UNSERE ZUKUNFT

Selber denken und verantwortlich handeln. Lasst uns nachhaltig etwas bewegen!

#1

one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 04.02.2013 20:39
von Lisadill • 744 Beiträge

nachdem die sog. Sicherheitskonferenz in München zu Ende ist, stehen
die nächsten Demonstrationen an und dieses Mal für unsere Frauenrechte.

Wir unterstützen den Anruf www.Onebillionrising.de
für
Donnerstag, den 14.02.13 um 16.00 Uhr München/Stachus

Gewalt gegen Frauen - weltweit 1 Milliarde Opfer
1 Milliarde steht auf!

One Billion Rising
Steht auf/Streikt/Tanzt
am 14.02.13 lassen wir die Erde beben

One Billion Rising ist eine weltweite Bewegung von Frauen für Frauen, die im September 2012 von der
New Yorker Künstlerin Eva Ensler initiiert wurde. Die Kampagne fordert ein Ende der Gewalt gegen Frauen sowie
Gleichstellung und Gleichberechtigung.
Für den Valentinstag 2013, am 14.02.13, werden weltweit eine Milliarde Frauen zu Streiks und Protestkundgebungen
aufgerufen, indem sie ihre Häuser, Geschäfte und Arbeitsstellen verlassen und gemeinsam öffentlich tanzen, demonstrieren sie ihre Stärke und
gemeinsame Kraft.

Wir treffen uns um 16.00 Uhr am Stachus.

nach oben springen

#2

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 07.02.2013 12:21
von Lisadill • 744 Beiträge

02.02.2013 | 22:15 363
Ganz sicher nicht nichts

#aufschrei Sexismus Subjektives vorläufiges Resümee
Ganz sicher nicht nichts

Foto: Kecko / Flickr (CC)

"Vorausgeschickt: an der Sexismus-Debatte beim Freitag habe ich mich nicht beteiligt und hier auch kaum einen der vielen Blogs gelesen. Sondern mich bei Zeitonline rumgetrieben, da es mir dort weit nötiger erschien. Keine Ahnung, ob das tatsächlich zutreffend war - unter Linken ist ja die Auffassung recht verbreitet, die Gleichstellung der Frau käme erst nach der Weltrevolution und ihre Unterdrückung sei ohnehin nur ein Nebenwiderspruch. Und nicht eine Frage der Menschenrechte.

Was mich im Rahmen der Diskussionen erstaunte, war die verbreitete männliche Wahrnehmung, die bei Twitter, alltagssexismus.de und andernorts veröffentlichten Erfahrungen von Frauen mit Sexismus seien ein Angriff auf alle Männer.

Das noch einmal zum ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen: wenn zehntausende einzelner Frauen ihre üblen Erfahrungen mit einzelnen Männern veröffentlichen, fühlen sich alle Männer angegriffen und müssen schleunigst zur Verbrüder(le)ung schreiten, schließlich ein Auch-Penis-Träger. Das ist natürlich fantastisch dummer Unsinn, wie die Seltenheit von pauschalem Männerhaß in den Erfahrungsberichten und die zahllosen Tweets von Männern und diverse Blogs und Artikel zeigen, exemplarisch Christian Fischer Herr Kaliban Malte Welding CuriOusities Markus C. Schulte von Drach (Supermänner<3)

Erstaunlich fand ich auch die Wahrnehmung, Laura Himmelreich oder jede andere Frau sei nach einer - vergleichsweise - sexistischen Petitesse zwingend ein *Opfer* (dazu unten mehr) und hätte ein ganzes Jahr nach Feststellung ihrer Dirndl-Tauglichkeit ihr Kissen naßgeweint, um mit letzter Kraft, Träne und Tinte den Sternartikel zu veröffentlichen, in einer Kombination von später Genugtuung und öffentlicher Selbsttherapie. Ich war, gelinde gesagt, überrascht, wie viel Unkenntnis von der Arbeit in Redaktionen besteht - als ob eine junge Journalistin entscheiden würde, wann was wo und warum veröffentlicht wird.

Damit zu den Medien und der nächsten Erstaunlichkeit:

Es war noch! nie! da!, daß so gut wie alle Leitmedien tages-, nein, geradezu stundenaktuell ein Twitter-Thema aufgriffen. In höchst unterschiedlicher Qualität, das Fernsehen, seufz - Inkompetenz, Anmaßung und Dummheit auf allen Kanälen (hier eine Petition an die Öffentlich-Rechtlichen). Bei den Printmedien gab es gönnerhaft-selbstverliebte Statements wie das von Jakob Augstein und dem von ihm klug gefundenen Claudius Seidel. Es gab dumm-bösartige wie das von Bettina Röhl und Birgit Kelle. Es gab themenverfehlende und das Selbstbild schonende wie die von Nina Pauer und Lisa Caspari, die sich nicht entblödete, von sexualisierter Gewalt Betroffene als hysterisch zu bezeichen, um sich selbst nur ja von den *Opfern* abzugrenzen. Es gab viele andere mehr, nur wenige darunter klug.

Womit ich bei einer weiteren Erstaunlichkeit wäre:

Dem *Opfer* und seiner Rezeption. Das möchte ja niemand gern sein. Niemand wird gern vom Subjekt zu jemandes Objekt gemacht, niemand ist gern sprach-, macht-, würde- und hilflos. *Opfer* ist ein Schimpfwort, *Opfer* werden gemieden, als wären sie ansteckend. Umso erstaunlicher, bei wie vielen erfolgreichen, starken und toughen Frauen gut verpackte und weit nach untenhinten geschobene sexistische Übergriffe durch die Lektüre der Erfahrungen anderer Frauen wieder auf die Füße fielen. Beispielhaft dafür die Kaltmamsell und Dr. Mutti (beide extrem lesenswert). Überhaupt hat die Blogosphere die Printmedien aber sowas von an Qualität überboten (s.a. Blogsammlung im Infokasten).

Damit zum Allererstaunlichsten, -tollsten und -großartigsten:

Allein durch die Veröffentlichung von zehntausenden Erfahrungen mit Sexismus hat, glaube ich, etwas sehr Wichtiges stattgefunden. Nicht nur, daß meist Frauen extrem Schambesetztes publik gemacht und sich dadurch ermächtigt haben, nein:

Sexismus ist keine Privatsache mehr!

Jede/r ist aufgerufen, sich gegen Sexismus und Gewalt einzusetzen. Niemand kann sich mehr darauf berufen, von nichts gewußt und einen beobachteten Übergriff für ein Privatproblem gehalten zu haben.

