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RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 12.04.2013 21:51von Lisadill • 744 Beiträge
Bündnis für Aufklärung
Vor Verhandlungsbeginn im NSU-Prozeß gehen Angehörige der Opfer und ein breites Spektrum demokratischer Kräfte mit konsequenten Forderungen auf die Straße
Von Claudia Wangerin
Einen kämpferischen, aber gleichzeitig offenen Charakter soll die Demonstration haben, zu der das Münchner Bündnis gegen Naziterror und Rassismus für den heutigen Samstag in der bayerischen Landeshauptstadt aufgerufen hat. Am Wochenende vor Beginn der Hauptverhandlung gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte, denen eine Unterstützung des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) vorgeworfen wird, wollen über 130 linke Gruppen, Migrantenverbände, Partei- und Gewerkschaftsgliederungen zusammen mit Angehörigen der Opfer auf die Straße gehen. Eine klassische Blockbildung soll dabei vermieden werden.
Sie fordern die »schonungslose Aufklärung« der Verstrickung von Geheimdiensten und Polizeibehörden in den Skandal um die Mordserie an Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kilic, Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubasik und Halit Yozgat, deren Motiv erst über zehn Jahre nach dem Tod des ersten Opfers aufgedeckt wurde – durch den mutmaßlichen Selbstmord der Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 4. November 2011.
»Eine rassismusfreie, solidarische Gesellschaft« fordert das Bündnis in seinem Aufruf als Konsequenz. Die Opferfamilien sollten für diffamierende polizeiliche Ermittlungen entschädigt, der Verfassungsschutz abgeschafft werden. Den Nebenklägern gehe es im Prozeß auch um die Aufdeckung der lokalen Unterstützernetzwerke des NSU, betont Angelika Lex, Anwältin der Familie von Theodoros Boulgarides. Dessen Witwe Yvonne und Lex haben den Aufruf des Bündnisses namentlich unterzeichnet.
Als mutmaßliche NSU-Helfer stehen ab dem 17. April Ralf Wohlleben, Holger Gerlach, André Eminger und Carsten Schultze vor dem Oberlandesgericht München. Offensichtlich gut ausgekundschaftete Tatorte fernab von deren Wohnorten weisen aber auf weitere Unterstützer hin. Keiner von ihnen hatte seinen Lebensschwerpunkt in Bayern, wo fünf von zehn NSU-Mordopfern starben.
Die Organisatoren der von Ex-Grünen-Stadtrat Siegfried Benker angemeldeten Demonstration gehen aber in der Geschichte des Rechtsterrorismus noch weiter zurück und verlangen auch neue Ermittlungen zur Aufklärung des Attentats auf das Münchner Oktoberfest 1980, bei dem 13 Menschen starben.
Diesen Forderungen haben sich mitgliederstarke Organisationen und ein breites politisches Spektrum angeschlossen. So etwa die ver.di-Jugend Bund, die Föderation demokratischer Arbeitervereine aus der Türkei (DIDF), der Ausländerbeirat München und der Bayerische Flüchtlingsrat, über 30 Antifa-Gruppen aus mehreren Städten, ATTAC Deutschland und der bayerische Landesverband der Partei Die Linke sowie verschiedene Ortsgruppen der Jusos und der Grünen Jugend, der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ). Eine weitere Kundgebung soll am ersten Verhandlungstag in der Nähe des Gerichts stattfinden.
Demonstration am Samstag, 13. April um 13.00 Uhr am Münchner Karlsplatz (Stachus)
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 13.04.2013 17:30von Lisadill • 744 Beiträge
Am Stachus waren wir mindestens 7000 Demonstranten.
gelatscht wurde dann über den Hauptbahnhof -Schwanthalerstr -Gericht(ab da hab ich schlapp gemacht,immerhin von 13 Uhr bis 16 uhr Durchhalterei) -Marienplatz
viel grimmige Polizei und nur rücksichtsvolle Bürger.
Tolle Beiträge!
Das Wetter war mit uns:-))
http://www.youtube.com/watch?v=4QCwnsGtlyM
ein aktuelles video gibt es noch nicht-aber dieses zeigt schon die brisante lage in deutschland...
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 14.04.2013 20:24von Lisadill • 744 Beiträge
NSU-Prozeß ausweiten
Tausende demonstrieren in München Solidarität mit Opfern der rechten Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund«. Verfahren gegen staatliche Helfer gefordert
Von Claudia Wangerin
In zwei Tagen beginnt vor dem Oberlandesgericht (OLG) München die Hauptverhandlung gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer der rechten Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU). Aus diesem Anlaß gingen am Samstag in der bayerischen Landeshauptstadt mehrere tausend Menschen mit Parolen wie »Verfassungsschutz, NSU – den Rassisten keine Ruh« auf die Straße. Sie zeigten Solidarität mit den Opfern des Neonaziterrors und forderten eine vollständige Aufklärung der staatlichen Verwicklungen sowie die Abschaffung des Inlandsgeheimdienstes. Das Münchner Bündnis gegen Naziterror und Rassismus sprach von 7000 bis 10000 Teilnehmern.
Polizeibeamte ließen es sich nicht nehmen, bei der Auftaktkundgebung einen Flüchtling wegen Verletzung der Residenzpflicht festzunehmen. Demo-Anmelder Siegfried Benker protestierte: »Das ist nicht der Ort, wo die Polizei rassistische Sondergesetze exekutieren kann!« Wenig später konnte die Freilassung erreicht werden.
Erst am Abend vor der Demonstration war das OLG München vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verdonnert worden, mindestens drei Sitzplätze im Gerichtssaal für ausländische Journalisten freizuhalten. Wochenlang hatte das OLG auf stur geschaltet, nachdem bei der Akkreditierung nach dem »Windhundprinzip« gerade die Medien aus den Herkunftsländern der meisten NSU-Mordopfer leer ausgegangen waren.
Der Iman der muslimischen Gemeinde in Penzberg, Benjamin Idriz, dankte den Karlsruhern Richtern, bekundete in seiner Demorede aber auch, das Vertrauen in den Staat sei »tief zerstört«. Fünf von zehn NSU-Morden seien in Bayern verübt worden. Idriz: »Wir wissen, daß in Deutschland hochrangige Politiker aus ganz anderen Gründen zum Rücktritt bewegt werden. In Bayern hat noch kein einziger Politiker und kein einziger Verfassungsschutzbeamter diese Konsequenzen gezogen.«
Yvonne Boulgarides kämpfte mit den Tränen, als sie vom Mord an ihrem Ehemann Theodoros Boulgarides am 15. Juni 2005 in München sprach. Mit fester Stimme sagte sie, es könne nur ein Teil des Vertrauens in das Rechtssystem wieder hergestellt werden, wenn den Untersuchungsausschüssen alle Akten und Beweise zur Verfügung gestellt würden, die »zur lückenlosen Wahrheitsfindung« nötig seien.
Angelika Lex, Anwältin der Familie und gewählte bayerische Verfassungsrichterin, sagte bei einer Zwischenkundgebung vor dem Gericht, es gebe noch viel zu wenig Ermittlungsverfahren gegen lokale Unterstützernetzwerke des NSU und V-Leute des Verfassungsschutzes. »Es fehlen vollständig die Verfahren gegen Ermittler, gegen Polizeibeamte, gegen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, gegen Präsidenten und Abteilungsleiter von Verfassungsschutzbehörden. Verfahren, die nicht nur wegen Inkompetenz und Untätigkeit, sondern auch wegen aktiver Unterstützung geführt werden müßten«, erklärte Lex. »Auf diese Anklagebank gehören nicht fünf, sondern 50 oder noch besser 500 Personen.«
Auf der Demonstrationsroute lag auch das Mahnmal an der Oktoberfestwiese, wo 13 Menschen durch den Bombenanschlag am 26. September 1980 gestorben waren. Hier erinnerte der Journalist Ulrich Chaussy an die Ungereimtheiten der Einzeltätertheorie und die systematische Vertuschung von Spuren, die in eine andere Richtung gezeigt hatten. Die Ermittlungen müßten wieder aufgenommen werden (siehe auch jW vom 13./14. April).
