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Im Schweinsgalopp
Ein Schlag ins Gesicht von 666000 Wählerinnen und Wählern beim Volksentscheid – Erklärung der Gruppe »Berliner Wassertisch« zur Zustimmung zum Senat-RWE-Deal am Donnerstag:
Die Regierungsfraktionen SPD und CDU haben den Beschluß des Senats, den RWE-Anteil an den Berliner Wasserbetrieben für 654 Millionen Euro zurückzukaufen, am 24. Oktober in den Ausschüssen des Abgeordnetenhauses durchgewinkt. Die Zustimmung des Plenums soll im Schweinsgalopp per Tischvorlage in der heutigen Plenarsitzung folgen: ganz im Stil von 1999, als für dieselben Koalitionsparteien die damalige Finanzsenatorin Fugmann-Heesing die unselige Teilprivatisierung durchpeitschte.
»Die Dreistigkeit vor allem der SPD-Abgeordneten, sich für diese Entscheidung auf den Volksentscheid ›Unser Wasser‹ zu berufen, ist atemberaubend«, sagt Gerlinde Schermer vom Berliner Wassertisch, der den gewonnenen Volksentscheid herbeigeführt hatte. »In Wirklichkeit ist sie eine Verhöhnung der Wähler und ein massiver Betrug an der gesamten Berliner Bevölkerung.« Denn die angebliche »Rekommunalisierung« sieht vor, daß alle offenkundigen Fehler von damals zementiert und neue draufgesattelt werden: Der verfassungsumgehende Konsortialvertrag bleibt bestehen, RWE wird der Rückzug vergoldet, der andere Privatpartner, Veolia, bleibt und wird mit der berüchtigten Gewinngarantie weiterbedient. Veolia kann trotz Ausscheidens von RWE weiter die – verfassungswidrige – betriebliche Führung durchsetzen, die Preismißbrauchsverfügung des Bundeskartellamtes wird hintertrieben. Und zahlen sollen die Zeche wie immer die Wasserkunden. »Was ist von einer Rekommunalisierung zu halten, die eine vorübergehende Absenkung der Trinkwasserpreise als Erfolg ausgibt?«, kommentiert Ulrike von Wiesenau vom Berliner Wassertisch. »Die Tarifsenkung bleibt weit hinter den Forderungen des Bundeskartellamts zurück und läßt die Abwassertarife, die auf den Rechnungen der meisten Kunden weit mehr ins Gewicht fallen, unangetastet«, ergänzt Ulrike Kölver. Gegen die Argumente und drängenden Fragen der Opposition (Grüne, Linkspartei, Piraten) hatte das Regierungslager nichts Besseres drauf als blinde Gefolgschaft, koste sie, was sie wolle. In diesem Fall kostet sie: zum Fenster hinausgeworfene 654 Millionen Euro, für die das Land nicht das berühmte »Schwarze unterm Fingernagel« zusätzlich bekommt, sondern im Gegenteil sich nur weitere Folgekosten und Rechtsprobleme einhandelt.