Vertrauen Sie Ihrem Gefühl. Niemand erwartet Heldentaten, es reicht, die eigene Meinung zu sagen. Oder zu fragen, ob jemand, auf den man einen Übergriff vermutet, sich noch wohl fühlt oder ob man andernfalls irgendwie helfen kann. Oder Umstehende zu aktivieren oder irgendwelchen Lärm zu machen oder oder oder. Es ist fast das Schlimmste an sexistischen und anderen Übergriffen, daß es bisher kaum jemanden interessiert hat, viel zu selten jemand für ein Opfer einsteht. Das ist seit #aufschrei so nicht mehr möglich. Nicht, wenn Konsens darüber besteht, daß auf Menschen nicht sexistisch oder sonstwie übergegriffen wird und Herrenwitze nicht wirklich witzig sind.

Am 14. Februar ist 1 Billion Rising, nicht bloß Valentinstag.


zuletzt bearbeitet 07.02.2013 12:22 | nach oben springen

#3

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 12.02.2013 16:54
von Lisadill • 744 Beiträge

One Billion Rising - München - Munich
Donnerstag, 14. Februar um 16:00, Karlsplatz/Stachus!!

nach oben springen

#4

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 14.02.2013 17:23
von Lisadill • 744 Beiträge

am Stachus war viel los!
Frauen anfangs etwas zaghaft und schüchtern haben dann doch alle(ich auch) gemeinsam nach einer kleinen Choriografie getanzt.Mit dem Zeigefinger (das Zeichen) nach oben deutend.
getrommelt haben ein paar nette Männer ,die ihr gewohntes Machoverhalten zumindest vorübergehend hinten an stellten.
ein sehr ernster Anlass ,eine schöne bunte kraftvolle Veranstaltung.

Leider musste ich Zeugin eines traurigen Vorfalls werden,wie nähmlich ein Vater seinen kleinen Sohn böse beleidigte,(er wollte auf den shcultern des Papas sitzen,ein Knirps im Schneeanzug und dann die kleine Tochter liebevoll hochnahm.Wenn das die Schlussfolgerung ist prost mahlzeit.


zuletzt bearbeitet 14.02.2013 17:24 | nach oben springen

#5

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 14.02.2013 20:12
von Lisadill • 744 Beiträge

Beats gegen Schläge

Frauenrechte Ausgerechnet am Valentinstag veranstaltet One Billion Rising einen Tag gegen Gewalt gegen Frauen. Die Initiatorin Eve Ensler hat damit einen Tsunami losgetreten
Beats gegen Schläge

Foto: Brigitte Lacombe

Seitdem Eve Ensler die Kampagne onebillionrising.org ins Leben gerufen hat, wird sie immer wieder gefragt, ob es sich um eine Tanz-Bewegung handelt oder um Politik, um Protest oder eine riesige weltumspannende Party? Schon wenige Wochen vor dem heutigen 14. Februar – dem Tag also, den die Aktivistin und Autorin der Vagina-Monologe zum weltweiten Aktionstag gegen Gewalt gegen Frauen bestimmt hat –, hat sie gesagt: „So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.“

Weltweit wird durchschnittlich jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens irgendwann einmal zum Opfer von Gewalt. In diese Statistik, die Ensler dazu veranlasste, One Billion Rising ins Leben zu rufen, werden verschiedene Formen von Gewalt – von häuslicher Gewalt, über Massenvergewaltigungen und Genitalverstümmelung bis hin zu Erfahrung von Krieg und Vertreibung – gerechnet. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass die Kampagne in jedem der 190 Länder, in denen für den 14. Februar Aktionen und Veranstaltungen geplant sind, einen etwas anderen Charakter trägt. Alle gesellschaftlichen Schichten, Gruppen und Religionen seien von diesem „gewaltigen feministischen Tsunami“ erfasst worden, erklärte Ensler.

Die Proteste reichen vom allerersten Flashmob in Somalias Hauptstadt Mogadischu über den Marktplatz des schottischen Rothesay auf der Isle of Bute bis hin zu den Maori in Neuseeland und geschätzten 25 Millionen Demonstrantinnen in Bangladesch. Ensler kam die Idee durch ihre Arbeit in der Demokratischen Republik Kongo, wo sie eine City of Joy errichtet hat, um Frauen mit Gewalterfahrung zu helfen. Hier will sie heute persönlich auch den Aktionstag begehen. Den Valentinstages hat sie dafür bewusst gewählt, um die Vorstellung von Liebe ein Stück weit von der schnulzigen Kommerzialisierung des Valentinstages zu befreien.

Frauenbewegungen auf der ganzen Welt und Soziale Medien haben Ensler zufolge dafür gesorgt, dass die Kampagne rund um den Globus großen Widerhall findet. Sie hielt sich gerade für drei Wochen in Südasien auf, als die 23 Jahre alte Medizinstudentin Jyoti Singh in Delhi von mehreren Männern brutal vergewaltigt und misshandelt wurde. Die Abscheu und Empörung darüber habe der Kampagne großen Zulauf verschafft. In Indien sei der größte Durchbruch im Kampf gegen sexuelle Gewalt gelungen, den es jemals gegeben habe, und One Billion Rising befinde sich dort mitten im Zentrum dieses Kampfes, sagt Ensler.

Nach Ansicht von Kamla Bhasin, die sich seit über 30 Jahren für die Rechte der Frauen in Indien einsetzt, geht jedes Land das Thema auf eine andere Weise an – von der erstaunlichen Massenbewegung in Bangladesch, die von Brac, einer der weltweit größten NGOs organisiert wird, bis nach Afghanistan, wo „nicht getanzt und nicht gesungen werden wird, aber die Leute dennoch sagen wollen, dass es ihnen reicht.“
Break the chain

Der Versuch, mit dem Mittel des Tanzes gegen Gewalt vorzugehen, hat verständlicherweise selbst unter engagierten Befürworterinnen der Ziele für Ablehnung gesorgt. Doch zwei Videos, unter Hunderten, bringen zum Ausdruck, wie Enslers Idee die Aktivistinnen inspiriert. Das erste stellt die neue Hymne Break the Chain vor, die von der Grammy-Gewinnerin Tena Clark komponiert wurde. Die Choreographie des Clips leitete Debbie Allen, die zusätzlich auch noch ihr eigenes Anleitungsvideo drehte. Der zweite Clip wurde von Aktivistinnen aus Norwich produziert. Obwohl es ohne die Art von Hollywood-A-Promis wie Robert Redford oder Jane Fonda auskommt, die für gewöhnlich mit Ensler in Verbindung gebracht werden, erzielt es dennoch gewaltige Wirkung. Die Organisatorinnen vor Ort wollte zeigen, dass die Kampagne ebenso von Männern wie von Frauen unterstützt wird.

