UNSERE ZUKUNFT

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#21

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 08.05.2013 15:13
von Lisadill • 744 Beiträge
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#22

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 09.05.2013 07:13
von Lisadill • 744 Beiträge

http://www.youtube.com/watch?v=UVXhKwcYZ9w

offener Brief an Beate Zschäpe


http://www.youtube.com/watch?v=UVXhKwcYZ9w
sehr spannendes Interview über Seilschaften


zuletzt bearbeitet 09.05.2013 07:54 | nach oben springen

#23

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 09.05.2013 18:49
von Lisadill • 744 Beiträge
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#24

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 10.05.2013 16:07
von Lisadill • 744 Beiträge

http://www.youtube.com/watch?v=_GTYKbM3xVA
sehr interessant
allerdings bin ich noch unschlüssig darüber was ich vom Compact Magazin und Elsässer halten soll.
schon verstörend und gleichzeitig faszinierend.
einfach konservativ oder doch schon rechts aussen?


zuletzt bearbeitet 10.05.2013 17:11 | nach oben springen

#25

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 12.05.2013 09:03
von Lisadill • 744 Beiträge

Schützende Hand
Der NSU-Mord in Kassel und der Verfassungsschützer »Klein Adolf«: Warum es in Hessen keinen Untersuchungsausschuß zum Neonaziterror gibt
Von Adrian Gabriel und Hermann Schaus

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, hat am 8. Mai den von ihm herausgegebenen Sammelband »Schreddern, Spitzeln, Staatsversagen. Wie rechter Terror, Behördenkumpanei und Rassismus aus der Mitte zusammengehen« (240 Seiten, 12,80 Euro) vorgestellt. Mit freundlicher Genehmigung des VSA-Verlages in Hamburg veröffentlicht jW daraus leicht gekürzt einen Aufsatz zum NSU-Komplex in Hessen.

Der Hintergrund des kaltblütigen Mordes an Halit Yozgat am 6. April 2006 in einem Internetcafé in Kassel zeichnet sich durch eine Reihe von Besonderheiten und Skandalen aus. Diese aufzuarbeiten, bleibt der Landtag den Opfern, den Hinterbliebenen und der Öffentlichkeit bisher schuldig. Denn weil der Sumpf aus Staatsversagen und Geheimdienstklüngel teilweise bis tief in die 1990er Jahre zurückreicht, haben weder CDU und FDP noch SPD und Grüne ein ausreichendes Interesse an einem eigenständigen hessischen Untersuchungsausschuß zum »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) gezeigt. Die von der Presse, vom NSU-Ausschuß des Bundestages und im Hessischen Landtag bislang zusammengetragenen Fakten machen demgegenüber deutlich, daß Hessen eine wichtige Rolle im NSU-Skandal und dessen Vertuschung spielt.

Nur zwei Tage nach dem Mord an Mehmet Kubasik in Dortmund schlugen die Täter in Kassel wieder zu. Lagen zwischen den Morden sonst Wochen, Monate, manchmal Jahre, waren es diesmal nur Stunden. Danach brach die rassistische Mordserie urplötzlich ab. Die Täter gingen in Kassel ein hohes Risiko ein, auch weil die Gäste im kleinen Internetcafé nur wenige Meter entfernt vom Todesschützen saßen. Einige hörten das Knallgeräusch deutlich, konnten den Schalldämpferschuß jedoch nicht zuordnen.
Sportschütze Temme
Der einzige Zeuge, der das Geräusch als Schuß hätte erkennen müssen, war der trainierte Sportschütze Andreas Temme. Der nach Ermittlungen der Polizei während des Mordes im Café anwesende hauptamtliche Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes pflegte seine Waffen sogar zu Reinigungszwecken in die nahegelegene Außenstelle des Geheimdienstes mitzubringen. Er schoß so häufig, daß die Vielzahl an Schmauchspuren nicht zuzuordnen war. Doch im Gegensatz zu anderen will er den Schuß nicht einmal wahrgenommen haben. Nach Ansicht der Polizei blieb auch unerklärlich, warum Temme den Toten nicht bemerkte, zumal er den Cafébetreiber sogar kurz suchte, dann 50 Cent auf den blutbespritzten Tresen legte und ziemlich spontan das Café verließ. Noch enger ins Visier der Ermittler geriet Temme, weil er sich auf Fahndungsaufrufe nicht meldete und nach der Identitätsermittlung bei ihm Waffen, weitere Munition und rechtsradikale Propaganda gefunden wurden. Irritiert war man auch über das bei Temme gefundene Buch »Immer wieder töten« über Serienmörder. Als Temme sich dann noch als Verfassungsschützer offenbarte, waren die Ermittler wie elektrisiert. Sie gingen zu diesem Zeitpunkt wegen der immer kürzeren Abstände zwischen den Ceska-Morden unmittelbar von weiteren Bluttaten aus. Nach Jahren glaubten sie, nun erstmals eine heiße Spur zu haben.

Temme, der in seinem Heimatort den Jugendspitznamen »Klein Adolf« trug, galt als tatverdächtig oder tatbeteiligt und war fortan das Thema der hessischen Sonderkommission »Café« und der bundesweiten Sonderkommission »Bosporus«. Wegen Kontakten zu V-Leuten der militanten rechten und islamistischen Szene, manche unmittelbar vor und nach Ceska-Morden, begann sich die Polizei für das Innenleben des hessischen Verfassungsschutzes zu interessieren. Wer hatte Temme eingestellt und dessen Zuverlässigkeit geprüft? Wie hat er sich dienstlich gegenüber dem Amt erklärt? Könnten von ihm geführte ­V-Leute, einer davon mit Verbindungen zum »Blood and Honour«-Netzwerk, in die Ceska-Morde verwickelt gewesen sein? Damit begann die Polizei, in eine äußerst heikle Richtung zu ermitteln, in den geheimen Kernbereich des hessischen Inlandsgeheimdienstes.