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 14.04.2013 20:26von Lisadill • 744 Beiträge
Richtig und überfällig
Die Deutsche Journalisten-Union (dju) in ver.di begrüßt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Akkreditierungsverfahren für den Prozeß gegen Beate Zschäpe und vier weitere mutmaßliche Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU):
»Die Karlsruher Richter weisen den Verantwortlichen am Oberlandesgericht München den Weg, jetzt zumindest türkische Medien am Prozeß teilhaben zu lassen und sich ein eigenes Bild von der Arbeit der deutschen Justiz zu machen. Das ist richtig und überfällig«, sagte dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß. An der fragwürdigen Tatsache, daß insgesamt nicht ausreichend Pressearbeitsplätze zur Verfügung stünden, die der Dimension des NSU-Prozesses gerecht würden, ändere die Entscheidung des BVerfG allerdings nichts: »Hier sind im Vorfeld aufgrund mangelnder politischer Sensibilität die Weichen vollkommen falsch gestellt worden. Um diesen Fehler zu korrigieren, müßten das Akkreditierungsverfahren wiederholt und mehr Plätze für die Presse geschaffen werden, auch auf eine solche Möglichkeit weist das Bundesverfassungsgericht ja ausdrücklich hin«, ergänzte Haß. (…)
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 15.04.2013 18:22von Lisadill • 744 Beiträge
NSU-Prozeß: Verhandlung startet erst im Mai
Chaos um Presseplätze: Oberlandesgericht München reagiert auf Karlsruher Beschluß
Nach wochenlangem Streit über die Beteiligung von Medien und Öffentlichkeit hat das Oberlandesgericht (OLG) München den ersten Verhandlungstag im Prozeß um die Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) um knapp drei Wochen auf den 6. Mai verschoben. Die Journalistenplätze im Gerichtssaal müßten neu vergeben werden, teilte das Gericht am Montag mit. »Dies ist bis zum geplanten Hauptverhandlungsbeginn am 17. April 2013 zeitlich und organisatorisch nicht mehr möglich«, heißt es in dem OLG-Beschluß.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte am Freitag angeordnet, »eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten zu vergeben«. Acht NSU-Mordopfer stammten aus der Türkei, eines aus Griechenland. Medien aus diesen Ländern waren bei der Vergabe der 50 festen Plätze nach dem »Windhundprinzip« leer ausgegangen. Karlsruhe schlug vor, für sie mindestens drei der Plätze zu reservieren, die bislang für allgemeines Publikum vorgesehen sind, ließ aber auch andere Möglichkeiten offen. »Ich habe noch keine Informationen, wie das ablaufen wird«, sagte die Sprecherin des OLG München, Margarete Nötzel, am Montag.
Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer und deren Familien, Barbara John, bezeichnete die Terminverschiebung als »mittlere Katastrophe«. John sagte der Berliner Zeitung, viele Angehörige hätten sich emotional auf den Verhandlungsbeginn eingestellt und praktisch vorbereitet.
Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag begrüßten die Neuvergabe der Presseplätze. Grünen-Obmann Wolfgang Wieland äußerte sich erleichtert; wieder aber würden einige Journalisten leer ausgehen. Wieland plädierte dafür, den Prozeß per Video in einen weiteren Raum zu übertragen. Unions-Obmann Clemens Binninger (CDU) schlug eine Tonübertragung vor. (jW)
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 16.04.2013 20:38von Lisadill • 744 Beiträge
Zweifel an der amtlichen Version
Auffällig viele fragwürdige Spuren: Haben sich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tatsächlich umgebracht? Warum stellt sich Beate Zschäpe nach dem Tod ihrer Neonazikumpanen den Behörden statt sich abzusetzen?
Von Wolf Wetzel
Wenn Hunderte von Akten im Zusammenhang mit dem NSU verschwinden, d.h. vernichtet werden, wenn »heißen Spuren«, die es über dreizehn Jahre gab, in keinem einzigen Fall nachgegangen wurde, wenn Behörden die Existenz von V-Leuten verschweigen, die Kontakt zu den abgetauchten Mitgliedern des »Thüringer Heimatschutzes« hatten, wenn bei allen neun Morden an Menschen mit türkischer und griechischer Abstammung ein rassistischer Hintergrund ausgeschlossen wurde, wenn all dies auf allen behördlichen Ebenen, in allen darin verwickelten Verfolgungsbehörden geschieht, dann darf man hinter diesen Unzulänglichkeiten, hinter dem »menschlichen Versagen« einzelner, ein System vermuten – zumindest sollte man dies – wie in jedem anderen Fall – nicht ausschließen.
Wenn dies aufgrund evidenter, erdrückender Fakten nicht auszuschließen ist, dann muß man auch den schlimmsten Fall für möglich halten bzw. darf ihn nicht von vornherein ausblenden. Dann stellt sich die Frage, ob die zwei Mitglieder des NSU, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, am 4. November 2011, in ihrem Campingwagen tatsächlich Selbstmord begangen haben? Dann muß man auch die offizielle Version, Beate Zschäpe habe sich nach vier Tagen Flucht »freiwillig gestellt«, in Zweifel ziehen.
Gibt es gute Gründe, warum zwar das Vertrauen in die Geheimdienste schwer erschüttert ist, aber gleichzeitig alle Erschütterten an der Selbstmordthese keinen einzigen Zweifel äußern? Die Selbstmordthese ist so evident wie die Behauptung, die NSU-Mitglieder seien spurlos verschwunden. »Hat der Neonazi Mundlos wirklich seinen Kumpel und dann sich selbst erschossen? Was, wenn alles ganz anders war?« Dieses kurze Aufblitzen journalistischer Sorgfaltspflicht tauchte in der Frankfurter Rundschau nicht auf den vorderen Politikseiten auf, sondern als letzter Satz, auf Seite 40, gut verpackt in einem Artikel über einen Krimiautoren (FR vom 30.12.2011). Bekanntlich darf man in Feuilletons vieles sagen, was man im Politik- und Wirtschaftsteil derselben Zeitung nicht darf.
Der Tod der beiden NSU-Mitglieder in Eisenach im November 2011 wird unisono als Selbstmord »kommuniziert«. Diese Version wird in allen Medien vertreten, obwohl dieselben Medien einräumen, daß sie sich jahrelang an der Nase herumführen ließen, daß sie jahrelang die Körner aufgepickt hatten, die ihnen die Ermittlungsbehörden vor die Füße warfen, daß sie als Medien mitgeholfen haben, falsche Fährten festzutreten. Allein die Tatsache, daß es für diesen Tathergang am 4. November 2011 zwei gravierend voneinander abweichende Versionen gibt, müßte stutzig machen.
Die erste Version entstand kurz nach Böhnhardts und Mundlos’ Banküberfall vom 4. November 2011 in Eisenach und wird von der Thüringer Allgemeinen, die sich dabei auch auf Polizeiangaben stützte, so beschrieben: Die Bankräuber benutzten bei ihrem Banküberfall einen Caravan, dessen Spur Stunden später zu den NSU-Mitgliedern führte. Die Beamten näherten sich dem verdächtigen Caravan. Dann hörten sie »aus dem Innenraum zwei Knallgeräusche«. Kurz darauf brannte der Caravan lichterloh, und dann war alles vorbei.
Die zweite Version ist über zwei Monate jünger, ganz frisch und stammt von Polizeidirektor Michael Menzel, Leiter der SOKO in Thüringen, der ebenfalls mit seinen Beamten am selben Tatort war: Dieses Mal benutzten die Täter Fahrräder für ihren Banküberfall. Dieses Mal wurden diese ihr Verhängnis. Als die Beamten auf den Caravan stießen, wurden sie mit MPi-Salven empfangen: »Wir wußten, daß sie scharfe Waffen hatten. Sie haben sofort auf uns geschossen«, sagt Menzel (Bild.de vom 26.11.2011). Dann soll die MPi geklemmt haben, worauf die Schützen sich selbst umbrachten.
Beide Versionen werden von Polizeibeamten erzählt. Welche Polizisten sind echt, welche Version ist echt? Aufgrund des Umstandes, daß beide Versionen in entscheidenden Punkten signifikant voneinander abweichen, sind nuancierte Wahrnehmungsunterschiede auszuschließen. Liegt zwischen der ersten und zweiten Version kein gestörtes Erinnerungsvermögen, sondern eine neue Aktenlage, die mit einem neuen Tathergang in Einklang gebracht werden sollte?
Inszenierter Selbstmord?
Abgesehen von den deutlich voneinander abweichenden Tathergängen wird als Motiv der schwer bewaffneten Neonazis ihre »aussichtslose Lage« angeführt. Was war daran aussichtslos? Wenn irgend jemand über 13 Jahre hinweg im »Untergrund« sicher war, dann war es der »Nationalsozialistische Untergrund«! Was war an dieser staatlich lizenzierten Erfolgsstory aussichtslos? Warum sollten oder konnten die Neonazis nicht auch dieses Mal auf Hilfe »von oben« setzen? Warum sollte eine klemmende Schußwaffe der Grund sein, sich selbst zu erschießen, anstatt die anderen Waffen zu benutzen, von denen sich zahlreiche im Campingwagen befanden?
Und wenn die Lage am 4. November 2011 für Böhnhardt und Mundlos ausnahmsweise aussichtslos war: Warum bringen sich Neonazis um, verbrennen gleichzeitig sich und den Campingwagen? Wer hat Beate Zschäpe informiert, die wenig später auch ihre gemeinsame Wohnung in Brand setzte? Welchen Grund sollte sie gehabt haben, sich den Behörden zu stellen, wo sie vier Tage Zeit hatte, sich in Sicherheit zu bringen?
Das In-Brand-Setzen des Wohnmobils, das Abbrennen des Basislagers/Hauses in Zwickau macht nur Sinn, wenn jemand nicht an den Tod denkt, sondern an die Zeit danach. An Spuren, die über die Toten hinausweisen könnten. Menschen, die sich in aussichtsloser Lage umbringen, kümmern sich nicht um verräterische Spuren. Um die Beseitigung belastender Spuren sorgen sich in aller Regel Lebende!