In Großbritannien konzentrieren sich die Anstrengungen hauptsächlich darauf, dass im den Sexualkundeunterricht in der Schule auch über Beziehungen und Gewalt gesprochen wird. Eine parteiübergreifende Gruppe von Abgeordneten hofft darauf, am 14. Februar im Parlament eine Abstimmung darüber zu erwirken, ob der Sozialkundeunterricht an den Schulen obligatorisch werden und Gewalt und Missbrauch in Beziehungen zum Gegenstand haben soll.

In den USA hofft die altgediente Aktivistin Pat Reuss ebenfalls darauf, die Unterstützung für die Kampagne für eine Wiederbelebung des Violence Against Women Act nutzen zu können, das im vergangenen Jahr vom Kongress nicht neu bewilligt wurde.

Als sie gefragt wurde, welches Land sie im Rahmen der Kampagne am meisten überrascht habe, rattert Ensler eine ganze Liste von Aktionen herunter – von den Demonstrationen gegen Menschenhandel in Mexiko bis hin zu Massenaktionen auf den Philippinen. Auch dass in Italien sich 50 Städte an dem Aktionstag beteiligen, habe sie erstaunt. „Für mich war das ein wirklicher Wendepunkt. Fünfzig Städte in Italien!“

Die Aktivistinnen fragen sich natürlich bereits, was nach dem V-Day passieren wird. „Das Tanzen wird toll, aber wichtiger ist die Frage, was geschieht, um das Thema Gewalt gegen Frauen ganz oben auf die Agenda zu setzen“, meint Ensler. „Es wird nie wieder ein Randthema sein … Im Augenblick wirkt es wirklich wie eine Welle, die eine Eigendynamik entwickelt hat.“

nach oben springen

#6

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 15.02.2013 15:06
von Lisadill • 744 Beiträge

Sarah Schaschek
14.02.2013 | 01:00
„Der Herrenwitz-Text ist ein Fortschritt“

Im Gespräch Ursula Kosser erlebte in Bonn oft sexistisches Verhalten von Politikern. Warum schwiegen die Frauen so lang?

Der Freitag: Frau Kosser, eine Redakteurin von Spiegel Online berichtete, wie sie von Piratenpartei-Mitgliedern als Prostituierte diffamiert wurde. Und eine Stern-Reporterin erzählt, wie FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle sich über ihren Busen äußert. Kommt Ihnen das bekannt vor?

Ursula Kosser: Das ist für mich Déjà-vu pur. Was die Kolleginnen schildern, entspricht genau dem, was wir uns in Bonn laufend anhören mussten. Solche Sprüche waren für uns damals allerdings leider die mildeste Form des Sexismus.

Wäre es vor 30 Jahren möglich gewesen, darüber zu berichten?

Möglich vielleicht. Aber niemand hat es gewagt. Und hätte man es gemacht, hätte sich die Empörung eher gegen die Frau als gegen den Mann gerichtet. Ich empfinde es wirklich als Fortschritt, dass solche Artikel heute geschrieben werden und dass sie ein großes Echo haben. Es bewegt sich etwas im Verhältnis von Männern und Frauen.

Warum haben die Frauen sich damals nicht getraut?

Die Übermacht der Männer und ihr fehlendes Unrechtsbewusstsein war das eine. Aber lange gab es auch keine gesetzliche Möglichkeit, sich selbst bei üblen Übergriffen zu wehren. Das deutsche Gleichberechtigungsgesetz, das die sexuelle Belästigung erst justiziabel machte, stammt aus dem Jahre 1994. Und ernsthaft vorgehen kann man gegen solche Vorfälle erst seit 2006, als auf Druck der EU das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“ verabschiedet wurde.

Sie haben Ihr Buch ja viel später veröffentlicht. Hatten Sie trotzdem Angst, über die Hammelsprünge in Bonn zu schreiben?

Ich wurde ständig gefragt: Bist du verrückt? Viele meiner Kolleginnen wollten mir selbst jetzt ihre Geschichte nur „unter drei“ erzählen. Ich durfte ihren Namen und den des Politikers nicht nennen. Daneben gab es allerdings die Reaktionen der Frauen, die ihre Tagebücher geöffnet und gefragt haben: ‚Meine Güte, warum haben wir uns damals nicht gewehrt? Warum haben wir darüber nicht mal gesprochen?‘ Es war nicht so, dass man der Kollegin erzählte: ‚Du, der ist mir mal wieder nah gekommen, das war mir unangenehm.‘

Galt das auch in den Redaktionen als Tabu?

Wir Frauen waren eine überschaubare Gruppe in Bonn. In jeder großen Redaktion gab es nur eine Vorzeigefrau. Wenn die gesagt hätte: ‚Hör mal, der hat mich belästigt‘, dann hätte sie nichts anderes geerntet als schallendes Gelächter. Der eine oder andere nette Kollege hätte vielleicht sogar darauf hingewiesen, dass die Kollegin ja genau dafür angeheuert worden sei. Da hat sich viel geändert. Auch in den Medien sind die Frauen nicht mehr hoffnungslos unterlegen.

Dem Stern wird vorgehalten, dass die Redaktion zu lange mit der Veröffentlichung gewartet habe und der Zeitpunkt jetzt Kalkül sei.

Man kann natürlich fragen, ob man die anzüglichen Bemerkungen von Brüderle so hoch hängen musste. Und hinter der Veröffentlichung stecken sicher auch wirtschaftliche Überlegungen. Dass die FDP sich darüber entrüstet, ist ihr gutes Recht. Aber ich bleibe dabei: Damit an die Öffentlichkeit zu gehen, ist auch heute noch eine mutige Sache. Die Sexismus-Debatte, die sich daran entzündet hat, zeigt doch, dass wir noch mitten drin sind in der Aufarbeitung dieses Themas. Was den Vorwurf angeht, dass da ein Spitzenkandidat angegriffen wird: Erstens: So funktionieren Medien nun mal. Und zweitens: Hätte die Kollegin das vor einem Jahr nach einem Vorfall veröffentlicht, hätte es mit Sicherheit geheißen: Komm Mädel, hab dich mal nicht so. Der Zeitpunkt für eine solche Veröffentlichung ist immer falsch.

Die Autorin sagt, sie wollte zeigen, dass Brüderle „aus der Zeit gefallen“ ist.

Schön wär’s. Aber er ist leider kein Einzelfall. Was Annett Meiritz von Spiegel Online über die Piraten erzählt, macht mich genauso sprachlos. „Ex-Fickse“, „Tittenbonus“, diese Begriffe kommen ja von jungen Leuten. Dieser Nerd-Sexismus ist nicht weniger schlimm.

