der schwedische Film "das Fest " einer der wenigen der klar in der Lage ist, die Schuld bzw.den Schuldigen zu bennenen und die einzig richtige konsequenz zu ziehen ...schon lange bevor sexueller Kindesmissbrauch als Thematik in den Medien offen beschrieben wurde ,nun als Theaterstueck:
Theaterrezension
Für die Wahrheit
Psychodynamik: Das alte Ensemble des Theaters Vorpommern verabschiedet sich mit dem Mißbrauchsdrama »Das Fest«
Von Anja Röhl
Das Schauspielensemble des Theaters Vorpommern (Stralsund, Greifswald, Putbus) wird sich verändern. Zum Abschied spielt man »Das Fest«, eine vor allem in deutschen Theatern beliebte Adaption des berühmten Kinofilms von Thomas Vinterberg über eine entgleisende Familienfeier von 1998.
Jede Familie hat ihre Geheimnisse, und die gilt es aufzuklären, wenn sich ihre Mitglieder weiterentwickeln wollen. Das Theater Vorpommern hat auch Geheimnisse: Das Ensemble wird, zumindest was die unter 60jährigen betrifft, mit der Ankunft des neuen Intendanten entlassen, so einfach ist das. Stand schon überall in der Lokalpresse, nur wo die Schauspieler hingehen, stand nicht dabei. Denn während es bei den großen Bühnen durchaus üblich ist, freiberuflich mal hier, mal da tätig zu sein, das Publikum sieht einen ja immer wieder, notfalls im Fernsehen, wächst einem das Provinztheater durch seine Schauspieler ans Herz. Wenn die entlassen werden, verschwinden sie auf Nimmerwiedersehen.
Was hat Eva Maria Blumentrath nicht schon alles gespielt! Nicht eine weibliche Charakterrolle, für die ich sie nicht geliebt hätte, ob laut, ob leise, ob ernst, ob komisch, leidenschaftlich oder schüchtern, sie konnte alles. Ihre Mutter Courage war etwas ganz Besonderes, sie hat sie ungewöhnlich jung gespielt. Eine starke Frau, die sich die Butter nicht vom Brot nehmen läßt. Was wird aber nun? Und so geht es etlichen: Hannes Rittig, der beim »Fest« den mal apathisch vor sich hinstarrenden, mal explodierenden Enthüllungssohn gibt. Christian Holm spielt seinen wütenden Bruder, wem gilt seine Wut im echten Leben? Katja Klimt als die Zwillingsschwester aus dem Jenseits, wo wird sie hingehen? Was macht Matthias Nagatis, der Regisseur und Schauspieldirektor, verantwortlich für fast alle in dieser Zeitung in den letzten Jahren rezensierten sozialkritischen Stücke? Er war ein überaus sozialer Chef, der das Team zusammenschweißte. Büchner, Bernhard, Schiller, Dürrenmatt, Brecht – das Ensemble spielte nicht nur, was man ihnen aufgetragen hatte, sondern so, als hätten sie Eigenes zu sagen.
Nun stehen sie ein letztes Mal alle zusammen auf der Bühne, in Vinterbergs Familiendrama in der Regie von Uta Koschel. Für die Wahrheit, gegen alle Widerstände. Auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo es nur eine einzige Mißbrauchsberatung für Rügen, Stralsund, Vorpommern gibt, und die noch nicht mal mit einer vollen Stelle. Dem Premierenpublikum am Freitag in Stralsund ging es unter die Haut, das konnte man spüren. Denn solche Männer, wie den Helge, die so nett mit ihren Enkelkindern spielen, die kennt jeder – sehr gut gespielt von Lutz Jesse.
Auf der Feier zum 60. Geburtstag von Helge, einem reichen Hotelier, hält sein 40jähriger Sohn Christian eine Rede, in der er mitteilt, daß er und seine Zwillingsschwester (die sich schon umgebacht hat) vom Jubliar als Kinder mißbraucht wurden. Es folgt peinliches Schweigen, keiner glaubt ihm. Der Vater fängt ihn vor dem Weinkeller ab: »Sag mal, was war das eben? Das mußt du mir genauer erklären, mein Gedächtnis läßt mich da wohl im Stich, das ist ja kriminell, da müssen wir ja der Polizei Bescheid sagen!« »Nein, nein, es ist nichts!« wehrt der Sohn da noch eingeschüchtert ab. Die Mutter verlangt eine Entschuldigung. Später aber, nach viel Alkohol und Psychodynamik, muß Helge gehen – der seine Familie terrorisierende Patriarch ist abgesetzt.
Gegeben wird das hier mit Nuancen in Mienenspiel, Gestik und Tonfall, eine künstlerische Glanzleistung von einem zusammengewachsenen Team, das nun auseinandergerissen wird. In der Provinz haben sie jedenfalls kein Provinztheater gemacht. Aber wer fragt danach? Entlassen, gekürzt, kaputt gespart, Theater soll unterhalten, wer nachdenkt, ist selber schuld.