»Da ist es wohl fällig, ein nächstes Volksbegehren einzuleiten zur Änderung des Berliner Betriebe-Gesetzes, damit nicht mehr in Berlin die Wasserpreise hoch getrieben werden. Wenn das Parlament es partout nicht macht, müssen das im nächsten Schritt eben die Bürgerinnen und Bürger selbst in die Hand nehmen«, sagt Gerhard Seyfarth vom Berliner Wassertisch. »Drei zentrale Punkte müssen Gesetz werden: Keine Verpflichtung zur Gewinnerzielung, effektive Preissenkung statt Phantasiezinsen, demokratische Kontrolle der kommunalen Unternehmen unter Einbeziehung der Verbraucher. In die Änderung des Betriebe-Gesetzes müssen auch die weiter geltenden Verträge einbezogen werden. Denn keine Anfechtung oder Änderung des Gesetzes macht Sinn, wenn nicht gleichzeitig sichergestellt wird, daß die verfassungswidrigen Verträge nicht durch die Hintertür das Gesetz aushebeln.«
Die Privatisierung von Wasser, Energie und anderen Netzstrukturen (Strassenbahnen, Eisenbahnen, Telekom-Netze, Post, ...) ist das Dümmste und Unsozialste, das sogenannten Volksvertretern einfallen kann: Privatisierung von Monopolen und deren Gewinnen, und wenn was schief geht, dann haftet doch wieder die Allgemeinheit (für Umweltschäden wie sozial). Die Netz-Monopole sind sinnvoll, weil es volkswirtschaftlich völliger Unsinn ist, die Netze und Verwaltungen mehrfach zu betreiben und überhaupt nicht einzusehen ist, dass irgendwelche Privatinteressen die Netze kontrollieren und aussaugen können (siehe marode Eisenbahn in England, Lohndumping im Bereich Logistik mit Scheinselbständigkeiten bei Hermes/Otto).
Die Erwartung, dass die Privatwirtschaft Gemeinschaftsaufgaben effizienter löst, ist irrig: die Leute in den öffentlichen Verwaltungen können genauso denken und innovativ sein, und dass Speck angesetzt wird (d.h. Personalressourcen für unnütze Dinge oder Nichtstun verwendet werden), kann man genauso gut mit besserem Controlling und internen Restrukturierungen in den Griff bekommen. Das Kürzen von Gehältern durch die Privatwirtschaft spart den Kommunen auch nichts, denn dann steigen die Sozialkosten oder es sinkt der Einzelhandelsumsatz. Das Einzige, was zusätzlich anfällt, sind Kosten in Form von Gehältern für die Doppelstrukturen und höhere Wartungskosten, wenn man die Infrastruktur zur Gewinnmaximierung verkommen lässt.
Gefahr vorerst gebannt
EU-Kommissar Michel Barnier nimmt die Wasserversorgung von Privatisierung aus. Das erklärte das Bündnis »Berliner Wassertisch« am Samstag:
EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat am Freitag seine Pläne zu einer europaweiten Ausschreibung der Wasserversorgung von Stadtwerken in den Beratungen zwischen Kommission, Mitgliedsstaaten und Europaparlament zurückgezogen. Deutschlands Wasserwerke müssen ihre Konzessionen nicht europaweit ausschreiben. Durch die Richtlinie bestand die Gefahr, daß auch im Falle einer minimalen privaten Beteiligung bei der nächsten Konzessionsvergabe die kommunalen Wasserbetriebe zu 100 Prozent europaweit hätten ausgeschrieben werden müssen. Die Gefahr einer Privatisierung der Wasserwirtschaft scheint vorerst gebannt.
Die erste europaweit erfolgreiche Bürgerinitiative »Right2Water«, an der sich auch der Berliner Wassertisch beteiligte, hatte mit über 1,6 Millionen Unterschriften in nunmehr elf EU-Ländern das notwendige Quorum erreicht, um die EU-Kommission dazu zu zwingen, das Thema erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Dazu Wirtschaftsexpertin Gerlinde Schermer: »Die Halbwahrheiten aus Brüssel haben nichts genützt, die Bürgerinnen und Bürger haben mit ihrem Protest die durch eine EU-weite Ausschreibung drohende Vollprivatisierung der Wasserversorgung in Deutschland verhindert, das ist ein Sieg, den wir feiern.«
Wassertisch-Sprecherin Ulrike von Wiesenau kommentiert: »Eine Privatisierung des Wassers durch die Hintertür scheint vorerst gebannt. Über 1,6 Millionen EU-Bürger haben mit ihrer Unterschrift zum Ausdruck gebracht, daß die Wasserversorgung als Kernbereich der Daseinsvorsorge nicht dem Gewinnstreben privater Konzerne unterworfen werden darf. Warnend stand das Beispiel der skandalösen Berliner Teilprivatisierung im Raum.«
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