Der Brand des Hauses in Zwickau, das In-Brand-Stecken des Wohnwagens, in dem sie sich umgebracht haben sollen, läßt andere Motive viel plausibler erscheinen. Wurde hier etwa ein Selbstmord inszeniert, der vor allem der Beseitigung von Spuren diente, an die Aussichtslose keine Sekunde denken würden? Warum wird nicht der Möglichkeit nachgegangen, daß sich die beiden NSU-Mitglieder nicht freiwillig das Leben nahmen? Gibt es einen Grund, einen anderen Verlauf der tödlichen Ereignisse für möglich zu halten?
Niemand bestreitet, daß der Mordanschlag auf zwei Polizisten, die in ihrem Streifenwagen in Heilbronn 2006 ermordet bzw. schwer verletzt wurden, aus der rassistischen Mordserie heraussticht. Dementsprechend wild und verwirrend sind die Indizien, die diesen Mordanschlag erklären sollen. Hatten die beiden Polizisten etwas mit Ku-Klux-Klan-Verbindungen zu tun? War es eine private Abrechnung? In den Vordergrund wurde immer wieder die dümmste aller Mutmaßungen geschoben: Der Mordanschlag hätte dazu gedient, an die Dienstwaffen der Beamten zu kommen. Wenn man weiß, daß der NSU mehr als genug Waffen hatte, dann darf man diese gestreute Mutmaßung ganz als gezielte Desinformation werten. Es wird also viel spekuliert, es werden viele falsche Spuren gelegt, so viele, daß man am Ende den Überblick verliert und vor lauter Schwindel aufgibt. Daran haben sicherlich viele Interesse.
Konflikt zwischen Polizei und VS?
Wer instruierte Beate Zschäpe? Eine Stunde nachdem sie ihre
Wer instruierte Beate Zschäpe? Eine Stunde nachdem sie ihre Wohnung in die Luft gejagt hatte, erhielt sie einen Anruf von einer Handynummer, registriert beim Sächsischen Staatsministerium des Innern (Frühlingsstraße 26 in Zwickau
Foto: Jan Woitas/dpa
Lassen wir die Motive einmal beiseite und gehen davon aus, daß die NSU-Mitglieder nie wirklich im Untergrund waren, sondern sowohl von Polizei als auch von den Geheimdiensten »begleitet« wurden – mit all den unterschiedlichen Gründen, sie zu schützen bzw. mögliche Festnahmen zu unterbinden. Spätestens mit dem Mord auf der Polizistin Michèle Kiesewetter 2006 und der schweren Verletzung ihres Kollegen war diese Allianz aus Verschweigen und Stillhalten, aus Kooperation und Konkurrenz unterschiedlicher Dienststellen vorbei. Spätestens mit dem Mordanschlag auf zwei Beamte dürfte der Burgfrieden zwischen Polizei- und Geheimdienststellen zerbrochen sein. Denn wenn Polizeikollegen »geopfert‹« werden, weil die Kollegen vom Verfassungsschutz »höhere« Interessen geltend machen, hört der Spaß bzw. die Duldsamkeit in höheren Polizeidienststellen auf. Spätestens dann fängt der ansonsten eingehaltene Dienstweg, die Hierarchie der Dienstanweisungen, an, holperig zu werden.
Gehen wir also von einem jetzt offen zutage getretenen Konflikt zwischen Innenministerien, Verfassungsschutzämtern und Polizeidienststellen aus, dann finden sich auch Antworten auf Fragen, die tunlichst nicht gestellt werden: Warum endete mit dem Mordanschlag auf die Polizisten die rassistische Mordserie des NSU? Warum hielten die Mitglieder des NSU über vier Jahre die Füße still? War es nicht im höchsten Interesse derer, die den Kontakt zum NSU nie verloren hatten, daß dieser nie mehr in Erscheinung tritt, daß unter allen Umständen verhindert werden mußte, daß die Existenz eines »Nationalsozialistischen Untergrundes« öffentlich wird? Hatten die Mitglieder des NSU mit dem Banküberfall in Eisenach am 4. November 2011 eine »imaginäre« Grenze überschritten?
Wer diese Fragen für begründet hält, wer die bislang veröffentlichten Fakten auf verschiedene Annahmen verteilt, wird viele Fakten auch folgendem Tatablauf zuordnen können: Mit dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2006 wuchs der Ermittlungsdruck gewaltig. Die damit befaßten Polizeidienststellen waren bereit, jetzt alles zu unternehmen, um den Mordanschlag aufzuklären, und die Verfassungsschutzämter mußten befürchten, daß die Ermittlungen nicht nur zum NSU, sondern auch zu ihnen selbst führen könnten. Um genau dies zu verhindern, mußte dem NSU signalisiert werden, daß er verschwinden muß, daß nichts mehr passieren darf, was auf seine verleugnete Existenz verweisen könnte. Um diese »Botschaft« zu transportieren, bediente man sich der zahlreichen V-Leute im Umfeld des NSU. Tatsache ist, daß das Bekennervideo, das die Mordserie in Verbindung mit dem NSU bringen sollte, nicht verbreitet wurde. Tatsache ist auch, daß es zu keinen weiteren rassistischen Mordanschlägen kam. Sogar die Banküberfälle wurden eingestellt. Anstatt sich jedoch ins Ausland abzusetzen, trafen sie 2011 den Entschluß, eine weitere Bank zu überfallen. Damit überschritten sie im wahrsten Sinne des Wortes die »Deadline«.
Zschäpe vier Tage allein?
Wenn man diesen Tatverlauf ebenfalls für möglich hält, dann dürfte die Nachricht vom Tod der beiden »Kameraden« für Beate Zschäpe ein Schock gewesen sein. Sie mußte um ihr Leben fürchten. Um zu verhindern, daß ihr Ähnliches geschieht, tat sie etwas scheinbar Irrsinniges. Sie packte die NSU-Videos ein und verschickte sie an Adressen, wo sie sicher sein konnte, daß damit die Existenz des NSU nicht mehr zu leugnen war. Was auf den ersten Blick wie eine Selbstanzeige wirkt, war für sie in ihrer Situation eine Art Lebensversicherung.
Der Berliner Kurier vom 29. Mai 2012 rekonstruiert die Ereignisse, kurz nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wie folgt: »Etwas mehr als [eine?] Stunde, nachdem sie ihre Wohnung in der Frühlingsstraße 26 in die Luft jagte, versuchte jemand, Zschäpe anzurufen. Das Pikante: Die anrufende Nummer ist im Sächsischen Staatsministerium des Inneren registriert. Wer aus der Behörde in Dresden wollte Zschäpe sprechen – und vor allem warum?« Das sächsische Innenministerium reagierte auf diese Indiskretion hektisch: Man habe nach dem Brand nach der Person gesucht, die die Wohnung angemeldet habe, um die Wohnungseigentümerin über die Ereignisse zu informieren. Es hätte sich bei den Anrufen also um ganz normale Ermittlungstätigkeiten von Polizeidienststellen gehandelt, die mit der Brandaufklärung zu tun hatten. Warum waren dann aber die Diensthandys nicht mehr erreichbar, nachdem die Handynummern in die Öffentlichkeit gelangten und Journalisten versuchten, diese Version zu überprüfen? Woher hatte die Polizeidienststelle die Handynummer von Beate Zschäpe, die mit Sicherheit ein Handy benutzt hatte, das weder auf ihren Namen noch auf den Namen der Wohnungsanmieterin registriert war? Fakt ist jedenfalls, daß auch V-Leute von den jeweiligen Dienststellen Handys bekommen, um sie so auch an der elektronischen Leine führen zu können.
Doch es gibt noch einen anderen Beleg dafür, daß die Verfolgungsbehörden auf dem laufenden blieben, was Beate Zschäpes Flucht anbelangt. Am 4. November 2011, kurz nach dem In-Brand-Setzen der Wohnung in Zwickau, wurde sie nicht nur von einer »Polizeidienststelle« angerufen. Sie hatte auch telefonischen Kontakt mit André E. Um 15.29 Uhr sprachen sie eine Minute und 27 Sekunden miteinander, dann tippte André E. eine SMS an seine Frau Susann. André E. zählt zu den führenden Neonazikadern, eine Schlüsselfigur in der sächsischen Neonaziszene. Er ist Mitbegründer der »Weißen Bruderschaft Erzgebirge«. Seine Ehefrau Susann E. stand ihrem Mann an neonazistischer Tatkraft in nichts nach. André E. war der Polizei und den Verfassungsschutzbehörden seit langem bekannt.