Stellen Sie sich vor, eine jüngere Kollegin kommt zu Ihnen und erzählt, dass sie sexuell belästigt wird. Durch Berührungen, Blicke, Kommentare – Sexismus hat ja viele Formen. Vielleicht kommt dazu, dass sie sein Wohlwollen für ihre Arbeit braucht, weil er Spitzenpolitiker ist. Was raten Sie ihr?

Es ist schon mal gut, dass junge Frauen heute deutlicher sagen: Verpiss dich. Das kriegen sie besser hin als wir früher. Wenn Hierarchie ins Spiel kommt, wird es schwieriger. Da kann man sich an die üblichen Stellen wenden, etwa an Frauenbeauftragte. Allerdings ist für eine Frau immer noch abzuwägen, wie weit sie sich zum Fenster hinauslehnt. Man sieht ja, wie viel Kritik Laura Himmelreich vom Ste rn nun entgegenschlägt. Eine Möglichkeit, einem Mann seine Grenzen aufzuzeigen, ist, dass mehrere Frauen ihm zu verstehen geben, dass sein Verhalten nicht in Ordnung ist. Frauensolidarität wird da manchmal unterschätzt.

Meinen Sie damit, dass Frauen zum Interview lieber zu zweit gehen sollten?

Nein, das ist albern. Das wäre ja wieder ein Rückfall in die alte Zeit. Und wir wollen ja keine geschlechterfreie Zone erfinden. Nein, man muss schon ein bisschen tough sein und sich wehren können. Aber man kann eine Kollegin zum Beispiel bitten: ‚Sag mal, kannst du dem auch mal was sagen, wenn der dich so anmacht.‘ Damit signalisiert man, dass sein Benehmen bereits Gesprächsthema ist. Und so kann man jemanden in seine Schranken weisen.

Haben Sie ein Rezept, mit dem Sie sexistischem Verhalten vorbeugen?

Ich bin der Ansicht, dass man heute nicht mehr unbedingt darauf achten muss, was man anzieht, ob der Rock nicht zu kurz und der Ausschnitt nicht zu tief ist. Wir haben uns zum Schutz immer ein bisschen männlich gemacht. Wir hatten damals Routine mit sexistischen Männern. Wenn wir zu einem Politiker kamen, checkte der, bevor er irgendwas sagte, erst einmal ab: Kann ich bei der landen oder nicht? Und da wusste man gleich: Stimme tiefer machen, ein bisschen weiter weg setzen. Das halte ich heute für den falschen Weg.

Aber gewehrt haben Sie sich nicht?

Doch, es gab auch damals Frauen, denen es irgendwann reichte. In meinem Buch schildere ich, wie ein Politiker einer Kollegin während eines Interviews penetrant auf den Busen starrte, bis sie ihm schließlich sagte: „Die können nicht sprechen.“ Das war damals schon deutlich. Und ist es heute immer noch.

Ein direkter Spruch, gleich vor Ort ...

nach oben springen

#7

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 22.02.2013 18:29
von Lisadill • 744 Beiträge
nach oben springen

#8

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 23.02.2013 13:37
von Lisadill • 744 Beiträge

Zuerst
Fall Pistorius - Steenkamps Vater bricht sein Schweigen
Oscar Pistorius muss mit seinem Gewissen leben, nachdem er seine Freundin Reeva Steenkamp erschossen hat, sagt Steenkamps Vater Barry. "Es spielt keine Rolle, wie viel Geld er hat und wie gut sein juristisches Team ist. Er muss mit seinem Gewissen leben, wenn er seine Anwälte für ihn lügen lässt", sagte er der "Beeld Zeitung".
SID – vor 1 Stunde 51 Minuten


"Wenn es nicht so war, wie er sagt, muss er leiden. Und er wird leiden", fuhr Steenkamp fort. "Wenn es aber so war, wie er sagt, kann ich ihm vielleicht eines Tages verzeihen.“

Reevas Mutter June Steenkamp erklärte, sie habe "keine Tränen mehr" und wolle endlich mit der Trauer beginnen. "Ich muss mich daran gewöhnen, dass sie nicht mehr Teil meines Lebens ist."

"Sie haben nichts getan"

Dem Bericht zufolge hat die Familie einen Blumenstrauß und eine Karte von Pistorius' Familie erhalten. "Ja, aber was soll das bedeuten?", fragte June Steenkamp, die Mitleid mit der Familie des Paralympics-Stars hat.

"Seine Schwester Aimee hat nichts falsch gemacht. Auch seine Eltern nicht. Sie müssen am Boden zerstört sein. Sie sind nicht schuld ", sagte sie.

Die Familie hofft, schon bald eine Stiftung zu Ehren ihrer Tochter gründen zu können. Dabei wollen sie sich um misshandelte Frauen kümmern.

Erleichterung und Trauer

Pistorius' Familie atmete hingegen auf. "Wir sind sehr erleichtert, dass Oscar Kaution stellen durfte, aber wir trauern auch um Reeva Steenkamp", sagte Arnold Pistorius, Onkel und Sprecher des 26-Jährigen. Pistorius hat am 14. Februar seine drei Jahre ältere Freundin Steenkamp in seinem Haus in Südafrikas Hauptstadt Pretoria erschossen. Das ehemalige Model war von vier Schüssen getroffen worden.

Das Umfeld des Sportstars ist weiterhin davon überzeugt, dass es sich bei der Tat um ein Unglück gehandelt hat. "Als Familie kennen wir Oscars Version zu den Vorfällen aus der Nacht und wissen, dass die Wahrheit in diesem Fall siegen wird", erklärte Arnold Pistorius. Der Prozess-Auftakt ist für den 4. Juni angesetzt.

Das Magistratsgericht in Pretoria hatte am Freitag nach viertägigen Verhandlungen entschieden, dass Pistorius freigelassen wird. Die Höhe der Kaution beträgt eine Million Rand (rund 85.000 Euro) in bar und Bürgschaften. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen einer möglichen Fluchtgefahr den Verbleib in der Untersuchungshaft angestrebt.

Pistorius wohnt bei Verwandten

Pistorius verließ das Gerichtsgebäude in einem silberfarbenen SUV und wird sich vorerst bei seinen Verwandten aufhalten. Der Südafrikaner darf sein Haus nicht betreten und in der Wohnanlage keinen Kontakt zu den Nachbarn aufnehmen. Er muss der Polizei seine Waffensammlung sowie alle Pässe übergeben und hat Alkoholverbot.