Was danach passierte, trieb Gerald Hoffmann, Chefermittler der Sonderkommission »Café« und Mitglied der Sonderkommission »Bosporus«, noch sechs Jahre später vor dem NSU-Ausschuß des Bundestages Farbe ins Gesicht. Dort zitierte man aus Schriftwechseln vom Sommer 2006, in denen sich die Sonderkommission »Café« und die Staatsanwaltschaft vehement beim hessischen Verfassungsschutz beschwerten. Es ging um den Vorwurf einer »Unterstützungshaltung verschiedener Verfassungsschutzmitarbeiter gegenüber Tatverdächtigen«. Für die Ermittler essentielle Dinge würden zurückgehalten, wie die Möglichkeit staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher Vernehmungen der durch Temme geführten V-Leute, die Einsicht in die dienstliche Erklärung Temmes gegenüber dem Verfassungsschutz und die Einsicht in die Ergebnisse der vom Verfassungsschutz durchgeführten Sicherheitsüberprüfung. Man wolle die Polizei mit der Begründung raushalten, »wir haben es doch hier nur mit einem Tötungsdelikt zu tun«. Hoffmann beschrieb die Haltung des Geheimdienstes so: Selbst wenn man einen Verfassungsschützer mit rauchendem Colt neben einer Leiche erwische, dürfe man nicht ermitteln.

Dem Brandbrief der Ermittler folgte eine glatte Abfuhr durch die VS-Spitze: Der VS-Präsident unterhalte sich »nicht mit einem Staatsanwalt oder Polizeibediensteten«. Es fehle »die Ebenenadäquanz«. Verfassungsschutzpräsident Lutz Irrgang unterhielt sich da lieber direkt mit Temme persönlich in Wiesbaden. Irrgang erklärte vor dem Ausschuß, er habe sich nur nach Temmes Befinden erkundigt, sonst nichts. Nicht nur ihm gegenüber, auch gegenüber den V-Leuten habe er eine besondere Fürsorgepflicht. Es gab noch weitere Treffen zwischen Temme und leitenden Geheimdienstmitarbeitern. Unter dem Hinweis möglicher Abhörmaßnahmen durch die Polizei traf man sich zum Beispiel an einer Raststätte, angeblich nur, um sich nach Temmes Befinden zu erkundigen – großes Raunen und Gelächter im Sitzungssaal des Bundestages. Nur zur Erinnerung: Temme war zu diesem Zeitpunkt verdächtig, in eine bundesweite Mordserie verwickelt zu sein. Zudem gab es den Vorwurf der Sonderkommission über eine Verstrickung des Geheimdienstes darin.

Die Sonderkommission und die Staatsanwaltschaft müssen inzwischen vor Wut geschäumt haben. Auch das Innenministerium war über den Konflikt informiert. Spätestens im Juli 2007 kam der damalige Innenminister und heutige Ministerpräsident von Hessen, Volker Bouffier (CDU), auf bemerkenswerte Weise ins Spiel. Nachdem die Abgeordneten durch die Presse von einem in den Mord in Kassel involvierten Verfassungsschützer erfuhren, mußte Bouffier am 17. Juli 2006 im Innenausschuß unangenehme Fragen beantworten, zum Beispiel, warum er dies den zuständigen Gremien nicht berichtet hatte. Doch Bouffier erklärte zum Tatvorwurf gegen Temme schlicht: »Er kann es nicht gewesen sein«. (…)

Tatsächlich sollte die peinliche Sache komplett gedeckelt werden. Bouffier verfügte, daß ohne seine Genehmigung nichts zu unternehmen sei, und fuhr dann in den Sommerurlaub. Auch die in Bayern ansässige Sonderkommission »Bosporus« schäumte und bewog den bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU), Druck auf Bouffier zur Freigabe der Quellen auszuüben. Das versuchte Beckstein vergeblich in mehreren Telefonaten. Nach dem Sommerurlaub verfügte Bouffier dann ein absurdes Vorgehen: Der hessische Verfassungsschutz befragte im »Landesamt für Verfassungsschutz« die Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes. Damit sollte der Geheimnisschutz gewahrt bleiben. Rückendeckung dafür gab ein Gutachten vom »Bundesamt für Verfassungsschutz«, dessen Verfasser wenige Wochen später Präsident des hessischen Verfassungsschutzes wurde. Man blieb also unter sich. Die kargen Ergebnisse dieser »Ermittlungen« bekam die Sonderkommission dann im Januar 2007, also ein dreiviertel Jahr nach dem Mord. Trotz Restzweifeln wurde das Verfahren gegen Temme und die V-Leute eingestellt. (…)
Aufbauhilfe West
Hessens Bedeutung im NSU-Skandal ergibt sich auch aus den engen Verbindungen nach Thüringen. Unzählige hessische Beamte bauten ab 1990 Thüringer Behörden auf, dabei maßgeblich die Sicherheitsbehörden. Der Erfolg dieser Aufbauleistung muß seit dem NSU-Skandal hinterfragt werden, zumal einige Spitzenbeamte im NSU-Skandal in sehr ungünstigem Licht erscheinen. (…)

Spätestens wenn es um die Rolle der Aufbaupolitik der 1990er Jahre geht, wird es auch SPD und Grünen nicht besonders warm ums Herz, stellten diese doch von 1991 bis 1999 die Regierung in Hessen. (…) Andreas Temme, darauf wies Volker Bouffier im Landtag hin, wurde unter Rot-Grün eingestellt. Dieser kleine Hinweis ließ die rot-grüne Empörung zum Fall Yozgat schnell abklingen. Man berät sich seither in der geheimen Parlamentarischen Kontrollkommission, in der Die Linke nicht vertreten ist. (…)

Adrian Gabriel ist Referent der Fraktion Die Linke im Hessischen Landtag. Hermann Schaus ist deren parlamentarischer Geschäftsführer.