Aus einem Schreiben des sächsischen Verfassungsschutzes geht hervor, daß die Behörde im März 2003 ein »Informationsgespräch« mit André E. geführt habe, was nur mühsam umschreibt, daß er als V-Mann angeworben werden sollte. Angeblich habe er abgelehnt, da er keinen Kontakt mehr zu neonazistischen Szene habe. Das wußten die Anwerber besser: Noch im November 2006 gingen Verfassungsschutzämter davon aus, daß er eine »herausgehobene Position« (Spiegel online vom 10.12.2012) innehabe. Stand der Ermittlungen ist, daß das Ehepaar E. dem NSU sowohl im Untergrund als auch bei Anschlägen geholfen hat. So besorgte André E. im Mai 2009 für Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe Bahncards, welche auf seinen und den Namen seiner Frau ausgestellt waren. Jenseits der Frage, ob die fehlgeschlagene Anwerbung des Neonazis André E. eine Legende ist, kann man festhalten, daß ihre Überwachung direkt zu den Mitgliedern des NSU geführt hatte/hätte. Wie eng, wie vertrauensvoll der Kontakt zwischen den NSU-Mitgliedern und André E. war, beweist auch das Telefonat, das Beate Zschäpe kurz nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt geführt hat.
Auf welche Weise also die Verfolgungsbehörden über André E. an den NSU angeschlossen waren, könnte zweifelsfrei die Auswertung des Handys ergeben, das bei seiner Festnahme am 24. November 2011 beschlagnahmt worden ist. Das Handy wurde zur Auswertung ans BKA geschickt. Obwohl der interne Speicher gelöscht war, konnte das BKA die gelöschten Datensätze wiederherstellen. Doch nun passierte das, was schon in vielen Fällen zuvor der Fall war: Die Rekonstruktion weist auffällige Lücken auf, die man technisch am allerwenigsten erklären kann: »So tauchen etwa Telefonverbindungen erst ab dem Datum 8. November 2011 wieder auf; bei den SMS reicht die Lücke vom 6. November bis zum 14. November 2011« (FR vom 28.1.2013).
Handydaten gelöscht
Um ganz sicher zu gehen, daß nichts gefunden wird, was nicht gefunden werden soll, wies das BKA die zuständige Bundespolizeidienststelle an, die Sicherungskopie zu löschen. Kein Versehen, sondern eine Anweisung, gegen die üblichen Dienstvorschriften zu verstoßen: »Diese Anweisung habe der üblichen Vorgehensweisen widersprochen, wie der Bundespolizeidirektor Heinz-Dieter Meier in seiner Vernehmung (…) sagte (…): ›Wenn Handys ausgewertet werden, sieht das Standardverfahren vor, daß die Daten archiviert werden‹, sagte Meier laut Aussageprotokoll vom 23. Februar 2012« (ebd.). Für den Vorsatz der Verschleierung statt Aufklärung hat der Bundespolizeidirektor eine professionelle Erklärung: »Er deutete an, daß das BKA mit seinem Vorgehen möglicherweise einen Informanten decken wollte, auf den E.’s Handydaten hinweisen könnten« (ebd.).
Markant an den Lücken ist, daß sie einen ganz wichtigen Zeitraum umfassen: Von Beate Zschäpes Flucht bis zu dem Tag, als sie sich den Behörden gestellt hatte! Warum soll unter allen Umständen alles vernichtet werden, was die Zeit zwischen dem 4. und 8. November 2011 aufhellen könnte? Geht man also von der offiziellen Version aus, die Verfolgungsbehörden hätten keinen Kontakt zu den NSU-Mitgliedern gehabt, dann sind vier Tage sehr viel Zeit, um abzutauchen. Warum hat Beate Zschäpe diese Zeit nicht dazu genutzt? Warum hat sie die zahlreichen Verbindungen ins Ausland nicht verwendet, um sich abzusetzen? Warum fühlte sich Beate Zschäpe ab dem 4. November 2011 nicht mehr sicher, wo sie doch die Erfahrung gemacht hatte, daß man in Deutschland selbst nach neun rassistisch motivierten Morden »sicher« in Zwickau wohnen konnte?
Zweifellos könnten die Telefondaten, die Verbindungsdaten von André E. eine Antwort darauf geben. Würden sie belegen, daß die Verfolgungsbehörden keine Spur zu Beate Zschäpe hatten, wären sie heute noch existent. Daß sie gelöscht wurden, daß man die Sicherungskopie ebenfalls beseitigte, berechtigt zu der Annahme, daß alles stimmt – nur nicht die offizielle Version.
Die Vernichtung der Handydaten, die Anweisung des BKA, auch die Sicherungskopie verschwinden zu lassen, kann man als gründliche Arbeit verstehen – fast. Wenn es welchen Aufklärern auch immer wirklich um Aufklärung und nicht um koordinierte Vertuschung ginge, wäre dieser Fall von Vernichtung von Beweismitteln nicht das Ende gewesen: Denn die Verbindungsdaten werden nicht nur auf dem Handy gespeichert, sondern auch beim Provider! Wenn es wirklich um Aufklärung ginge, wäre der nächste Schritt ein ganz einfacher gewesen: Man hätte alle notwendigen Daten beim Provider abrufen können: Im September 2011 löste die Berliner Zeitung einigen Wirbel aus, nachdem sie veröffentlicht hatte, daß »große Anbieter wie T-Mobile, Vodafone und E-Plus (…) mindestens einen, maximal sechs Monate lang (speichern), welcher Mobilfunkkunde wann aus welcher Funkzelle wie lange mit wem telefoniert hat« (6.9.2011).
Was Datenschützer als klaren Verstoß kritisierten, verstanden alle Anbieter als »eine seit langem gängige Praxis«, an der sie auch nichts ändern wollten. Es gab also noch genug Zeit, an die Verbindungsdaten zu kommen! Warum wurde dieser Schritt nicht unternommen? Warum beteiligen sich auch »Aufklärer« an der Vertuschung? Wurde Beate Zschäpe über André E. signalisiert, daß sie keine Chance habe zu fliehen? Welche Kontakte zur Polizei, zu Verfassungsschutzbehörden hatte André E., um einen Deal einzufädeln? Wer von höchster Stelle die Beseitigung von Beweismitteln anordnet, die auf diese Fragen Auskunft geben könnten, räumt diese Möglichkeit nicht aus, sondern läßt sie als wahrscheinlich erscheinen. Für Beate Zschäpe ging es darum, ihr Leben zu retten, für die involvierten Verfassungsschutzämter ging es darum, mit ihr einen Deal zu machen, der ihre »Gewährungsleistungen« bzw. »Führungsrolle« vertuscht. Nachdem dieser Deal unter Dach und Fach war, stellte sich Beate Zschäpe »freiwillig«.
Daß dieser oder ein anderer Ablauf der Ereignisse – noch – nicht bewiesen werden kann, liegt nicht an den Kritikern, sondern an jenen, die seit 2011 vor allem mit einem beschäftigt sind: mit der Vernichtung von Beweisen, die der offiziellen Version den Boden unter den Füßen wegziehen würde.
Wolf Wetzel: Der NSU-VS-Komplex. Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund – wo hört der Staat auf?, Unrast Verlag, Münster, 130 Seiten, 12 Euro – auch im jW-Shop erhältlich
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 28.04.2013 19:11von Lisadill • 744 Beiträge
Neue Verfahren gegen Zschäpe
Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelt seit März wegen »gemeinschaftlichen Tötungsdelikts«
Gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe läuft ein weiteres Ermittlungsverfahren. Parallel zum bevorstehenden Münchner NSU-Prozeß ermittele die Staatsanwaltschaft Erfurt seit Anfang März gegen die 38jährige wegen des Anfangsverdachts eines »versuchten gemeinschaftlichen Tötungsdelikts«, sagte Staatsanwältin Anette Schmitt-ter Hell am Sonntag. Im vergangenen Jahr leitete der Generalbundesanwalt 14 neue Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Rechtsterror ein, darunter zehn Verfahren im Zusammenhang mit den NSU-Ermittlungen.
Die neuen Ermittlungen gingen auf einen Vorfall am Silvesterabend 1996 am Erfurter Hauptbahnhof zurück, bestätigte Staatsanwältin Schmitt-ter Hell einen Bericht des MDR. Damals sei es zu »Unstimmigkeiten« zwischen zwei Reisenden aus Berlin und einer Dreiergruppe gekommen. Die beiden Berliner seien sich mittlerweile »sicher«, daß es sich bei der Gruppe um Zschäpe und ihre mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt handelte. Die drei sollen später die Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« gegründet haben.
Den Schilderungen der beiden Reisenden zufolge seien diese nach der Auseinandersetzung von den zwei Männern in der Gruppe auf dem Weg zum Zug verfolgt worden, sagte die Staatsanwältin. Dabei seien wahrscheinlich auch einer oder mehrere Schüsse gefallen. Die bedrohten Männer zeigten den Vorfall zunächst trotzdem nicht an. Im vergangenen Jahr hätten sie sich nach der Aufdeckung der NSU-Taten dann beim Bundeskriminalamt gemeldet. Der Generalbundesanwalt habe daraufhin ein Ermittlungsverfahren aufgenommen, dies dann aber an die Behörde in Erfurt abgegeben.