Ferner darf der sechsmalige Goldmedaillen-Gewinner bei Paralympics keinen internationalen Flughafen betreten, nicht mit Zeugen sprechen und muss jederzeit telefonisch erreichbar sein. Außerdem muss er einen Beamten jederzeit über seinen Aufenthaltsort informieren. Wenn er die Stadt verlassen möchte, muss er um Erlaubnis bitten.


zuletzt bearbeitet 23.02.2013 13:38 | nach oben springen

#9

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 23.02.2013 22:24
von Jonas • 615 Beiträge

Buch: Das Verschwinden der Frauen

Der Titel klingt sperrig, der Inhalt ist spannend. Denn es geht um ein lange unterschätztes Problem: Das ausgewogene Zahlenverhältnis zwischen Männern und Frauen gerät weltweit ins Wanken. In einigen Ländern gibt es heute schon wesentlich mehr Männer als Frauen. Für China ist das Problem bekannt: Die erzwungene Ein-Kind-Politik und die Vorliebe für Jungen führt immer wieder zur Abtreibung von weiblichen Feten. Oder Indien: Immer wieder liest man Geschichten von der Benachteiligung der Frauen, sogar von Kindstötung, wenn es ein Mädchen ist. In Asien fehlen deshalb rund 160 Millionen Frauen, so haben Wissenschaftler errechnet.

...


http://www.wdr5.de/sendungen/leonardo/s/...der-frauen.html

(gerade Beitrag im Radio gehört):

nach oben springen

#10

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 27.02.2013 20:54
von Lisadill • 744 Beiträge

Grelles Licht
Zum Mordprozeß gegen Olympiastar Pistorius
Von Christian Selz, Kapstadt

Staatsanwalt Gerrie Nel ist kein Mann, der sich von Tränen eines Angeklagten rühren läßt. Womöglich habe Oscar Pistorius nach den tödlichen Schüssen auf seine Freundin und später im Gerichtssaal nur deshalb geweint, weil er allmählich realisiere, daß das Leben, das er bisher gelebt habe, vorbei sei, so Nel. Geht es nach dem Chefankläger, sitzt Südafrikas Goldläufer der Paralympischen Spiele bald eine Haftstrafe wegen Mordes ab. Während des Prozesses ist der 26jährige Angeklagte gegen Kaution (eine Million Rand, etwa 86000 Euro) auf freiem Fuß.

Pistorius, soweit die Fakten, hat in der Nacht zum Valentinstag seine Freundin, das 29jährige Model Reeva Steenkamp, durch die verschlossene Badezimmertür seines Anwesens in der Hauptstadt Pretoria erschossen. Vorsätzlich, sagt Nel. Als Resultat eines tödlichen Irrtums, behauptet Pistorius. Welche Version die Wahrheit ist, darüber streitet nun ganz Südafrika.

Nachts um drei sei er wach geworden, meint der schwerreiche Werbestar (unter den Leichtathleten ist nur Usain Bold höher dotiert), habe einen Ventilator vom Balkon geholt und die Schiebetür geschlossen. Geräusche aus dem Bad hätten ihn an einen Einbrecher glauben und seine Neun-Millimeter-Pistole unter dem Bett hervorholen lassen. Er habe den vermeintlichen Eindringling durch die Badezimmertür angeschrien und schließlich durch die Tür geschossen. Das sei mit den Spuren am Tatort vereinbar, erklärte Hauptermittler Hilton Botha, bevor er abgesetzt wurde, weil gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen siebenfachen versuchten Mordes läuft – eine Nebengeschichte, die ein grelles Licht auf die Zustände in Südafrika wirft.

Pistorius’ Aussage läßt Fragen offen. Warum hat er nicht bemerkt, daß Steenkamp nicht im Bett lag, als er die Pistole holte? Warum hat er sie nicht gehört, als er sie anschrie, die Polizei zu rufen? Warum vier Schüsse? Aus seiner »schrecklichen Angst vor Gewaltverbrechen«, sagt er. Die Suche nach überzeugenderen Antworten brachte Details an die Öffentlichkeit, die einen anderen Pistorius zeigen als den Nationalhelden, der gegen alle Wahrscheinlichkeiten vom körperbehinderten Kleinkind zum gefeierten Olympiastar wurde. Da gab es bei einem Bootsunfall mal reichlich leere Flaschen an Bord, ohne daß die Polizei einen Bluttest veranlaßte. Eine jungen Frau hat ihn angezeigt, die er aus seiner Wohnung warf und beim Zuschlagen der Tür verletzte. Die Polizei erwähnte einen Fall häuslicher Gewalt, die Nachbarn laute Streitereien, und eine Exfreundin nannte Pistorius einen »ultimativen Spieler«. Ein Journalist berichtete von einer rasanten Spritztour auf einem Schießplatz. In einem Johannesburger Restaurant feuerte er mit einer Pistole unabsichtlich in den Boden. Belangt wurde Pistorius nie, er wußte sein Image sauber zu halten – bis jetzt.

»Südafrika bringt diese Männer hervor«, titelte die führende Wochenzeitung Mail & Guardian nach der Tat und stellte sie in Zusammenhang mit einer gewalttätigen Machogesellschaft der Stärkeren. Es geht um mehr als Mord oder fahrlässige Tötung. Der Prozeß wird Südafrika in Atem halten wie kaum ein anderer, das Internetmagazin Daily Maverick verglich ihn schon mit dem Mordprozeß gegen den Footballspieler OJ Simpson Mitte der 90er. Übertrieben war das nicht, zumal das Thema häusliche Gewalt die öffentliche Agenda in Südafrika schon vor der Tatnacht dominierte. Es geht in diesen Debatten um weiße Angst und eine von Apartheid traumatisierte Gesellschaft mit einer weltweit kaum erreichten Zahl an Morden und Opfern von Handfeuerwaffen.

Staatsanwalt Nel scheint diese Fässer lieber nicht aufmachen zu wollen. Er wirft Pistorius vor, die Tragweite seines Handelns noch nicht zu erkennen und bleibt bei den Fakten: »Ein Mensch ist jetzt tot.« Doch das beschreibt die Dimensionen nicht annähernd. Oscar Pistorius hat nicht nur Reeva Steenkamp erschossen, er hat mit seiner Badezimmertür den Heldenmythos eines Landes durchlöchert.

nach oben springen

#11

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 01.03.2013 16:43
von Lisadill • 744 Beiträge

http://www.youtube.com/watch?v=7CoUXI5Tk-o

sehr interessanter Vortrag von Alice Schwazer

nach oben springen

#12

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 11.03.2013 13:42
von Lisadill • 744 Beiträge

Offener Brief anlässlich der Sexismus-Debatte
3. März 2013

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

verblüfft und erschüttert haben wir Ihre jüngsten Äußerungen zur Sexismus-Debatte im SPIEGEL gelesen. Wir suchen das Gespräch mit Ihnen und möchten Ihnen erklären, warum uns Ihre Haltung irritiert und bestürzt.