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#26

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 13.05.2013 18:59
von Lisadill • 744 Beiträge

»Gewiß ist er der Richtige«

Richter Manfred Götzl darf heute den Münchner NSU-Prozeß fortsetzen.
Er gilt als Hardliner
Von Claudia Wangerin

Der NSU-Prozeß vor dem Oberlandesgericht München wird heute mit dem vorsitzenden Richter Manfred Götzl fortgesetzt. Am Freitag hatte das Gericht den Befangenheitsantrag der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe gegen Götzl zurückgewiesen. Eine Anwältin der Nebenklage hatte sich schon bei der Bekanntgabe des Ablehnungsgesuchs am Montag vergangener Woche an »diesen Antrag« erinnert, den sie als Strafverteidigerin für linke Angeklagte in RAF-Prozessen auch immer gestellt habe: Er sei immer abgelehnt worden. Zschäpes Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm mußten nun die gleiche Erfahrung machen. Sie hatten die Besorgnis der Befangenheit damit begründet, daß sie selbst sich vor dem Betreten des Sitzungssaals auf Waffen und andere verbotene Gegenstände durchsuchen lassen sollten – nicht aber Bundesanwälte, Richter, Polizeibeamte und Justizangestellte, die doch im Zweifel genau so durch Dritte unter Druck gesetzt werden könnten. »Die Sichtweise des Verteidigers allein oder auch dessen Empfindung, diskriminiert zu werden, genügen nicht«, begründete das Gericht seinen Beschluß, den Befangenheitsantrag abzulehnen. Zuvor war bereits der mitangeklagte Neonazi Ralf Wohlleben mit einem Ablehnungsgesuch gegen Götzl und zwei weitere Richter gescheitert.

Gerichtsreporter beschreiben Manfred Götzl als streng, hart und aufbrausend. Linke und linksliberale Anwälte sortieren ihn als dominanten »Law and Order«-Mann politisch eher rechts von der Mitte ein. Allerdings steht er nicht im Verdacht, milde Strafen gegen Rechte zu verhängen. Beim Strafmaß, so heißt es, lange er immer sehr kräftig zu. Umstritten ist Götzl auch wegen harter Urteile gegen Menschen, die in einer Notwehrsituation ihre Angreifer verletzten. »Urteile gegen Zivilcourage« warf ihm ein Autor des Online-Magazins Telepolis im Herbst 2009 vor. In einem dieser Prozesse soll er einem Angeklagten vorgehalten haben, er zerfließe in Selbstmitleid. Dem Bericht zufolge verhängte Götzl eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren gegen den 57jährigen, der seinem jugendlichen Verfolger mit einem Taschenmesser in die Achselhöhle gestochen hatte.

In spektakulären Prozessen verurteilte Götzl sowohl den ehemaligen Wehrmachtsoffizier und Kriegsverbrecher Josef Scheungraber als auch den Mörder des Münchner »Modezaren« Rudolph Moshammer, Herisch A., zu lebenslanger Haft.

Ob der Richter für den »Mammutprozeß« um zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und mehrere Raubüberfälle des »Nationalsozialistischen Untergrunds« geeignet sei, wurde schon während des Akkreditierungsverfahrens in Zweifel gezogen. Im Vorfeld der Hauptverhandlung mußte Götzl wegen der Vergabe der 50 Presseplätze – zunächst nach dem »Windhundprinzip« – sogar internationale Kritik einstecken. Beeindrucken ließ er sich davon nicht. Dem Vernehmen nach wollte er mit seiner starren Haltung nur einen Revisionsgrund vermeiden. Kritiker sahen dagegen den Öffentlichkeitsgrundsatz verletzt – was im Zweifel eher ein Revisionsgrund sei. Auf eine erfolgreiche Verfassungsklage der türkischen Zeitung Sabah, die in Karlsruhe erwirkt hatte, daß Medien aus den Herkunftsländern der NSU-Mordopfer zu berücksichtigen seien, reagierte das Gericht mit einer Neuvergabe per Los – mit extra Töpfen für türkische und griechische Medien. Bald darauf kursierte der Witz: »Was ist der Unterschied zwischen Gott und Götzl? Gott würfelt nicht.« Eine Lanze für den Richter brach dagegen der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Bayern, Dr. Vural Ünlü, in einem Gastkommentar für die Münchner Abendzeitung: »Gewiß ist er der Richtige. Juristen sollen keine Diplomaten sein, wahrscheinlich hätten sie ihren Beruf verfehlt, wenn Feinschliff und Empathie für die öffentliche Meinung das wichtigste Erfolgskriterium wäre.«

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#27

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 14.05.2013 20:29
von Lisadill • 744 Beiträge

Anklageschrift verlesen
NSU-Prozeß: OLG München lehnt zahlreiche Anträge der Verteidigung abgelehnt
Von Claudia Wangerin, München

Um 15.36 Uhr konnte Bundesanwalt Herbert Diemer am Dienstag mit dem Verlesen der Anklageschrift gegen Beate Zschäpe und die mutmaßlichen Helfer der Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) Ralf Wohlleben, André Eminger, Holger Gerlach und Carsten Schultze beginnen. Beobachter hatten am Vormittag aufgrund zahlreicher Anträge der Verteidigung kaum für möglich gehalten, daß es noch in dieser Woche dazu kommen würde. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hatte sich schließlich geweigert, Zschäpes Anwalt Wolfgang Heer erneut das Wort zu erteilen.