Heute will das Oberlandesgericht München per Los über die Vergabe der 50 Presseplätze im NSU-Prozeß entscheiden. Vier Plätze bekommen türkische Medien, sechs gehen an weitere ausländische Medien; die übrigen sind detailliert nach anderen Mediengruppen aufgeteilt. (AFP/dpa/jW)
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 29.04.2013 18:22von Lisadill • 744 Beiträge
Schwarze Flecken
Der am Montag beginnende Prozeß gegen Beate Zschäpe ändert die Berichterstattung über den NSU. Die Aufklärung ist dabei längst auf der Strecke geblieben
Von Sebastian Carlens
Ein Los für die junge Welt: Beim Prozeß gegen Beate Zschäpe und vier NSU-Unterstützer wird jW dabei sein und berichten
Am Montag, den 6. Mai soll der Prozeß gegen Beate Zschäpe und vier Unterstützer des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) vor dem Oberlandesgericht München beginnen. Am Montag gab die Pressestelle des Gerichts das Ergebnis der Presseplatzverlosungen bekannt: Auch die junge Welt hat das große Los gezogen – mit einem festen Presseplatz wird jW den Prozeß begleiten. Einen Platz erhalten haben unter anderem Bild, Allgäuer Zeitung, Passauer Neue Presse, Pforzheimer Zeitung, Sächsische Zeitung, Oberhessische Presse Marburg und die Lübecker Nachrichten. Focus, das Süddeutsche Magazin und der Spiegel sind ebenfalls vertreten, genauso wie das Al-Dschasira-Büro Istanbul, Radio Lora München, Svenska Dagbladet, Neue Zürcher Zeitung, Hürriyet und weitere.
Mit dem beginnenden Verfahren dürfte sich die Berichterstattung zum NSU ändern: Gaben bislang der Untersuchungsausschuß des Bundestages und seine Pendants in vier Ländern den Takt vor, wird nun der Stand der Verhandlung in den Vordergrund rücken. Der Bundestagsausschuß muß seinen Bericht an das Parlament bis Mitte Juli beenden, vorher bleibt kaum noch Zeit für weitere Vernehmungen: Planmäßig sollen im Mai die letzten Zeugen vorgeladen werden. Schon jetzt ist klar, daß der Ermittlungsauftrag kaum voll erfüllt werden kann – gehört doch auch das Verhalten der deutschen Behörden nach Bekanntwerden der rechten Terrorgruppe zum Gegenstand der Untersuchungen. Die gezielten Aktenvernichtungen Anfang November 2011 werden nicht mehr detailliert behandelt werden können.
Die Auseinandersetzungen um die Presseplatzvergabe, die zur Verschiebung des Prozesses vom 17. April auf den 6. Mai geführt haben, überlagerten die Tätigkeit der Ausschüsse ebenso wie Spekulationen, ob Beate Zschäpe vor Gericht von ihrem Recht, die Aussage zu verweigern, Gebrauch machen wird. Das ist bedauerlich, denn die Obleute im Bundestag befaßten sich in der vergangenen Woche mit Themen, die in der Geschichte des NSU bislang schwarze Flecken darstellen: Die Rolle des Terrorunterstützers und Berliner Polizeispitzels Thomas Starke und der Anschlag in der Kölner Keupstraße mit mehreren Schwerverletzten, den der NSU im Jahr 2004 begangen haben soll. Starke, der als Geliebter Beate Zschäpes engen Zugang zur Gruppe hatte, besorgte nicht nur den Sprengstoff TNT, sondern plauderte gegenüber dem Berliner Landeskriminalamt freigiebig über seine Gesinnungsgenossen: Zehn Jahre lang soll er den Behörden Erkenntnisse, darunter auch Hinweise auf den Aufenthaltsort des flüchtigen Trios, gegeben haben.
22 Menschen wurden am 9. Juni 2004 verletzt, als eine mit Nägeln gefüllte Bombe in der überwiegend von Migranten bewohnten Kölner Keupstraße explodierte. »Die Sprengvorrichtung kam zur detonativen Umsetzung«, faßte Kriminalhauptkommissar Dirk Spliethoff am Donnerstag vor dem Ausschuß zusammen. Viel mehr wußte die Polizei nicht: Eine Abfrage nach den Schlagworten »männlich«, »Koffer« und »rechtsradikal« beim Bundeskriminalamt hätte den seit 1998 flüchtigen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt ausgegeben, sagte CDU-Obmann Clemens Binninger. Sie unterbleib
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 01.05.2013 20:34von Lisadill • 744 Beiträge
Wer nicht vor Gericht steht
Kleine Übersicht zum bevorstehenden Prozeß in München: V-Männer als Staatsanteil im Netzwerk der Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund«
Von Wolf Wetzel
Am kommenden Montag soll vor dem Oberlandesgericht in München der Prozeß gegen Beate Zschäpe und vier weitere Neonazis beginnen. Wie viele im Verfahren gegen die Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) tatsächlich auf der Anklagebank sitzen müßten, führte Angelika Lex, Anwältin und gewählte bayerische Verfassungsrichterin, auf einer Demonstration in München am 13. April aus: »Es fehlen vollständig die Verfahren gegen Ermittler, gegen Polizeibeamte, gegen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, gegen Präsidenten und Abteilungsleiter von Verfassungsschutzbehörden. Verfahren, die nicht nur wegen Inkompetenz und Untätigkeit, sondern auch wegen aktiver Unterstützung geführt werden müßten (…) Auf diese Anklagebank gehören nicht fünf, sondern 50 oder noch besser 500 Personen.« (siehe jW vom 15.4.2013)
Im November 2011 wurde der amtierende Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum in einem Interview mit der Zeitung Badische Neueste Nachrichten gefragt: »Hatten die mutmaßlichen Neonaziterroristen des NSU etwa Verbindungen zum Thüringer Verfassungsschutz?« Antwort: »Uns liegen keine Anhaltspunkte vor, die diese Behauptung stützen könnten.«
Liefern wir also dem obersten »Aufklärer« jene Anhaltspunkte, die in jedem anderen Verfahren nach Paragraph 129a vollkommen genügen würden, um wegen Unterstützung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt zu werden. Im Folgenden die bislang namentlich bzw. mit ihrem Decknamen bekannten V-Männer, die sich im Netzwerk des NSU beweg (t)en:
Thomas Dienel, V-Mann des thüringischen Verfassungsschutzes
Medienberichten zufolge hat Dienel in den 1990er Jahren vom thüringischen Verfassungsschutz 25000 D-Mark erhalten – offiziell für Spitzeldienste. Dienel selbst gab öffentlich an, er habe seine Aktionen zeitweise mit dem Verfassungsschutz abgesprochen und sie von ihm bezahlen lassen. Auch vor Gericht sei er unterstützt worden: »Man hat mich gedeckt.« (Der Spiegel, 2.10.2000)
Thomas Richter, V-Mann des Bundesamts für Verfassungsschutz
Thomas Richter war einflußreicher Neonaziaktivist aus Sachsen-Anhalt. Unter dem Decknamen »Corelli« lieferte er von 1997 bis 2007 dem Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen, unter anderem aus einem deutschen Ableger des rassistischen Ku-Klux-Klans. (taz vom 9.10.2012). Thomas Richter – in Neonaziskreisen auch »HJ Thommy« gerufen –, war auch Herausgeber des Nationalen Beobachters und Betreiber von mehreren neonazistischen Internetseiten. Nach dem Abtauchen der späteren NSU-Mitglieder 1998 kamen diese für mehrere Wochen bei ihm unter. »Thomas R. engagierte sich (…) bei dem rechten Fanzine Der Weiße Wolf, in dessen Ausgabe Nummer 18 im Jahr 2002 ein interessantes Vorwort erschienen ist. Fettgedruckt, ohne nähere Erläuterung, heißt es da: ›Vielen Dank an den NSU.‹ Es ist die erste bekannte Erwähnung des NSU in der Öffentlichkeit, neun Jahre bevor die einzigartige Mordserie aufgedeckt wird.« (Spiegel online vom 18.9.2012)
Achim Schmid, V-Mann des Verfassungsschutzes in Baden-Württemberg
Der Heilbronner Achim Schmid war Gründer und Chef des Ku-Klux-Klan in Baden-Württemberg, einem Ableger des rassistischen US-amerikanischen Geheimbundes KKK. Gleichzeitig war der Rassist auch V-Mann des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg und nicht der einzige: Mitglied des von Achim Schmid gegründeten KKK war auch Thomas »Corelli« Richter.
Tino Brandt, V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes
Tino Brandt war »organisatorischer Kopf« der neonazistischen Organisation »Thüringer Heimatschutz«. Zwischen 1994 und 2000 soll er dafür ca. 200000 D-Mark bekommen haben – das entspricht einem Monatsgehalt in Höhe von mehr als 2500 D-Mark.
