Ökostrom für alle
Berliner »Energietisch« will dem Konzern Vattenfall die Kraftwerke abkaufen. 200000 Hauptstadtbewohner müssen zustimmen
Von Sebastian Carlens
Der Berliner »Energietisch-Bär« wirbt am Dienst
Der Berliner »Energietisch-Bär« wirbt am Dienstag für das Volksbegehren »Neue Energie für Berlin«
Foto: Adam Berry/dapd
Bald könnte Berlin ein neuer Volksentscheid ins Haus stehen: Der »Energietisch«, ein Bündnis aus unterdessen 50 Organisationen, hat am Montag begonnen, die dafür nötigen Unterschriften zu sammeln. Ziel ist es, die privatisierten Stromnetze der Hauptstadt zurückzukaufen und die Berliner vollständig mit erneuerbarer Energie zu versorgen – die Initiatoren zeigten sich am Dienstag in Berlin zuversichtlich, diese Ziele zu erreichen. Bis zum 10. Juni müssen 173000 Unterschriften zusammenkommen; angestrebt ist, 200000 Menschen zur Unterstützung zu bewegen, teilte Kathrin Linsler vom »Energietisch« mit. Dann könnte es am Tag der Bundestagswahl, am 22. September, einen Volksentscheid geben.

»Ökologisch, demokratisch und sozial« soll die Energiewende ablaufen, dafür strebt der »Energietisch« die Gründung eines Stadtwerkes an. Seit die Energieversorgung in Berlin in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre privatisiert wurde, kontrolliert eine Tochter des Konzerns Vattenfall Produktion, Verteilung und Vertrieb des Hauptstadtstroms. Doch die Konzessionsverträge für die Nutzung der örtlichen Stromnetze werden Ende 2014 neu ausgeschrieben, und dies möchte der »Energietisch« nutzen, um die Stromversorgung zu rekommunalisieren: Rund 440 Millionen Euro könnte der Rückkauf kosten, schätzt die Initiative. Vattenfall selbst rechnet eher mit 2,5 Milliarden Euro. Hier müßten letztlich die Gerichte entscheiden.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg: 1700 Menschen müssen pro Tag durchschnittlich unterschreiben, rechnete der Sprecher des Berliner Energietisches, Stefan Taschner, am Dienstag vor. »In der Anfangsphase wird das aufgrund des Wetters schwer«. Doch bis zum Juni finden noch eine Menge Veranstaltungen statt, die sich zum Sammeln nutzen lassen: Das »Myfest« in Berlin-Kreuzberg am 1. Mai etwa, oder das Umweltfest der »Grünen Liga«, eines Mitgliedes des »Energietisches«, Anfang Juni. In mehreren Bezirken sollen dauerhafte Anlaufstellen eingerichtet werden. Auch auf öffentlichen Plätzen wie dem Kollwitzplatz oder dem Boxhagener Platz soll die Initiative ständig präsent sein. Wenn bis zum Stichtag am 10. Juni genügend Unterschriften zusammenkommen, kann das Abgeordnetenhaus das Volksbegehren übernehmen. Sollte es sich weigern, findet voraussichtlich im Herbst ein Volksentscheid statt. Dieser könnte, so die Hoffnung der Initiatoren, direkt mit der Bundestagswahl gekoppelt werden. »Das spart Papier und organisatorischen Aufwand«, so Linsler. Wenn es zu einem Volksentscheid kommt, wäre dies der vierte in Berlin; erfolgreich war bislang nur einer: Am 13. Februar 2011 wurde der Volksentscheid zur Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben (BWB) angenommen, den der »Berliner Wassertisch« erfolgreich initiiert hatte.

Was die Gründung eines Berlineigenen Stadtwerkes angeht, ist die Unterstützung eigentlich viel breiter; alle Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus haben sich für ein kommunales Stromnetz ausgesprochen. Der CDU-SPD-Senat hat Gesetze auf den Weg gebracht, die die Bildung von Ökostadtwerken vorsehen. Diese sollen, so die derzeitige Planung, als Tochtergesellschaft der Berliner Stadtreinigung (BSR) gegründet werden. Für den »Energietisch« sind diese Pläne allerdings zu vage; entscheidende Forderungen, etwa nach Transparenz bei den Aufsichtsratsbeschlüssen oder nach Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen nicht auf dem Rücken der Mieter, seien in unverbindliche Appelle verpackt. Der Volksentscheid soll nun verhindern, daß aus den großen Plänen eine reine Beschwichtigung der Wähler wird.

www.berliner-energietisch.net