Die mutmaßliche Neonaziterroristin ist angeklagt, gemeinschaftlich mit den am 4. November 2011 verstorbenen Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos »in zehn Fällen heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen einen Menschen getötet zu haben« und in zwei Fällen durch Sprengstoff eine Explosion herbeigeführt und durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen verursacht zu haben. Zudem wird ihr Mittäterschaft bei mehreren Raubüberfällen zur Last gelegt. Zschäpe sei jeweils an der Planung und Vorbereitung beteiligt gewesen. Ihr oblag es laut Anklage, »regelmäßig die Reisebewegungen von Böhnhardt und Mundlos abzutarnen und einen sicheren Rückzugsraum zu schaffen«. In der Regel habe sie Böhnhardt und Mundlos nicht zu den Tatorten begleitet. Den Mitangeklagten werden Unterstützungshandlungen wie das Anmieten von Fahrzeugen und die Beschaffung von Waffen vorgeworfen.

Zschäpes Verteidiger hatten am Dienstag den Antrag gestellt, die Hauptverhandlung auszusetzen und in einen größeren Gerichtssaal zu verlegen. Hintergrund ist die eingeschränkte Zahl der Presseplätze, die bereits Wochen vor Verhandlungsbeginn eine hitzige Debatte ausgelöst hatte und sogar Gegenstand von Verfassungsklagen war. Bereits am zweiten Verhandlungstag saßen jedoch Pressevertreter im Saal, die im Losverfahren keinen der 50 reservierten Plätze erhalten hatten, da nicht alle Begünstigten ihr Recht wahrnahmen. Auch der Zuschauerandrang fiel geringer aus als erwartet. Zschäpes Anwälte argumentierten allerdings auch mit der Einsehbarkeit ihrer Arbeitsflächen von der Richterbank aus. Hierfür äußerte auch ein Anwalt der Nebenklage Verständnis und appellierte an den Senat »die räumlichen Gegebenheiten so zu gestalten, daß Verteidigerbänke nicht einsehbar sind«. Ein weiteres Argument der Verteidigung: Die Zahl der Nebenkläger werde womöglich noch steigen, da bisher nicht alle Geschädigten des Kölner Nagelbombenanschlags von 2004 von ihrem Recht Gebrauch gemacht hätten.

Das Gericht wies den Antrag zurück: Der Öffentlichkeitsgrundsatz bedeute nicht, daß unter allen Umständen jeder Interessierte den Prozeß verfolgen könne, sagte Götzl zur Begründung. Unterlagen auf den Verteidigerbänken könnten von der Richterbank aus zwar gesehen, aber nicht gelesen werden.

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#28

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 15.05.2013 19:23
von Lisadill • 744 Beiträge

Geheimdienst im Fokus
NSU-Prozeß: Zschäpe-Anwälte beantragen Protokolle der Untersuchungsausschüsse. Nebenkläger gegen Abtrennung eines Verfahrens zum Kölner Nagelbombenanschlag
Von Claudia Wangerin

Die Verteidiger von Beate Zschäpe haben im Prozeß um die Mord- und Anschlagsserie des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) eine Unterbrechung für die gesetzliche Höchstdauer von drei Wochen beantragt – in dieser Zeit wollen Sie Einsicht in Protokolle der Untersuchungsausschüsse zum Neonaziterror in Thüringen, Sachsen, Bayern und dem Bund nehmen. Kopien dieser Vernehmungsprotokolle, die auch nichtöffentliche Zeugenaussagen von Geheimdienstmitarbeitern dokumentieren, sind Gegenstand eines weiteren Antrags – sie seien für eine ordnungsgemäße Verteidigung unabdingbar, sagte Zschäpes Anwalt Wolfgang Stahl am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht München. Darüber hinaus beantragten Zschäpes Verteidiger die Ablösung zweier Anklagevertreter: Bundesanwalt Herbert Diemer habe dem Gericht nicht sämtliche Akten vorgelegt; Oberstaatsanwältin Anett Greger habe öffentlich Wertungen über das Verhalten Zschäpes am ersten Prozeßtag abgegeben. Über die Anträge wurde noch nicht entschieden.

Nicole Schneiders, Anwältin des mutmaßlichen NSU-Terrorhelfers Ralf Wohlleben und frühere NPD-Politikerin, hatte zuvor die Aussetzung des Verfahrens »wegen Unvollständigkeit der Akten« beantragt. Unter anderem fehle der Verteidigung Wohllebens Aktenmaterial über den Aufenthalt von Beate Zschäpe im Jenaer Polizeirevier am 8. November 2011 – in den ersten Stunden, nachdem sich die Hauptangeklagte gestellt habe. Es werde »gemunkelt«, daß Zschäpe dort von Beamten des Verfassungsschutzes aufgesucht worden sei. Auch hätten Wohllebens Anwälte keine umfassende Einsicht in die Akten über den hessischen Verfassungsschützer Andreas Temme, der 2006 am Tatort des Mordes an Halit Yozgat in Kassel gewesen sei, bemängelte Schneiders.

Direkt im Anschluß verlangte sie die Einstellung des Verfahrens gegen ihren Mandanten. Wegen geheimdienstlicher Verstrickungen in die Straftaten und der »medialen Vorverurteilung« Wohllebens als »Terrorhelfer« sei ein faires und rechtsstaatliches Verfahren nicht mehr möglich. Als Teil der »Vorverurteilung« sieht Schneiders auch die Tatsache, daß von »rassistischen Verbrechen« die Rede sei und Opferfamilien finanzielle Entschädigung erhalten hätten.