Kai Dalek, V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz in Bayern
Auch das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz hat in den 1990er Jahren einen V-Mann im Umfeld der späteren NSU-Terroristen geführt: Kai D. Sein Name findet sich auf einer Adreßliste des NSU-Mitglieds Uwe Mundlos, die 1998 nach dessen Untertauchen sichergestellt wurde. (taz.de vom 17.10.2012)
Carsten Szczepanski, Deckname »Piato«, V-Mann des Verfassungsschutzes in Brandenburg
Szczepanski war Mitglied des Ku-Klux-Klan in Kansas City und erhielt in Deutschland den sehr hohen KKK-Dienstrang eines »Grand Dragon«. Ein 1992 geführtes Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft gegen Szczepanski wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung in Form einer terroristischen Teilorganisation des KKK wurde wegen nicht hinreichender Bestätigung eingestellt. Dabei wurden in diesem Zusammenhang in einer von ihm vormals angemieteten Wohnung vier Rohrbomben, chemische Substanzen und eine Zündvorrichtung sichergestellt.« (AIB 19.01.2013) 1995 wurde der Mann wegen versuchten Mordes an einem Nigerianer zu acht Jahren Haft verurteilt. Er wurde damals im Gefängnis zu einem Informanten der Behörde und lieferte auch Hinweise auf die Mitglieder der Zwickauer Terrorzelle.
Thomas Starke, V-Mann des Berliner Landeskriminalamtes (LKA)
Thomas Starke war einer der führenden Köpfe der sächsischen »Blood & Honour«-Sektion. Von 2001 bis 2011 wurde er als »Vertrauensperson« (VP 562), also Spitzel, vom LKA Berlin geführt. Thomas Starke war nicht nur eine wichtige Figur in der Neonaziszene. Er war mit Beate Zschäpe liiert. Er besorgte dem NSU auch den Sprengstoff, der 1998 in der von Zschäpe angemieteten Jenaer Garage gefunden wurde bzw. gefunden werden sollte.
Peter Klose, V-Mann des Verfassungsschutzes in Sachsen
Langjähriger NPD-Funktionär. »Übereinstimmend berichten LVZ sowie Welt online, daß Klose ›bis Ende der 1990er Jahre‹ für den Verfassungsschutz gearbeitet haben soll … Ermittler nehmen an, daß eine engere Bekanntschaft bestehen könnte zwischen Klose und dem Eminger-Paar, das den untergetauchten Neonazis u.a. Personaldokumente zur Verfügung gestellt haben soll. André Eminger wird daher … neben Beate Zschäpe und weiteren Unterstützern in München vor Gericht stehen.« (Gamma vom 25.3.2013)
V-Männer »Treppe«, »Tobago«, »Tonfall«, »Tonfarbe«, »Tusche«, »Tinte«, »Terrier«, »Trabit«, »Tarif« …
Mit diesen bisher bekanntgewordenen Decknamen wurden zwischen 1997 und 2003 mindestens acht Neonazis aus dem Umfeld des Thüringer Heimatschutzes (THS) im Rahmen der »Operation Rennsteig« (eine gemeinsame Anwerbeaktion vom Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen und dem Militärischen Abschirmdienst – MAD) als Quellen »gewonnen«. Die Akten zu den V-Leuten wurden beim BfV am 10. November 2011 geschreddert.
Marcel Degner, »Quelle 2100«, V-Mann des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz
Marcel Degner ist im November 1999 nicht nur Thüringer Sektionsleiter und bundesweiter Kassenwart des internationalen »Blood&Honour«-Netzwerks, er gilt auch als eine der wichtigsten Quellen des Thüringer Verfassungsschutzes. Auf einem Neonazikonzert spricht Degner alias »Quelle 2100« den sächsischen »Blood & Honour«-Funktionär und zukünftigen V-Mann des Berliner Landeskriminalamtes Thomas Starke an. Degner will den untergetauchten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, die seit Anfang 1998 wegen unerlaubten Sprengstoffbesitzes per Haftbefehl gesucht werden, eine Spende zukommen lassen. Starke hat mal was mit Beate Zschäpe gehabt und schwärmte noch lange für sie. Jedenfalls gibt er das später als Grund an, warum er Zschäpe und ihren Komplizen über ein Kilo Plastiksprengstoff und nach dem Untertauchen das erste Quartier in Chemnitz besorgt hat. Im September 2012 mußte der Untersuchungsausschuß des Thüringer Landtags erfahren, daß sämtliche Treffberichte aus der Akte des V-Mannes Degner verschwunden sind. (siehe jW vom 7.11.2012)
Ralf Marschner, Deckname »Primus«, V-Mann des Verfassungsschutzes Sachsen
Ralf Marschner war Mitglied einer Skinheadband und lebte bis 2007 in Zwickau. In den 90er Jahren unterhielt er in Zwickau mehrere neonazistische Szeneläden. »Seit 1992, fast ein Jahrzehnt lang, soll der Mann für den Verfassungsschutz im Bereich Rechtsextremismus als Quelle gearbeitet haben… Der Informant kennt mindestens vier der Beschuldigten in dem NSU-Komplex, darunter Andre E. (…) Mit Jan W. (…) hat er noch im Vorjahr über das NSU-Verfahren gechattet.« (SZ, Ostern 2013). Unter anderem war er Mitorganisator von Neonazi-Busfahrten nach Ungarn. Neonazi und V-Mann »Primus« unterhielt »von 2000 bis 2002 in Zwickau eine Baufirma, die bald auch in München und in der Nähe von Nürnberg tätig war. Im Sommer 2001 (im Juni und August, d.V.) hatte er bei einer Autovermietung in Zwickau einen Audi A2, einen Mercedes Sprinter und einen VW-Golf gemietet. Die Autos sind für lange Fahrten genutzt worden, der Zeitraum überschneidet sich mit den Morden (in Nürnberg am 13. Juni 2001 und in München am 29. August 2001, d.V.), aber ein Beweis ist das nicht. (…) Einer seiner Leute, der im Sommer 2001 einen Wagen für die Firma anmietete, wohnte in der Polenzstraße in Zwickau. Ein paar Monate zuvor war das Neonazitrio in die Polenzstraße gezogen.« (ebenda)
Toni Stadler, V-Mann des Verfassungsschutzes Brandenburg
Bis 2003 aktiv in der Neonaziszene in Cottbus und Guben. Offiziell wurde das Beschäftigungsverhältnis mit dem VS Brandenburg im Jahr 2002 beendet. 2003 zieht er nach Dortmund um und will sich aus der Neonaziszene gelöst haben. Tatsächlich bestätigt eine weiterer V-Mann mit Codename »Heidi«, daß es am 1.4.2006 ein Treffen zwischen (Ex-)V-Mann Toni Stadler und Mundlos in Köln gab. Drei Tage später, am 4.4.2006 wird der 39jährige Mehmet Kubasik in Köln ermordet.
Kai-Uwe Trinkaus, V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes
»Der frühere Erfurter NPD-Kreischef outete sich als jahrelanger V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes. Zwischen 2006 und 2010 habe er unter dem Decknamen Ares regelmäßig Informationen an den Geheimdienst geliefert, sagte er dem Sender MDR.« (sueddeutsche.de vom 6.12.2012).
Benjamin Gärtner, V-Mann des Verfassungsschutzes in Hessen
»Benjamin G. diente sich, wie man heute weiß, bereits 2002 dem Verfassungsschutz als Zuträger an. Über seinen Stiefbruder, einen bekannten Rechtsextremisten aus der Kasseler Szene, hatte er Zugang zu Neonazigruppen wie der ›Kameradschaft Kassel‹. Sein Stiefbruder stieg zum Kameradschaftsführer auf und war im Neonazi-Netzwerk ›Blood& Honour‹ aktiv.« (Spiegel online vom 3.9.2012)
Benjamin Gärtner aus Helsa bei Kassel war unter der Bezeichnung »GP 389« von 2003 bis mindestens 2006 für das hessische Landesamt für Verfassungsschutz tätig. V-Mann-Führer war Andreas Temme, der sich zur Mordzeit im Internetcafe in Kassel 2006 aufhielt.
Summa summarum
Geht man davon aus, daß die bisher bekannt gewordenen V-Leute im Netzwerk des NSU nur die Spitze des Eisberges sind, darf man von einer weit größeren Zahl ausgehen. Wieviel Staat steckt also im »Nationalsozialistischen Untergrund«?
Gehen wir also ganz vorsichtig von 25 V-Leuten im Umfeld des NSU aus. Fest steht, daß all diese staatlich finanzierten Neonazis über mehr als dreizehn Jahre nichts zur Verhinderung von neonazistischen Straftaten, nichts zur Verhinderung der rassistischen Mordserie beitragen konnten. Dann heißt dies, daß sie 13 Jahre mit staatlicher Unterstützung am Aufbau neonazistischer Strukturen, an der Gewährleistung eines neonazistischen Untergrundes und möglichweise an der Mordserie des NSU beteiligt waren. Die Frage ist also nicht, wer ab dem 6. Mai auf der Anklagebank sitzt und was dort verhandelt werden soll. Die Frage ist vielmehr, wer nicht vor Gericht steht, was alles nicht verhandelt wird.