Zunächst: Die Debatte um das Verhalten Rainer Brüderles kann mit der anschließenden Sexismus-Debatte nicht gleichgesetzt werden. Wer dies tut, reduziert ein strukturelles Problem auf einen Einzelfall. Der Fall Brüderle war lediglich Auslöser für eine überfällige öffentliche Diskussion. Sexismus ist ein Thema, das uns alle betrifft. Für viele Menschen sind diese Erfahrungen Teil ihres Alltags: im Beruf, in der Ausbildung, auf der Straße, im privaten Umfeld oder im öffentlichen Raum. Wer die Debatte in den letzten Wochen aufmerksam verfolgt hat, musste zu der Erkenntnis kommen, dass Sexismus ein gesellschaftliches Thema ist, das unzählige Menschen betrifft. In den europäischen Nachbarländern und weltweit finden ähnliche Debatten statt, die belegen, wie groß und wichtig das Thema für Zusammenleben, Gleichberechtigung und Freiheit ist.

Wir erwarten von einem Bundespräsidenten, dass er reflektiert zu gesellschaftlichen Debatten Position bezieht und sich umfassend mit ihnen auseinandersetzt. Wir vermissen in Ihren Äußerungen vor allem Feingefühl und Respekt gegenüber all den Frauen, die sexistische Erfahrungen gemacht haben. Statt auf die Inhalte der Diskussionen einzugehen, die wiederholt von vielen Menschen differenziert diskutiert wurden, sprechen Sie davon, dass Sie eine „gravierende, flächendeckende Fehlhaltung von Männern gegenüber Frauen [...] hierzulande nicht erkennen“ können. Von solch einer flächendeckenden Fehlhaltung haben insbesondere die Unterstützer_innen des #Aufschrei nie gesprochen. Stattdessen wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass es nicht um eine sog. „Kollektivschuld“ der Männer geht. Doch die Masse der Einzelerlebnisse verdeutlicht, dass es sich bei Sexismus und sexuellen Übergriffen um ein kollektives Phänomen handelt, das strukturell begünstigt wird. Häufig geschehen Übergriffe und Sexismen in Machtstrukturen; Machtpositionen und Abhängigkeiten werden ausgenutzt. Die im Zuge des #Aufschrei zusammengetragenen Alltagserfahrungen werden untermauert von wissenschaftlichen Belegen: So zeigt die Studie „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen“ im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dass 58 Prozent aller befragten Frauen bereits Situationen sexueller Belästigung erlebt haben. Durch den #Aufschrei und die anschließende Debatte sind diese anonymen Statistiken nun zu konkreten Geschichten geworden. Das sollte uns alle traurig stimmen, aber auch dazu bewegen, aktiv zu werden. Jede einzelne Person, aber auch die Politik, ist hier in der Verantwortung, gesellschaftlich etwas zu bewegen. Denn Sie haben ganz Recht: Ein Miteinander ohne Engagement funktioniert nicht. Genau das war der Grund für den #Aufschrei.

Die Debatte als „hochgejazzt“ und von den Medien gehypt zu bezeichnen, wird ihr nicht nur nicht gerecht, es tritt sie mit Füßen. Ihr Urteil widerspricht Ihrem Wunsch nach mehr politischem Engagement von Bürger_innen. Statt auf die Probleme der hier lebenden Menschen einzugehen, verweisen Sie auf Konflikte in Mali. Sie nehmen hier einen Vergleich vor, den keine von uns ziehen wollte und lenken ab. In einem Punkt haben Sie allerdings Recht: Wir vergeuden in Deutschland tagelang unsere Zeit, um über Äußerungen eines einzelnen Politikers zu diskutieren. Dies ist jedoch symptomatisch und trifft somit genau Ihr Anliegen: Nur gemeinsam und vor allem durch Multiplikator_innen wie Sie können wir die Debatte weg von Einzelpersonen hin zum Kernthema lenken. Viele Bürger_innen haben über ihre Geschichten und ihr Engagement die Wichtigkeit der Debatte bewiesen, auch Politiker_innen haben dazu aufgefordert, das Thema ernst zu nehmen. Diese Ernsthaftigkeit vermissen wir bei Ihnen.

Durch die Verwendung des Wortes „Tugendfuror“ bringen Sie erniedrigende, verletzende oder traumatisierende Erlebnisse sowie das Anliegen, diese Erfahrungen endlich sichtbar zu machen, in Verbindung mit dem Begriff „Furie“. Dieser Begriff wird ähnlich wie „Hysterie“ abwertend verwendet, um die Wut von Frauen lächerlich zu machen und als Überemotionalität zu deklassieren. Damit bedienen Sie jahrhundertealte Stereotype über Frauen – Stereotype, die sexistische Strukturen aufrecht erhalten und Geschlechtergerechtigkeit im Weg stehen. Die Unterstützer_innen des #Aufschrei pochen nicht auf verstaubte Tugenden. Das Gegenteil ist der Fall: Wir wünschen uns moderne Rollenbilder und einen Umgang der Geschlechter miteinander, der Gleichberechtigung anerkennt. Für uns bedeutet das, dass wir uns alle frei bewegen können, ohne Gefahr zu laufen, belästigt oder geringgeschätzt zu werden oder Gewalt zu erfahren. Der Begriff „Tugend“ passt vielleicht in die Zeit von Emilia Galotti, in der Frauen noch von ihren Vätern und Ehemännern bestimmt wurden, aber ganz sicher nicht in diese emanzipatorische Bewegung. Zu den weiblichen Tugenden gehörte unter anderem, demütig den Kopf zu senken, keine eigene Meinung zu vertreten und bis zur Ehe „jungfräulich“ zu bleiben. Dieses Frauenbild muss der Vergangenheit angehören.

Wir wünschen uns Respekt für die Gefühle und Erfahrungen Betroffener und auch für die Arbeit der Menschen, die sich für Geschlechtergerechtigkeit engagieren. Viele Frauen haben lange geschwiegen und sich erst jetzt getraut, ihre Erfahrungen zu teilen. Die Heftigkeit entsteht aus der Masse an Erfahrungen, die hier sichtbar geworden ist. Genau deswegen müssen sie ernstgenommen werden. An dieser Stelle ist es mehr denn je angebracht, ihnen zuzuhören und solidarisch zu sein. Auch das ist eine Form von Freiheit - die Freiheit, offen über Erlebnisse sprechen zu können. Nicht angebracht ist es hingegen, diese Erfahrungen öffentlich abzuwerten und den Mut dieser Menschen klein zu machen.