Nebenklageanwalt Thomas Bliwier, der die Angehörigen von Halit Yozgat vertritt, nannte die angeblichen Verfahrenshindernisse »heiße Luft und nicht mehr«. Die Altakten über den Kasseler NSU-Mord könnten bei der Bundesanwaltschaft eingesehen werden.

Am Nachmittag standen im Gerichtsaal erstmals die Belange der Opfer im Mittelpunkt: Mehrere Nebenklagevertreter sprachen sich energisch gegen den Vorschlag des vorsitzenden Richters Manfred Götzl aus, den Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße vom Verfahren abzutrennen. Entsetzt hätten ihre Mandanten auf die Möglichkeit reagiert, die Götzl am Dienstag nachmittag ins Spiel gebracht hatte.

Eine Abtrennung würde die juristische Aufarbeitung des Anschlags um Jahre verzögern. Die Verletzten könnten sich dann »als Opfer zweiter Klasse fühlen« sagte Nebenklagevertreterin Monika Müller-Laschet. Mehrere Anwälte äußerten die Befürchtung, das Verfahren könne in diesem Fall sogar eingestellt werden, wenn die Angeklagten wegen anderer Taten hohe Strafen bekämen. »Dann fallen 31 versuchte Mordtaten nicht weiter ins Gewicht«, warnte Rechtsanwalt Alexander Hoffmann.

Sie auch Onlinespezial zum NSU-Komplex: www.jungewelt.de/nsu

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#29

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 16.05.2013 19:08
von Lisadill • 744 Beiträge

Alle Anschläge im Blick
NSU-Prozeß: Nagelbombenattentat in Köln wird nicht abgetrennt. Facebook nimmt rechte Fanseite für Terrorgruppe vom Netz
Von Claudia Wangerin, München

Der Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße, bei dem vor neun Jahren 22 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden, bleibt Teil des Münchner NSU-Prozesses. »Der Senat beabsichtigt derzeit nicht, eine Abtrennung des Komplexes Keupstraße vorzunehmen«, erklärte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl am Donnerstag im Saal A 101 des Oberlandesgerichts München. Zahlreiche Nebenklagevertreter hatten sich am Mittwoch gegen den Vorschlag ausgesprochen, den Terroranschlag getrennt von der Mordserie, den Raubüberfällen und einem weiteren Sprengstoffattentat des »Nationalsozialistischen Untergrunds« zu verhandeln. Die Anwälte der Verletzten aus der Keupstraße hatten eine Verzögerung der juristischen Aufarbeitung um Jahre befürchtet, wenn nicht gar eine Einstellung, sofern die Angeklagten wegen anderer Taten zu hohen Strafen verurteilt würden. Götzl hatte die Aufspaltung des Prozesses vorgeschlagen, nachdem die Anwälte der mutmaßlichen Neonaziterroristin Beate Zschäpe die Verlegung der Hauptverhandlung in einen größeren Saal gefordert hatten. Dabei verwiesen sie auch auf die hohe Zahl der Betroffenen des Kölner Anschlags: Es könnten noch Nebenkläger hinzukommen.

Die Angeklagten Carsten Schultze und Holger Gerlach bestätigten am Donnerstag ihre Aussagebereitschaft zur Sache. Beide stehen als mutmaßliche Terrorhelfer vor Gericht, wollen sich aber schon vor Jahren von der Szene abgewendet haben. ­Schultze will im Prozeß auch Fragen der Nebenkläger beantworten, Gerlachs Verteidiger ließen am Ende des vierten Verhandlungstermins offen, ob ihr Mandant dies tun werde. Nicole Schneiders, Anwältin des wegen Beihilfe zum Mord angeklagten Neonazis Ralf Wohlleben, bemängelte anläßlich der bevorstehenden Aussagen die Sitzordnung im Gerichtssaal. Ihr Mandant und sie könnten die Mimik der Aussagewilligen nicht beobachten, wenn sie gleichzeitig mitschrieben, da sie mit dem Rücken zu ihnen säßen. Während sich Schneiders und Wohlleben aus früheren Tagen im Jenaer Kreisvorstand der NPD kennen, befinden sich Schultze und Gerlach in einem Zeugenschutzprogramm. Beide haben in polizeilichen Vernehmungen Wohlleben schwer belastet. Schneiders kündigte am Donnerstag an, ihr Mandant werde vorerst schweigen, die Verteidiger würden eine Erklärung abgeben. Auch Zschäpe und André Eminger wollen nicht aussagen.

Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl, Wolfgang Heer und Anja Sturm sind unterdessen mit mehreren Anträgen gescheitert: Wem wann das Wort erteilt wird, bestimmt situationsbedingt der Vorsitzende Richter; ein Tonprotokoll der Hauptverhandlung wird es nicht geben. Weitere Anträge sind noch offen. Der Streit um die erleichterte Akteneinsicht in Protokolle der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse ging weiter. Mehrere Nebenklagevertreter äußerten Verständnis für das Anliegen der Verteidigung.

Derweil hat das Internetportal Face­book am Donnerstag nachmittag auf jW-Anfrage eine NSU-Fanpage vom Netz genommen. Auf der Seite »Paulchen Panther – NSU is watching you« wurden seit Wochen die Morde der rechten Terrorgruppe glorifiziert, der Holocaust geleugnet und der Prozeß in München ins Lächerliche gezogen. »Einen National-Sozialistischen Untergrund (NSU) hat es nie gegegben (sic!). Diese sogenannte Terrorzelle ist reine Fiktion«, hieß es gleich eingangs. Gegenüber junge Welt erklärte ein Sprecher des sozialen Netzwerkes: »Wir tolerieren keine haßerfüllten Inhalte auf Facebook.« Man arbeite »intensiv daran, Seiten und Gruppen mit Nazi-Inhalten zu entfernen, und wir bestärken Nutzer, uns sofort zu informieren, wenn sie auf solche Inhalte stoßen«.

