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Schlimmer als gedacht
Reichensteuer nötiger denn je. An Argumenten fehlt es nicht. Studie zeigt, die Einkommensverteilung ist noch ungerechter als bisher gedacht
Von Rainer Rupp
Unangefochten an der Spitze der Verwalter versteckter Finanzvermögen: UBS-Filiale in Londoner City
Foto: AP
In Deutschland wird wieder über eine sogenannte Reichensteuer debattiert. Erhellend für alle Beteiligten könnte ein Blick in die jüngst veröffentlichte Studie des US-Instituts Netzwerk für Steuergerechtigkeit sein. Die Ergebnisse dieser weltweit durchgeführten Untersuchungen zeigen, daß alle bisherigen Vorstellungen einer ungerechten Einkommensverteilung in den kapitalistischen Metropolen viel zu niedrig greifen. Den Grund dafür sehen die Autoren in der Beschränkund der bisherigen Untersuchungen über Arme und Reiche auf den Nationalstaat. Dadurch würde nur das innerhalb der jeweiligen Staaten angehäufte Vermögen zur Basis genommen. Geld, das mit Hilfe von Banken in ausländische Steuerparadiese transferiert wird, bliebe unberücksichtigt.
Unter Leitung des Ökonomen James Henry haben die Forscher des »Tax Justice Network« (TJN) nun diese Steuerparadiese unter die Lupe genommen. Die nötigen Daten lieferten der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, die Vereinten Nationen und die jeweiligen Zentralbanken der Länder. Ihr Ergebnis dürfte sogar die Verfechter einer Vermögenssteuer überraschen: Die versteckten Vermögen sind gigantischer als bisher angenommen. Die Rechen und Superreichen parken demnach bis zu 32 Billionen US-Dollar und damit in etwa die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts in den Finanzzentren der internationalen Steuerparadiese. Und das ist eine konservative Schätzung. Tatsächlich dürfte die Betrag sogar noch höher sein. Denn die Experten des TJN haben sich auf die Finanzguthaben der Milliardäre beschränkt. Palastartige Immobilien, zig Millionen teure Yachten und andere Luxusgüter wurden nicht berücksichtigt.
Verwaltet wird dieses Geld von wenigen Banken. Bei den 50 größten Kreditinstituten lagerten Ende 2010 allein 12,1 Billionen US-Dollar an grenzüberschreitenden Kapitalanlagen von Privatkunden, einschließlich ihrer Trusts und Stiftungen. Im Jahre 2005 waren es noch 5,4 Billionen US-Dollar gewesen. Der Anstieg entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von mehr als 16 Prozent. Und er belegt, wie stark die Reichen und Superreichen von Finanzkrise und Bankenrettungen auf Kosten der lohnabhängigen Steuerzahler profitiert haben.
Unangefochten an der Spitze der Verwalter versteckter Finanzvermögen liegt dabei die Schweizer Großbank UBS, bei der 2005 insgesamt 1,6 Billionen und 2009 sogar 1,8 Billionen US-Dollar geparkt waren. Hinter ihr folgen die Crédit Suisse und das US-Geldhaus Goldman Sachs.
Die Deutsche Bank hat in der Rangliste Platz sechs eingenommen, mit 180 Milliarden im Jahr 2005, 464 Milliarden im Jahr 2009. Für 2010 mußte das größte deutsche Kreditinstitut einen leichten Rückgang ihrer Milliardärseinlagen auf 367 Milliarden US-Dollar verbuchen.
Für deutsche Steuerzahler stellt die Entwicklung der Commerzbank in diesem dunklen Geschäft den wohl interessantesten Fall dar. Seit der Finanzkrise wurde die Bank nur mit Steuergeldern über Wasser gehalten. Von 2005 bis 2010 legte sie mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von fast 50 Prozent die höchste Zuwachsrate aller Banken bei der internationalen Verwaltung von Fluchtvermögen hin. Schlußfolgerungen, diese Entwicklung habe mit einem besonders aggressiven Marketing für potentielle Steuerflüchtlinge zu tun, liegen nahe. Im Jahr 2005 verwaltete die Commerzbank laut TJN-Bericht ein Vermögen in Höhe von 30 Milliarden und lag damit auf Platz 36. Vier Jahre später waren es bereits 207 Milliarden US-Dollar, und im Jahr 2010 war die Bank mit 225 Milliarden US-Dollar auf Platz 14 der Rangliste aufgestiegen. Wird hier die Steuerflucht der Reichen und Superreichen mit Hilfe von Bankenrettungsgeldern aus den Taschen der kleinen Leute ermöglicht? Auch diese Frage drängt sich auf.
Legt man für die in Steuerparadiesen geparkten 32 Billionen US-Dollar nur eine bescheidene Rendite von drei Prozent im Jahr zugrunde und würden diese Zinseinnahmen zu einem moderaten Steuersatz von nur 30 Prozent besteuert, dann würden die öffentlichen Einnahmen der geprellten Ländern jährlich um 280 Milliarden US-Dollar steigen. Durch entsprechende Erbschafts-, Kapitalgewinn- und sonstige Abgaben wäre dieser Betrag sogar noch zu steigern. Auch sind Immobilien und andere Werte noch nicht in die Berechnung des Geldvermögens eingegangen.
