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#1

Anläßlich des Besuchs von Merkel in Athen...

in Gesellschaft 09.10.2012 19:28
von Lisadill • 744 Beiträge

Die Menschen dürfen nicht vergessen
Der Grieche Manolis Glezos (90) ist ein lebendes Symbol des Widerstands gegen die Besatzung seines Landes durch die Nazis. Am 30. Mai 1941 rissen er und ein weiterer junger Mann die riesige Hakenkreuzfahne ab, die seit der deutschen Einnahme Athen am 27. April 1941 auf der Akropolis wehte. Mehrfach wurde er während und nach dem Bürgerkrieg (1946–49) zum Tode verurteilt, insgesamt verbrachte er über elf Jahre im Gefängnis. Heute ist er Abgeordneter der Syriza. Anläßlich des Besuchs von Angela Merkel in Athen gab Glezos folgende Erklärung ab:



Anläßlich des Besuchs der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Griechenland betrachten wir es als unsere Pflicht, sie und den griechischen Premierminister an folgendes zu erinnern:

1. Das große und mächtige Deutschland darf seine Verpflichtungen nicht verleugnen und Griechenland das verwehren, was es diesem Land gemäß internationalem Recht schuldet, und Griechenland darf auch nicht auf seine Rechte verzichten.

2. Die Mißachtung des internationalen Rechts und der Grundsätze von Ehre und Moral bergen in sich die Gefahr, daß Vorkommnisse, die schon einmal Europa verwüstet haben, sich wiederholen. Die Anerkennung der Naziverbrechen ist eine Voraussetzung dafür, daß sich solche Ungeheuerlichkeiten in Zukunft nicht wiederholen.

Unser Volk hat nicht vergessen und darf auch nicht vergessen. Heute trachtet es nicht nach Rache, sondern nach Gerechtigkeit. Wir wünschen uns auch, daß die Deutschen nicht vergessen. Denn die Völker, die sich weigern, sich ihrer Geschichte zu erinnern, wiederholen leicht die gleichen Fehler. Und es scheint so zu sein, daß Angela Merkel ihr Land und insbesondere die Jugend auf diesen rutschigen Weg führt, denn sie hat vor der Parteijugend erklärt »die Hilfe für Griechenland muß an die Pflichten Griechenlands geknüpft werden«. – Wo sind aber die Pflichten Deutschlands?

Wir hätten erwartet, daß die Kanzlerin ein ähnliches Verhalten zeigt wie die Alliierten gegenüber Deutschland, als diese 1953 mit der Suspendierung von Schuldenrückzahlungen und mit wirtschaftlichen Hilfen zur Entwicklung und zum Wiederaubau Deutschlands beigetragen haben. Damals hatte Griechenland selbst diese Anstrengungen unterstützt.

Wir haben nicht vor, die Kanzlerin zu einem Abendessen einzuladen. Wir möchten sie hingegen zu einem Besuch des Schießstandes von Kesariani [Hinrichtungsstätte der Nazis während der Besatzung, d. Red.] einladen, damit sie feststellt, daß kein Gras wächst da, wo so viel Blut vergossen wurde. Die Erde vergißt nicht. Auch die Menschen dürfen nicht vergessen. (...)

Mit der Entstehung der (neofaschistischen) »Goldenen Morgenröte« zahlen wir schon jetzt für diese Polarisierung in meinem Lande. Sollen wir untätig bleiben angesichts der kommenden Folgen der humanitären Katastrophe? Dann wird es zu spät sein, nicht nur für Griechenland, sondern für ganz Europa.
Übersetzung: Marie-Dominque Vernhes

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