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#30

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 17.05.2013 09:20
von Lisadill • 744 Beiträge

Liebe zum Detail
Die Springer-Zeitung Die Welt hat in ihrem Internetportal einen sogenannten Live-Ticker zum NSU-Prozeß in München eingerichtet. Darin war am Donnerstag u.a. zu lesen:


9.15 Uhr: Erleichterung bei den Journalisten: Das Oberlandesgericht läßt Laptops und Handys auch für Journalisten ohne Platzkarte, die in der Besucherschlange anstehen, wieder zu. Auch Snacks und Getränke in Pappbechern dürfen mit hineingenommen werden. Die massive Kritik von Welt, Süddeutscher Zeitung, Stern.de und der dpa hat offenbar gewirkt. (...)

9.51 Uhr: Beate Zschäpe betritt den Saal. Sie kneift den Mund zusammen, eilt zu ihrem Tisch und dreht den Fotografen so schnell es geht den Rücken zu. Hinter ihr sitzt Ralf Wohlleben, er trinkt Wasser aus einem Tetrapak und liest die Zeitung junge Welt, das einstige FDJ-Organ in der DDR. Zuvor hat sich seine Anwältin beim Zeitungslesen fotografieren lassen. (…)

11.53 Uhr: Zschäpe und die Liebe zum Detail. Hin und wieder ist schon ein Grummeln zu hören in der Öffentlichkeit, vor allem bei Kommentaren im Internet, daß die Berichterstattung über den Prozeß zur Modenschau zu verkommen drohe. Was Zschäpe oder ihre Anwältin morgens aus dem Kleiderschrank gezogen hätten, sei vielen Medien offenbar wichtiger als die angeklagten Taten selbst. (…) Heute hat sie ihre Haare mit einem lilafarbenen Band zum Pferdeschwanz zusammengebunden, das perfekt zu ihrer lavendelfarbenen Bluse passt. Auch in Dokumentationen über Beate Zschäpes Vergangenheit wurde das immer wieder thematisiert. Eine Nachbarin aus Zwickau meinte in einem Fernsehbeitrag, Beate sei eine »unheimlich Hübsche« gewesen und habe ein Händchen für schöne Outfits.

13.55 Uhr: (…) Schon wieder Pause, kurze Beratung, weil die Anwälte von Zschäpe einen Gerichtsbeschluß verlangt haben. Sie gehen allesamt vor die Tür – und lassen ihre Mandantin mutterseelenallein sitzen. Sie klappt den Laptop auf und liest. Ein Zuschauer, der zum ersten Mal bei der Verhandlung ist, wundert sich über die »unbeteiligte Miene«. Und darüber, daß Zschäpe so »echt super« aussieht. (…) Auch eine Zuschauerin wundert sich, dass Zschäpe »nicht so dümmlich aussieht, wie man Terroristen so kennt«. (...)

Im Springer-Portal bild.de war im »Live-Ticker« vom Donnerstag zu lesen:


9.06 Uhr: Wohlleben-Anwalt Olaf Klemke betritt den Gerichtssaal. Unter seinem Arm: die linke Tageszeitung »Junge Welt«.

9.29 Uhr: Jetzt ist auch Anja Sturm da: Zschäpe-Anwältin Anja Sturm gesellt sich zu ihren Kollegen, trägt heute ein seriöses schwarzes Kostüm. Gestern hatte sie noch mit einem grellgrünen Kleid für Aufsehen gesorgt.

9.49 Uhr: Nazi-Braut Zschäpe kommt. Erst betritt der Angeklagte und ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben den Saal, dahinter sofort Beate Zschäpe. Ihr Haar ist heute wieder streng zum Pferdeschwanz zusammengezurrt. Sie trägt ein lila-farbenes Hemd, passend zum lila Zopfgummi. Darüber: ein schwarzes Kostüm, ähnlich dem ihrer Anwältin Anja Sturm. (...)

14.39 Uhr: Wirkte gelöster als noch am dritten Prozeßtag: Sogar das eine oder andere Lächeln huschte über Beate Zschäpes Gesicht (Mitte) [Text unter einem Bild mit der Angeklagten und ihren Verteidigern, jW]

Die jW-Leserinitiative in München hat am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht Zeitungen an Prozeßbesucher verteilt

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#31

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 20.05.2013 19:06
von Lisadill • 744 Beiträge

Wechselnde Fronten
Im NSU-Prozeß können sich Nebenklage und Verteidigung nicht immer widersprechen, wenn es um das Verhältnis staatlicher Akteure zum Neonaziterror geht
Von Claudia Wangerin, München