Dass gerade Sie als Bundespräsident und großer Verfechter der Freiheit sich von dieser wichtigen Debatte abgrenzen und sie nicht als wichtiges Thema begreifen, macht uns große Sorgen. Es geht hier nicht um eine „Frauenfrage“, sondern um eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit, die in der Verfassung verankert ist. Geschlechtergerechtigkeit kann nur dann gelingen, wenn alle dazu beitragen und Verantwortung übernehmen – „diesen Prozess sollte die ganze Gesellschaft vollziehen“, wie Sie so schön sagten. Nutzen Sie die Woche vor dem Internationalen Frauentag, um den hier lebenden Frauen den Rücken zu stärken. Helfen Sie, diese Gesellschaft zu verändern, damit alle Menschen in Freiheit und Würde leben können.

Wir haben Ihnen zu Ihrer Information einen wissenschaftlichen Kommentar von Mitarbeiter_innen der Fakultät für Psychologie der Universität Bielefeld, sowie ausgewählte persönliche Erfahrungsberichte angehängt. Reden Sie mit Frauen in Ihrem Umfeld, laden Sie zu Gesprächen ein. Lesen Sie die Geschichten, die auf Twitter unter #Aufschrei und auf Alltagssexismus.de beschrieben werden. Lesen Sie, hören Sie zu und sagen Sie dann noch einmal, es handele sich hier lediglich um einen nicht ernst zu nehmenden „Tugendfuror“.

Wir möchten den Brief gerne mit einem Zitat von Ihnen schließen: „Wir müssten gemeinsam darauf achten, dass wir Verantwortung wirklich ernst nehmen, dass wir uns korrigieren, wenn etwas nicht klappt.“ In diesem Sinne: Über eine Antwort freuen wir uns!

Mit freundlichen Grüßen
Yasmina Banaszczuk

Teresa Bücker

Lucie Höhler

Anna-Katharina Meßmer

Jasna Lisha Strick

Nicole von Horst

Anne Wizorek


Kommentar von Mitarbeiter_innen der Fakultät für Psychologie der Uni Bielefeld

Auch unterschreiben?

nach oben springen

#13

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 21.03.2013 07:43
von Lisadill • 744 Beiträge

"Viele verlieren ihre Träume"

Im Gespräch Nach der brutalen Gruppenvergewaltigung in Indien organisierte der 25-jährige Brijendra Pratap Singh Proteste gegen die Unterdrückung von Frauen. Was hat sich verändert?
"Viele verlieren ihre Träume"

Im Januar demonstrierten Tausende – wie hier in Neu-Delhi – gegen Gewalt gegen Frauen. Mittlerweile sind die Proteste weniger geworden

Foto: Raveendran / AFP

Der Freitag: Nach der Gruppenvergewaltigung, an deren Folgen eine 23-jährige Studentin im Dezember starb, gingen in Indien Tausende auf die Straße, um für Frauenrechte zu protestieren. Wie sieht das drei Monate später aus?

Brijendra Pratap Singh: Im Moment gibt es nur noch sehr wenige Proteste. Unsere Organisation „Save Women, save India“ und einige andere versuchen den Druck aufrechtzuerhalten, aber viele Leute wenden sich ab. Die Resonanz ist sehr gering. Die Bedeutung der Sache geht mit etwas zeitlichem Abstand wieder verloren und die eigene Karriere und all die anderen Sorgen des Alltags gewinnen wieder an Bedeutung. Trotzdem hat sich auch schon einiges verändert.

Was denn?

Das Bewusstsein, wie man Frauen in der Öffentlichkeit behandelt, hat sich zumindest teilweise gewandelt. Vor dem 16. Dezember gab es auch ähnliche Vorfälle, mit dem Unterschied, dass die Menschen damals nichts darüber erfuhren oder dass sie den Frauen nicht glaubten. Jetzt gibt es eine höhere Sensibilität. Nehmen wir die öffentlichen Verkehrsmittel: Früher schritten vielleicht 30 Prozent der Mitfahrer ein, wenn eine Frau dort belästigt wurde. Jetzt, nach dem Vorfall, sind es deutlich mehr. Das Problem ist aber, dass diese Vorfälle nichts langfristig verändern. Nach fünf bis sechs Monaten vergessen die Menschen alles wieder.

Wie wird das Gerichtsverfahren gegen die mutmaßlichen Täter wahrgenommen?

Über das Gerichtsverfahren wissen wir nicht viel, die Medien und das Publikum sind ausgeschlossen. Wir wissen nur, dass die Gerichtsverhandlung momentan läuft. Genauso wie andere Fälle vorher wird auch dieser im Eilverfahren verhandelt.

Am vergangenen Wochenende wurde der mutmaßliche Haupttäter erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Wie hat die indische Öffentlichkeit darauf reagiert?

Mit gemischten Reaktionen. Ich bemerke eine gewisse Erleichterung bei vielen. Einige sagen, sie seien glücklich über seinen Tod – anderen sagen, er hätte vorher noch mehr leiden müssen.

Das Bedürfnis nach Rache ist offenbar groß. Bei den Protesten forderten viele die Todesstrafe für alle Angeklagten ...

Ich kann diese Forderung verstehen, ich bin aber der Meinung, dass die Todesstrafe keine Lösung ist. Der Täter muss verstehen lernen, was er falsch gemacht hat. Eine lebenslange Haft ist daher viel sinnvoller.

Was hat die Politik getan?

Sie hat angekündigt, die Gesetze zu verschärfen. Momentan wird man für eine Vergewaltigung mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft. Demnächst soll einem Täter lebenslange Haft drohen.

Ihre Organisation will nach eigener Aussage Menschen motivieren, sich und das System zu ändern. Wie gehen Sie da vor?

„Save Women, save India“ ist ein Team aus 300 bis 400 Mitgliedern. Wir sind eine gemeinnützige Organisation. Einmal in der Woche gehen wir in Gruppen zu verschiedenen öffentlichen Plätzen und versuchen über Gespräche, die Sichtweise von Männern in Bezug auf Frauendiskriminierung und Gewalt zu ändern. Unser Kampf ist vor allem im alltäglichen Leben wichtig – wir versuchen da auch, Vorbild zu sein. Zum Beispiel wenn ich auf der Straße unterwegs bin und in eine Situation gerate, in der eine Frau belästigt wird. Dann versuche ich die Männer zu überzeugen, die Frau nicht so zu behandeln. In den meisten Fällen kann man mit Worten wirklich etwas bewegen, manchmal müssen wir die Polizei rufen.