Von Wolf Wetzel erschien im Unrast-Verlag »Der NSU-VS-Komplex. Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund – wo hört der Staat auf?«
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 02.05.2013 15:56von Lisadill • 744 Beiträge
http://www.freitag.de/autoren/gsfrb/fest...eim-nsu-prozess
interessant sind auch die Leserkommentare
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 02.05.2013 18:43von Lisadill • 744 Beiträge
Umkämpfte Plätze
NSU-Prozeß: Karlsruhe weist Klage gegen Presseplatzvergabe ab. Angeklagter Neonazi Wohlleben soll Ehegattenbeistand erhalten
Von Claudia Wangerin
Nach einer Serie von Pannen und Tricksereien bei der Vergabe der Presseplätze für den NSU-Prozeß hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Donnerstag die Klage eines freien Journalisten abgewiesen. Martin Lejeune war beim ersten Akkreditierungsverfahren nach »Windhundprinzip« unter den ersten 50 Bewerbern gewesen und hatte somit einen der umkämpften Plätze bei der Hauptverhandlung um die Mordserie des »Nationalsozialistischen Untergrunds« erhalten. Bei der Verlosung nach Untergruppen, zu der sich das Oberlandesgericht (OLG) München entschloß, weil die Karlsruher Richter verlangt hatten, auch Medien aus den Herkunftsländern der meisten NSU-Opfer zu berücksichtigen, war Lejeune leer ausgegangen. Seine Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, weil keine Grundrechte verletzt seien, hieß es in dem Beschluß. Größere Medien wie Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt und Die Zeit, die bei der Verlosung ebenfalls leer ausgingen, wollen vorerst auf Klagen verzichten, um eine weitere Verschiebung des Prozesses zu vermeiden, der planmäßig am 6. Mai beginnt. Einzig die taz behält sich noch rechtliche Schritte vor. Die junge Welt kann dank Losglück aus erster Hand berichten. Einer 50 Plätze sollte am Donnerstag nachmittag neu verlost werden, weil einer der »Gewinner«, ein freier Mitarbeiter des WDR, wegen eines Irrtums sein Akkreditierungsgesuch zurückgezogen hatte.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat unterdessen ein Gutachten erstellt, demzufolge eine Videoübertragung in einen weiteren Gerichtssaal unzulässig sein soll. Die Juristen verweisen laut Osnabrücker Zeitung vom Donnerstag auf die »Menschenwürde der Verfahrensbeteiligten«.
Das erste Gelächter über den Presseplatz für die Modezeitschrift Brigitte im Gerichtssaal hat sich inzwischen gelegt. Sprach sich doch schnell herum, daß das zur Bertelsmann Media Group gehörende Verlagshaus Gruner + Jahr das Blatt neben dem Stern nur ins Rennen geschickt habe, um seine Chancen bei der Verlosung der 50 festen Journalistenplätze zu erhöhen. So wurde der Brigitte-Platz auch umgehend an den Stern abgetreten. Das aufgrund seines Losglücks ebenfalls mit Spott bedachte Anzeigenblatt Hallo München wiederum gehört zur Mediengruppe Münchner Merkur/tz, deren Zeitungen damit versorgt sein dürften. Auch die Süddeutsche Zeitung (SZ) ging nur auf den ersten Blick leer aus, hatte der Süddeutsche Verlag sich doch auch mit dem SZ Magazin beworben.
Nebenklageanwalt Yavuz Narin, der die Angehörigen des NSU-Mordopfers Theodoros Boulgarides vertritt, stellte derweil einen Antrag, der den Nebenklägern ermöglichen soll, »ihnen zustehende Sitzplätze einvernehmlich anderen Zuhörern, Mitarbeitern ihrer anwaltlichen Vertreter oder Medienvertretern zu überlassen.« Hintergrund ist einerseits der Wunsch traumatisierter Nebenkläger, sich im Gerichtssaal von engen Vertrauenspersonen begleiten zu lassen, was aufgrund des Platzmangels nie für alle Betroffenen gleichzeitig möglich sei. Aus beruflichen und finanziellen Gründen könnten sie aber ohnehin nicht alle Verhandlungstermine wahrnehmen. Laut Antrag sollen sie daher in Absprache mit anderen Nebenklägern zu einzelnen Sitzungen entsprechenden Beistand mitbringen können, um an anderen Tagen ihre Plätze für die Vertrauten anderer Nebenkläger freizumachen.
Ob das Gericht sich darauf einläßt, bleibt abzuwarten. Unterdessen soll aber die Ehefrau des mutmaßlichen NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben in räumlicher Nähe zu ihrem Gatten im Sitzblock der Angeklagten und Verteidiger Platz nehmen dürfen. Nach dieser Zeitung vorliegenden Informationen wurde sie als Beistand nach Paragraph 149 der Strafprozeßordnung zugelassen. Die Rechtsvorschrift gilt für Ehegatten und Lebenspartner von Angeklagten. Wohlleben sitzt neben Beate Zschäpe als einziger NSU-Beschuldigter noch in Untersuchungshaft. Er soll für das mutmaßliche Kerntrio eine Schußwaffe organisiert haben. Im Herbst 2012 wurden seine Haftbedingungen verschärft, weil er heimlich Briefkontakt mit einer rechten Szenegröße in Freiheit gepflegt haben soll.
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 05.05.2013 21:00von Lisadill • 744 Beiträge
Prozeßstart in München
Die Bundesanwaltschaft hat sich im NSU-Verfahren auf drei Haupttäter festgelegt, von denen zwei nicht mehr leben. Aus der Sicht mancher Nebenkläger ist das gewagt
Von Claudia Wangerin
Der Presseandrang wird riesig sein, wenn die mutmaßliche Neonaziterroristin Beate Zschäpe heute mit Hand- und Fußfesseln – so berichtete der Norddeutsche Rundfunk unter Berufung auf ein Schreiben der Justizvollzugsanstalt Stadelheim – in den Saal A 101 des Oberlandesgerichts München geführt wird. Dabei sind Überraschungen an den ersten Verhandlungstagen unwahrscheinlich: Die 488 Seiten starke Anklageschrift gegen Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) liegt wohl inzwischen jeder Zeitungsredaktion der Republik vor. Dennoch muß sie vollständig verlesen werden. Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe Mittäterschaft bei zehn Morden, mehreren Raubüberfällen und zwei Sprengstoffanschlägen vor, die als mehrfacher Mordversuch gewertet werden. Sie selbst war nach bisherigen Erkenntnissen an keinem der Tatorte, soll aber mindestens gleichberechtigt an der Planung der Verbrechen beteiligt gewesen sein – und als gesellige Nachbarin unter falschem Namen den wichtigsten Beitrag zur Tarnung des NSU-Kerntrios geleistet haben. Sicher ist, daß sie 1998 mit zwei Neonazis untertauchte, mit denen sie seit Jahren nicht nur privat befreundet, sondern auch im »Thüringer Heimatschutz« aktiv war. Ihr Verteidigerteam wird trotz dieser Vorgeschichte ihre Mitwisserschaft bei den rassistischen Morden und Anschlägen in Frage stellen.
Anwesenheitsbelege
600 Zeugen sind bisher geladen, 85 Verhandlungstage bis Januar 2014 terminiert. Prozeßbeteiligte gehen aber davon aus, daß die Hauptverhandlung zwei bis drei Jahre dauern wird. Die rund 80 Nebenkläger sind Überlebende der Sprengstoffanschläge oder Angehörige der Mordopfer, von denen neun wegen ihrer nichtdeutschen Herkunft erschossen wurden. Rätselhaft sind Motiv und Zusammenhänge im Fall der Polizistin Michèle Kiesewetter, die 2007 in Heilbronn ermordet wurde.
Bisher schweigt Beate Zschäpe, die nach dem Tod ihrer Komplizen im November 2011 von vielen Medien zur »einzigen Überlebenden« des bis dahin der breiten Öffentlichkeit unbekannten NSU ernannt wurde. Ob sie in allen Anklagepunkten ein Schuldspruch erwartet, hängt auch davon ab, ob die Anwesenheit ihrer Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt an sämtlichen Tatorten belegt werden kann. Das dürfte nicht überall so einfach sein wie beim Sprengstoffanschlag in der Kölner Keupstraße 2004 – in diesem Fall gibt es Videomaterial, auf dem die Bombenleger erkannt wurden. In zeitlicher Nähe zu Morden und Raubüberfällen wurden Fahrzeuge mit Ausweisdokumenten angemietet, die das Trio benutzte. Beim Mord an Theodoros Boulgarides 2005 in München kam z. B. ein Funkzellentreffer hinzu. Die dazugehörige SIM-Karte steckte in einem Handy, das 2011 im Brandschutt der Zwickauer Wohnung von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe sichergestellt wurde. Dort fand sich außerdem ein Zettel mit der Rufnummer des Mobiltelefons und dem Zusatz »Aktion«.