Foto: Tobias Hase/dpa
Es geht hier um eine rassistische Mordserie, zwei Sprengstoffanschläge mit über 20 Verletzten und mehrere Mordversuche. Das läßt die Atmosphäre im Saal A 101 des Oberlandesgerichts München nicht immer erahnen. »Kindergarten«, wurde in der zweiten Verhandlungswoche im Prozeß gegen eine mutmaßliche Mitbegründerin des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) und vier mutmaßliche Terrorhelfer auf der Pressetribüne geraunt. »Ungehörig« fand Bundesanwalt Herbert Diemer das Verhalten von Rechtsanwalt Wolfgang Heer. Die Wortgefechte zwischen Heer, der mit seinen Kollegen Wolfgang Stahl und Anja Sturm die Hauptangeklagte Beate Zschäpe verteidigt, und dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl haben für zahlreiche Verzögerungen gesorgt. Heer will häufig das erste Wort haben, Götzl hat immer das letzte. Der Richter will erst hören, worum es geht, bevor er jemandem das Wort erteilt. Darf sich zuerst eine Nebenklagevertreterin äußern, sagt Heer Sätze wie: »Ich beanstande, daß Sie der Kollegin Lunne­bach das Wort erteilen.« Seine Reaktion auf Lachen im Saal: »Der Vorsitzende möge sämtliche Verfahrensbeteiligte zur Sachlichkeit anhalten«. Heers Kollege Stahl zog sogar einmal aus Protest die Robe aus. Das Gericht schmetterte mehrere Anträge der Verteidiger ab – auch einen, in dem es um die Reihenfolge der Worterteilung ging. Wer wann reden darf, bestimmt – situationsbedingt – der Richter. Daraufhin verlief der vierte Prozeßtag am vergangenen Donnerstag deutlich ruhiger.
»Partielle Identität«
Heer, Stahl und Sturm – soweit bekannt, bürgerliche Demokraten – hatten zudem eine Aussetzung des Verfahrens beantragt, hilfsweise aber zumindest eine Unterbrechung für drei Wochen. Sie benötigen Zeit, um Akten der Landesstaatsanwaltschaften und Protokolle der Untersuchungsausschüsse zum Neonaziterror in Thüringen, Sachsen, Bayern und dem Bund einzusehen – auch solche von nichtöffentlichen Sitzungen, in denen Geheimdienstmitarbeiter vernommen wurden. Kopien sollten ihnen überstellt werden, die Kenntnis dieser Mitschriften sei für die Verteidigung unabdingbar. Es gebe eine »partielle Identität« der Untersuchungsgegenstände des Strafverfahrens und der Ausschüsse, argumentierte Stahl. Bundesanwalt Diemer bewertet das grundlegend anders: Die Dokumente seien für die »Schuld- und Straffrage« in diesem Prozeß unerheblich. Weil der Bundesanwalt dem Gericht nicht alle Akten zur Verfügung gestellt habe, beantragten Zschäpes Verteidiger seine Ablösung – wegen Mangel an Objektivität. Eine Ablehnung aus diesem Grund, erklärte Diemer am Donnerstag abend, sei vom Gesetz einfach nicht vorgesehen.

Manche der über 50 Nebenklagevertreter äußern Verständnis für das Anliegen der Verteidiger, die Protokolle einzusehen. Rechtsanwalt Yavuz Narin, der Angehörige des 2005 in München erschossenen Theodoros Boulgarides vertritt, schloß sich dem Antrag sogar in Teilen an – mit der Maßgabe, daß für das Aktenstudium keine Aussetzung, sondern allenfalls eine Unterbrechung für drei Wochen gefordert werde. Der Prozeß soll ohnehin erst am 4. Juni fortsetzt werden.
Kein homogener Block
Während die Mitangeklagten Ralf Wohlleben und André Eminger nach wie vor als überzeugte Neonazis gelten und im Prozeß vorerst schweigen wollen, sind Holger Gerlach und Carsten Schultze aussagebereit. Sie sitzen auf der Anklagebank, befinden sich aber in Zeugenschutzprogrammen.

Beate Zschäpe schweigt ebenfalls. Heer, Stahl und Sturm wollen den Vorwurf zurückweisen, ihre Mandantin habe mit den inzwischen toten Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gemeinschaftlich die Morde und Anschläge geplant.

Wohllebens Anwälte Nicole Schneiders und Olaf Klemke beklagen sich einerseits bitter über den Vorwurf, selber rechtsextrem zu sein, sprechen aber auch von einer »Vorverurteilung« der Szene. Zwar würde jeder Strafverteidiger auf das Wort »mutmaßlich« pochen, wenn sein Mandant in den Medien als »Terrorhelfer« bezeichnet wird – aber nach Lesart von Schneiders und Klemke ist es sogar noch verfrüht, die angeklagten Straftaten als »rassistische Verbrechen« zu bezeichnen. Im November 2011 – über zehn Jahre nach Beginn der Mordserie an neun Männern türkischer, kurdischer und griechischer Herkunft – wurde die gesuchte Ceska-Pistole im Brandschutt der Wohnung der untergetauchten Neonazis gefunden. Im Bekennervideo tauchte das Kürzel NSU nicht zum ersten Mal auf, sondern bereits 2002 im Szenemagazin Der Weiße Wolf: »Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen.« Frau Schneiders findet es trotzdem nicht fair, daß Neonazis beschuldigt werden. Sie will die »Auffindesituation« der Waffe klären, bevor Angehörige der Opfer finanziell »entschädigt« werden.
Wink mit dem Zaunpfahl
In einem Rundumschlag am dritten Prozeßtag forderte Schneiders, die Wohlleben noch aus früheren Tagen im NPD-Kreisvorstand Jena kennt, zunächst eine Aussetzung des Verfahrens wegen Unvollständigkeit der Akten. Unter anderem fehle Material über den Aufenthalt von Beate Zschäpe im Jenaer Polizeirevier am 8. November 2011. Es werde »gemunkelt«, daß Zschäpe dort von Beamten des Verfassungsschutzes aufgesucht worden sei, nachdem sie sich gestellt habe. Direkt im Anschluß beantragte Schneiders die Einstellung des Verfahrens gegen Wohlleben. Wegen der »Vorverurteilung«, aber auch wegen geheimdienstlicher Verstrickungen in die Straftaten sei ein fairer Prozeß nicht mehr möglich. Dabei bezog sie sich unter anderem auf den Untersuchungsausschuß des Bundestags, der »immer neue erschreckende Details« zutage fördere. Letzterem kann die Nebenklage kaum widersprechen. Wohlleben ist allerdings wegen Beihilfe zum mehrfachen Mord angeklagt. Geheimdienstliche Verwicklungen seien kein Einstellungsgrund, so Gül Pinar, Anwältin der Familie des NSU-Opfers Süleyman Tasköprü. »Fakt ist aber, daß wir alle wissen, daß es diese Verwicklungen gegeben hat.« Edith Lunnebach, deren Mandantin durch einen NSU-Sprengsatz schwer verletzt wurde, warf die Frage auf, warum Wohlleben denn nicht aussagen wolle, wenn die mögliche Rolle der Geheimdienste Teil seiner Verteidigungsstrategie sei. Ein Wink mit dem Zaunpfahl: An »einen Wohlleben« auf einer Liste mit Klarnamen von V-Leuten des Verfassungsschutzes hatte sich im Untersuchungsausschuß ein Bundesanwalt erinnert, der 2003 mit dem ersten NPD-Verbotsantrag befaßt war.

