auf Regelungen vor 1932 zurück.
In Sachsen hat man gar auf Zustände von 1878 rekurriert, auf die Staatskirche. Es wurde bunt gewürfelt: In der Pro-Kopf-Berechnung der Zahlung an die Kirche pro Bürger wurde die Zahl der Kirchenmitglieder von 1950 zugrunde gelegt. Oder man hat die Zahl der Konsistorialräte – höherer Kirchenbeamter in der evangelischen Hierarchie – von 1932 zur Berechnung angesetzt. Dann hat man aber den Betrag berechnet, den diese heute verdienen. Völlig grotesk.
Wie kommt es, daß jetzt die FDP und kirchenpolitische Sprecher der SPD und der Grünen auf das Problem aufmerksam werden, daß die Trennung von Kirche und Staat nicht eingehalten wird?
Der Papstbesuch im Bundestag oder die Mißbrauchsskandale – darüber haben sich viele Politiker aufgeregt. Es ist auch Ausdruck der Säkularisierung der Gesellschaft. Der Verfassungsauftrag liegt vor, diese Staatsleistungen zu beenden – aus unserer Sicht ein Verfassungsbefehl: weil sie einer vorsäkularen Zeit entstammen, der Einheit von Thron und Altar!
Es geht darum, wie unsere Demokratie begründet ist. Im Grundgesetz steht: Es ist die Volkssouveränität. Nach 1919 ist bekanntlich die Staatskirche beendet worden, deshalb braucht das Staatswesen keine religiöse Begründung mehr. Nichtsdestoweniger behauptet die Kirche immer noch, unsere Gesellschaft werde durch christliche Werte bestimmt.
Die Linke hat einen Antrag dazu eingebracht – was sieht der vor?
Es ist dürftig, was die Partei da vorgelegt hat. Gregor Gysi hat den Ton nach der Devise angegeben: »Wir machen nichts, dem die Kirchen nicht zustimmen«. Danach soll jetzt das Zehnfache des zuletzt gezahlten Betrages als einmaliger Ablösebetrag von bestehenden Verträgen gezahlt werden.
Nach meiner Meinung sind diese Staatsleistungen längst abgegolten. Der Verfassungsbefehl wurde 1949 ins Grundgesetz gesetzt, nach 1950 hätten also keine Zahlungen mehr geleistet werden dürfen. Nimmt man die maximale Forderung der Auslösesumme der Kirche, das 24fache des zuletzt bezahlten Betrages. Das wäre bereits 1963 erfüllt worden.
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