Tatbeiträge
Innerhalb einer Terrorgruppe können Handys und Waffen allerdings weitergegeben werden – und aus dem zynischen Bekennervideo mit der Comicfigur Paulchen Panther, das Zschäpe nach dem mutmaßlichen Selbstmord ihrer Komplizen verschickt haben soll, geht nicht hervor, daß nur drei Personen sämtliche Taten begangen hätten. Der NSU bezeichnet sich in dem Clip als »Netzwerk von Kameraden«, in einer Sequenz sind vier Pantherköpfe zu sehen – und während die Comicfigur sich selbst als Bombenleger betätigt, erscheint die rassistische Mordserie als Traumsequenz. Eine von den Sicherheitsbehörden erstellte Liste möglicher NSU-Unterstützer, die der Öffentlichkeit bekannt wurde, umfaßt 129 Personen, darunter »Vertrauensleute« des Verfassungsschutzes.
Die in der Anklageschrift getroffene Festlegung auf nur drei Haupttäter, von denen zwei nicht mehr leben, halten auch mehrere Anwälte der Nebenklage für verfrüht. Rechtsanwältin Angelika Lex, die Angehörige von Theodoros Boulgarides vertritt, sagte vergangene Woche dieser Zeitung, der »Antiterrorparagraph« 129a reduziere zwar die Anforderungen an den individuellen Tatnachweis, wenn die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung belegt werde. Allerdings werde im Fall Zschäpe schon der Nachweis der Mitgliedschaft »nicht einfach sein und eine umfassende Beweisaufnahme erfordern«. Auch mögliche Tatbeiträge staatlicher Akteure müßten in dem Prozeß thematisiert werden.
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 06.05.2013 14:31von Lisadill • 744 Beiträge
ich war um 8 vor Ort..aus Solidarität mit den Opfern.
Pressemitteilung der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union,
vereinigt mit Gustav Heinemann-Initiative
Berlin, 24. April 2013
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Humanistische Union
sieht wesentliche Fragen des Informationsaustauschs zwischen Polizei und
Geheimdiensten weiterhin als ungelöst
Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum sog.
Antiterrordateigesetz (1 BvR 1215/07) attestiert dem Bundesgesetzgeber
einmal mehr verfassungswidriges Handeln im Kampf gegen vermeintliche
Terroristen. Das Gericht hat mit seiner Entscheidung den Kreis der
erfassten Personen, den Austausch besonders sensibler Informationen (aus
Telekommunikations-Überwachung und Lauschangriffen) sowie die
zugriffsberechtigten Behörden stark begrenzt. Zudem wurden die freie
Suche in den Datenbeständen ("Inverssuche") beschränkt, die
Sicherheitsbehörden zur Veröffentlichung weiterer Merkmalskataloge der
gespeicherten Daten verpflichtet und die Kontrollbefugnisse der
Datenschutzbeauftragten gestärkt.
Die Humanistische Union ist trotz der umfangreichen Kritik an den
verfassungswidrigen Regelungen von der Karlsruher Entscheidung
enttäuscht. Die Bürgerrechtsorganisation war in der mündlichen
Verhandlung als Sachverständige geladen. Nach Einschätzung ihres
amtierenden Vorsitzenden, Werner Koep-Kerstin, ist das Gericht der
zentralen Frage des Verfahrens ausgewichen: "Die Richterinnen und Richter
haben in ihrer Entscheidung noch einmal betont, dass Polizei und
Geheimdienste unterschiedliche operative Aufgaben verfolgen, ihre
Informationsverarbeitung einer gegensätzlichen Logik gehorchen. Wie dies
in einer gemeinsamen Zentraldatei verbunden werden kann, ohne dass es zu
rechtsstaatlich fragwürdigen Datenübermittlungen und
Befugniserweiterungen kommt - eine Antwort auf diese Frage blieb das
Gericht leider schuldig." Während der Verhandlung zur heute entschiedenen
Verfassungsbeschwerde war bekannt geworden, dass die meisten Abfragen an
die Antiterrordatei von Polizeibehörden gestellt werden. Diese erhalten
so Zugriff auf geheimdienstlich erlangte Informationen, die sich im
Gegensatz zu den sonstigen von der Polizei erhobenen Daten einer
gerichtlichen Überprüfung und Bewertung weitgehend entziehen, weil sie
oft vage sind und aus unbelegten Quellen stammen. Solche "Informationen"
dürfen bisher aus gutem Grund nicht für weitere eingriffsintensive
Maßnahmen der Polizeibehörden herangezogen werden.
Für Werner Koep-Kerstin steht daher fest: "Im Zeitalter digitaler
Ermittlungen reicht es längst nicht mehr aus, allein die Aufgaben und
Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten sauber zu trennen.
Ermittlungsarbeit stützt sich heutzutage immer mehr auf die Gewinnung,
Verarbeitung und den Austausch von Informationen zwischen den
verschiedenen Sicherheitsbehörden. Deshalb wäre es an der Zeit, das
Trennungsgebot auf der informationellen Ebene umzusetzen. Das haben die
Karlsruher Richter mit Ihrer heutigen Entscheidung leider versäumt." Die
Dringlichkeit einer grundsätzlichen Klärung dieser Fragen ergibt sich
nach Ansicht der Humanistischen Union bereits daraus, dass seit letztem
Jahr mit der Rechtsextremismus-Datei eine nahezu identische Kopie der
Antiterrordatei in Betrieb genommen worden sei, die nun ebenfalls
überarbeitet werden müsse.
Für Rückfragen steht Ihnen der Geschäftsführer der Humanistischen Union,
Sven Lüders, unter Tel. 030 / 204 502 56 zur Verfügung.
Eine Online-Version dieser Pressemitteilung sowie weiterführende
Materialien der HU zum Thema finden Sie unter: http://bit.ly/12HAqkZ
RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz
in München 06.05.2013 18:58von Lisadill • 744 Beiträge
Alles, was rechts ist
Der NSU-Prozeß beginnt
Von Sebastian Carlens
Der deutsche »Jahrhundertprozeß« gegen Beate Zschäpe und andere begann ohne ein Zeichen der Reue. Zschäpe, die mutmaßlich einzige Überlebende des »Nationalsozialistischen Untergrundes«, soll den Nebenklägern der Opferfamilien vor dem OLG München am Montag demonstrativ den Rücken zugekehrt haben. Ein beschuldigter Terrorunterstützer zeigte aus einem Polizeiwagen heraus gar einen »Stinkefinger« in Richtung der Fotografen. Renitente, verstockte Neonazis, die keine Silbe der Entschuldigung für ihre Taten aufbringen und obendrein die Presse verhöhnen. Das paßt.
Ebenso passend ist es, daß die etablierte deutsche Medienlandschaft, ob mit oder ohne Platzkarte für die große Zschäpe-Show, solchen Details gern Beachtung schenkt. Als sei Reue zu erwarten gewesen, als würde sie irgend etwas ändern: am Leid der Hinterbliebenen, an der Verunsicherung unter Millionen hier lebenden Migranten, an der Rolle der deutschen Dienste im NSU-Komplex. Das Verfahren gegen die mutmaßlichen Mörder von zehn Menschen, die Bombenleger von Köln und Polizistenmörder von Heilbronn – es ist zusammengeschnurrt auf die Hauptbeschuldigte und ihr Verhältnis zu ihren beiden Katzen. Daran ist die Presse nicht unschuldig.
Vor Gericht werden keine großen Enthüllungen zu erwarten sein. Im Gegensatz zu den Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern, die wenigstens lose Fäden zur Verwicklung der Sicherheitsapparate hinterlassen, werden sich Staatsanwaltschaft und Richter weigern, über irgend etwas zu verhandeln, was nicht Gegenstand der Anklage ist. Auch die Begründung dafür kennen wir schon: Um das »Leid der Opfer« nicht durch Ausweitung der Verfahrensdauer »zu verlängern«. Die Hinterbliebenen, sie leiden seit vielen Jahren, seit die Polizei die Verwandten der Ermordeten zu den ersten Verdächtigen gestempelt und das Ansehen der Toten mit wüsten, aus der Luft gegriffenen Beschuldigungen verhöhnt hat. Doch die Polizei sitzt in München nicht auf der Anklagebank; ebensowenig wie der Verfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst, die Landes- und Bundeskriminalämter, der Bundesnachrichtendienst. Sie alle haben ihre V-Leute ganz tief drin in dem Milieu, das den NSU gebar.
Doch der NSU existiert nicht mehr, befand die Bundesanwaltschaft – durch Selbstmord aufgelöst. Was bleibt, sind Desperados, Einzeltäter, Irre. Dazu passend warnte der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen: »Was uns große Sorge bereitet, sind Kleinstrukturen, die sich im Internet zusammentun«. Er denke jedoch, »daß wir eigentlich einen guten Überblick haben«, so der Behördenchef am Sonntag.
An diesem guten Überblick besteht kein Zweifel – er ist Teil des Problems. Die junge Welt, vom Losglück begünstigt, wird vom Prozeß berichten. Und gleichzeitig die Dienste im Auge behalten, die bereits wieder mit jener Selbstherrlichkeit agieren, die geradewegs in die Katastrophe führte, welche nun in München verhandelt wird.
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