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#32

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 21.05.2013 09:26
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#33

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 04.06.2013 20:33
von Lisadill • 744 Beiträge

Offene Worte
Erster Angeklagter im NSU-Prozeß packt stückweise aus. BKA und Verfassungsschutz dürfen den Prozeß systematisch beobachten
Von Claudia Wangerin, München

Mobbing in der Schule, das Gefühl, in Jena der einzige Schwule zu sein und die Sehnsucht nach Normalität: Im Münchner Prozeß um die Mord- und Anschlagsserie des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) hat der Angeklagte Carsten Schultze am Dienstag seinen Weg in die Neonaziszene geschildert, der er mittlerweile als Verräter gilt. »Mit 13 habe ich gemerkt, daß etwas nicht stimmt«, sagte der 33jährige vor dem Oberlandesgericht München. In der Schule habe er versucht, sich »normal zu verhalten«, trotzdem sei er gemobbt worden. In der rechten Szene lebte er mit dem Widerspruch, in der Gesellschaft junger Männer zu sein, dazuzugehören – und doch nicht als der erwünscht zu sein, der er wirklich war.

Am 1. März 1997 zog ihn die NPD-Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung nach München. Als er sich einen Platz in einem Bus aus Thüringen besorgen wollte, lernte er die Neonazis Christian und André Kapke kennen, die aus dem »Thüringer Heimatschutz« auch die späteren mutmaßlichen Haupttäter der NSU-Mordserie kannten. Der Vorwurf der Beihilfe gegen Schultze bezieht sich auf einen Zeitraum, in dem er als heranwachsend galt. Als 19jähriger soll er eine Schußwaffe für das mutmaßliche NSU-Kerntrio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe besorgt haben.

Schultzes Aussage war mit Spannung erwartet worden, da es vorab in Medienberichten hieß, er werde den mit­angeklagten Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben schwerer belasten als bisher bekannt. Wohlleben soll Organisator des Kuriersystems für die drei 1998 untergetauchten Neonazis gewesen sein. Schultzes Vernehmung dauerte bei Redak­tionsschluß an. Verteidiger und Anwälte der Nebenklage hatten vorher noch inhaltlich brisante Anträge zu stellen.

Kaum hatte der Vorsitzende Richter Manfed Götzl den Antrag der Verteidigung von Ralf Wohlleben auf Einstellung des Verfahrens abgelehnt, forderte Rechtsanwältin Anja Sturm dessen Einstellung für die Hauptangeklagte Zschäpe. »Unheilbare Verfahrenshindernisse« seien durch Vorverurteilung sowie nicht mehr nachvollziehbare Aktivitäten von »Vertrauensleuten« des Inlandsgeheimdienstes und der Polizei im Umfeld der mutmaßlichen Haupttäter entstanden. Verfahrensrelevante Akten seien vom Verfassungsschutz vernichtet worden. Anders als Wohllebens Anwältin Nicole Schneiders, die es bereits als Vorverurteilung ansieht, wenn die angeklagten Taten als rassistische Mordserie bezeichnet werden, versuchte Sturm jedoch nicht, die rechte Szene als solche reinzuwaschen. Sie argumentierte personenbezogen mit der juristischen Unschuldsvermutung: Ihre Mandantin sei von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden als Mitglied einer Mörderbande und einer terroristischen Vereinigung bezeichnet worden, obwohl dies erst in der Hauptverhandlung geklärt werden solle. Selbst in den Untersuchungsausschüssen, deren Aufklärungsarbeit »nicht hoch genug gewürdigt« werden könne, sei eine »manifeste Vorverurteilung« zu beobachten.

Nebenklagevertreter beantragten den Ausschluß behördlicher Beobachter von der Hauptverhandlung. Sowohl das Bundeskriminalamt als auch das Bundesamt für Verfassungsschutz hätten angekündigt, eigene Prozeßbeobachter zu schicken, sagte Nebenklageanwalt Alexander Kienzle, der die Familie des 2006 in Kassel ermordeten Halit Yozgat vertitt. Das würde »eine Gefährdung der Wahrheitsfindung bedeuten«, so Kienzle. Weitere Anwälte von Nebenklage und Verteidigung schlossen sich dem Antrag an. Richter Götzl sagte dazu: »Ich gebe bekannt, daß sich bei mir keine Prozeßbeobachter gemeldet haben.« Er forderte Besucher im behördlichen Auftrag auf, sich zu melden – was natürlich niemand tat. Nach einer Unterbrechung lehnte Götzl den Antrag ab.

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#34

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 06.06.2013 21:33
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#35

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 03.07.2013 20:10
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#36

RE: heute im EWH Diskussionsveranstaltung Naziterror und Verfassungsschutz

in München 12.07.2013 21:42
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