„Save Women, save India“ gab es schon vor der Vergewaltigung vom 16. Dezember. Was war der Anlass für die Gründung?

Indien ist ein Land, in dem sehr viele Menschen immer noch glauben, dass es richtig ist, dass Männer über Frauen bestimmen. Das will ich ändern.

Gab es ein konkretes Ereignis als Auslöser?

Ja, ich hatte eine Freundin aus Kindertagen. Irgendwann erzählte sie mir, dass sie ihren Master in Biotechnologie machen möchte, aber ihre Eltern, die sehr konservativ waren, verboten ihr das Studium. Sie erzählte uns befreundeten Jungs davon und wir dachten, wir könnten ihre Eltern überzeugen. Doch ihr Vater sagte, aufgrund der Tradition wäre es an der Zeit, dass sie verheiratet würde. Mittlerweile hat sie zwei Kinder, einen Ehemann – und all ihre Träume verloren. Nach diesem Erlebnis erkannten ich und meine Freunde, dass es viele Mädchen mit diesen Problemen gibt. Das war der Ausgangspunkt.

Ihre Organisation war eine der federführenden bei den Protesten. Hat Sie die Größe der Demos überrascht?

Ja, als mein Team und ich die Demonstrationen planten, wussten wir zwar, dass die Menschen wütend waren, aber dass so viele Leute kommen würden, hatten wir nicht erwartet. Als wir beschlossen zu protestieren, schworen wir uns, es für die Sache zu tun – ganz egal wie viele kämen.

Die Proteste entzündeten sich an einem bestimmten Fall, der aber ja bei weitem kein Einzelfall ist. Woher kommt die viele Gewalt gegen Frauen?

Es ist ein soziales Problem. Man muss zwischen Oberschicht, Mittelschicht und Unterschicht unterscheiden. In der Oberschicht arbeiten die Männer in internationalen Firmen in Führungspositionen. Sie sind weltoffen und aufgeklärt, was die Stellung der Frau betrifft. Viele Männer in der Mittelschicht sind verwirrt. Sie wissen gar nicht, wie sie sich verhalten sollen. In der Unterschicht sind sich die Männer sicher, das die Rolle der Frau im Hause ist.

Wie zeigt sich das im Alltag?

Nehmen wir die Vorstellungen zur Frau in der Öffentlichkeit: Die Unterschicht sagt, die Frau soll besser nicht in die Öffentlichkeit gehen, die Mittelschicht ist sich nicht sicher, was sie darüber denken soll – und die Oberschicht denkt: Ja, klar soll die Frau rausgehen. Das führt dazu, dass Frauen sich in der Öffentlichkeit bewegen und da auf Menschen treffen, die nicht verstehen können, was Frauen außerhalb ihres Zuhauses machen.

Aber warum gibt es noch so

große Unterschiede?

Ich glaube, schuld daran ist ein Mangel an Informationen. In den vergangenen Jahren veränderten die neuen Technologien dramatisch den Lebensalltag vieler Menschen. Es gibt neue Berufsfelder, der Informationszufluss ist anders, auch internationaler – und ein Schwarm an neuen Ideen kommt ins Land. Viele der älteren Generation haben aber keinen Zugang zu diesem Wissen und somit hat sich deren Horizont nicht verändert.

Also stimmt das Bild, das viele Medien zeichneten: Hier die armen, ungebildeten, rückständigen Vergewaltiger – dort die aufgeklärten, bessergestellten, emanzipierten Männer?

Ja, Bildung spielt eine große Rolle. Aber: Sie ist auch nicht allein dafür verantwortlich, wie Männer eine Frau behandeln. Übergriffe von gebildeten Männern sind seltener, aber es gibt sie.

Müssen nicht viele Männer auch ihr Verhalten überdenken, ohne dass sie schon gewalttätig gegen Frauen geworden sind?

Es ist unglaublich wichtig für Männer, ihr Verhalten gegenüber Frauen zu reflektieren. Viele Frauen werden in der Öffentlichkeit abwertend oder in vulgärem Ton angesprochen. Dabei geht es doch einfach darum, sie zu respektieren, statt sie zu demütigen.

Was würden Sie sich wünschen?

Frauen sollten so unabhängig sein, dass sie über sich selbst entscheiden können. Das ist das Einzige, was man ihnen geben sollte. Alles andere holen sie sich selbst.

Welches Geschlechterverhältnis wurde Ihnen selbst von Ihren Eltern vorgelebt?

Ich komme aus der oberen Mittelschicht – und ich wurde sehr frei erzogen. Ich war in einer gemischten Schule und meine Eltern verboten mir nie, mit Mädchen zu spielen. Was in manchen Teilen Indiens nicht so selbstverständlich ist, wie es aus westlicher Sicht wirken mag. Meine Eltern waren sehr aufgeklärt und weitsichtig. Mein Vater hat ein eigenes Unternehmen, meine Mutter arbeitete lange als Anwältin. Momentan ist sie aber zuhause.

Und wie kann man langfristig die indische Gesellschaft verändern? Nur über Demos und Facebook-Gruppen wird das nicht gehen ...

Demonstrationen und Facebook-Gruppen sind sicher nicht die ultimative Lösung, vor allem nicht auf Dauer. Es ist aber ein Anfang. Unser nächster Schritt ist, dass wir uns mit Menschen unterhalten. Manche teilen unsere Meinung nicht, manche respektieren uns, aber die meisten hören uns auf jeden Fall zu. Und wenn ich nur zehn Prozent der getroffenen Menschen überzeugen kann, dann ist das ein gutes Ergebnis.

Also eine Politik der kleinen Schritte?

Irgendwo muss man ja anfangen. Ich bin mir bewusst, dass unsere Organisation allein nicht die Lösung ist, aber wir sind Teil der Lösung. Wir können Menschen nur inspirieren. Sie müssen für sich selbst erkennen, was sie als falsch empfinden und was nicht gut läuft. Und wenn sie dann bereit sind, etwas zu ändern, werden sie es tun, aber sie müssen es aus sich selbst heraus machen.

Das Gespräch führte Evi Lemberger

nach oben springen

#14

RE: one billion rising/ Aufstand der Frauen ,am Stachus!

in München 22.03.2013 23:02
von Lisadill • 744 Beiträge
nach oben springen


Besucher
0 Mitglieder und 20 Gäste sind Online

Forum Statistiken
Das Forum hat 1058 Themen und 5119 Beiträge.

Besucherrekord: 800 Benutzer (29.03.2015 23:04).