Die Reichen und Superreichen, die nur zu gerne als »Leistungsträger« über gesellschaftliche Entwicklungen entscheiden, haben sich längst aus der Finanzierung des Gemeinwesens verabschiedet. Der weitaus größte Anteil des Steueraufkommens wird von den lohnabhängigen »kleinen Leuten« bezahlt. Sie haben keine Möglichkeiten, komplexe »Steuersparmodelle« zu nutzen oder Gewinne im Ausland anfallen zu lassen. Damit das so bleibt, werden derzeit »Forschungsinstitute« und Medien massiv gegen die Idee der so genannten Reichensteuer mobilisiert. Der Bund der Steuerzahler, der sich dieser Tage als Hauptkritiker einer Reichensteuer generiert, spielt hier eine besonders üble Rolle.
Link zum vorangehenden Artikel:
Tax Justice Network: http://www.taxjustice.net
mir wird ganz gruslig
Kollektiver Abgesang
Großbanken rechnen mit Zusammenbruch des gemeinsamen Währung. Kapitalflucht aus Euro-Zone nimmt immer stärker zu
Von Rainer Rupp
»Heimliche Anstürme auf die Banken«: Aus Spanien wurden in der ersten Hälfte 2012 über 163 Milliarden Euro abgezogen
Foto: Reuters
Anlage-Experten der Deutschen Bank halten inzwischen den Zusammenbruch der gemeinsamen Währung für »ein sehr wahrscheinliches Szenario«. Auch Deutschlands zweitgrößtes Geldhaus, die Commerzbank, signalisiert »Sorge« vor einem Kollaps der Euro-Zone. In ihrem aktuellen Quartalsbericht, der letzte Woche veröffentlicht wurde, heißt es, daß ein neuer Schock durch die Eskalation der Schuldenkrise zum Zusammenbruch der Währungsunion führen könnte. Diese Gefahr sei derzeit größer als im Herbst letzten Jahres.
Der italienische Ministerpräsident Mario Monti warnte derweil vor dem »psychologischen Auseinanderbrechen« Europas, falls die Euro-Krise nicht bald gelöst würde. Der befürchtete Bruch hat jedoch schon längst eingesetzt, insbesondere dort, wo die Menschen im Euro und in den Brüsseler Eurokraten eine akute Bedrohung ihrer bisherigen Lebensweise, ihrer Jobs und der Zukunft ihrer Kinder sehen. So wächst auch der Druck auf die Parlamentarier in allen Mitgliedsländern. Doch dagegen hat der demokratisch nicht legitimierte, sondern von den Finanzmärkten als »Experte« in das Amt des Ministerpräsident gehievte Monti ein Gegenmittel parat. In einem Gespräch mit dem Spiegel am 5. August hat er die Regierungen der Euro-Zone aufgefordert, sich über alle Bedenken und Beschlüsse ihrer nationalen Parlamente hinwegsetzen. Nur so sei der Euro zu retten.
Da auch Bundeskanzlerin Angela Merkel schon einmal vom Bundestag eine »marktkonforme Demokratie« gefordert hat, hatte sich Monti mit seinem Spiegel-Interview in Deutschland auf sicherem Parkett geglaubt. Umso mehr mußte er von der Welle der (geheuchelten) Empörung der sonst mit den »Märkten« aufs engste verflochtenen deutschen Konzermedien überrascht worden sein. Was Monti allerdings mit seiner Forderung nicht bedacht hatte, war, daß er seine Bemerkungen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt machte, zu dem das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit vom ESM-Rettungsschirm und Fiskalpakt entscheiden wird. Am 12. September wollen die Richter ihr Ergebnis verkünden.
Derweil gewinnt die Kapitalflucht aus der Euro-Zone an Geschwindigkeit. Laut DK Matei, Chef von ATCA, eines Zusammenschlusses der globalen Wirtschafts- und Finanzelite, hat der Abzug »wirklich beachtliche« Dimensionen erreicht. »Heimliche Anstürme auf die Banken« gebe es inzwischen in allen Ländern der Euro-Zone. Bis Anfang des Jahres seien sie noch relativ langsam gewesen. Aber in den vergangenen Monaten hätten sie sich »deutlich beschleunigt«. Er forderte eine »dringende Antwort der Politik«. Aber von der komme nichts, so Matei in seiner Analyse vom 10. August. Spanien etwa habe allein im Mai 41,3 Milliarden Euro verloren. Insgesamt hätten in der ersten Hälfte des Jahres 2012 über 163 Milliarden Euro das Land verlassen. Das entspricht etwa 16 Prozent des dortigen Bruttoinlandsproduktes (BIP). Dabei bleibt das Fluchtkapital immer seltener in der Euro-Zone, sondern begibt sich in vermeintlich sichere Häfen außerhalb. Insgesamt macht er drei Tends aus. Ausländer, die ihr Geld abziehen, um damit dem Risiko einer Abwertung der Gemeinschaftswährung oder eines Staatsbankrotts zu entgehen; Bürger der Euro-Zone, die ihre Einlagen von unsicheren Banken an größere und stärkere Institute im Zentrum der Euro-Zone überweisen und schließlich Bürger in allen Ländern der Euro-Zone, die ihr Geld außerhalb des Währungsraums in Sicherheit bringen, um sich gegen die Verluste der erwarteten Abwertung zu schützen.
ATCA-Experten schätzen, daß der Euro-Zone in den kommenden zwei Jahren insgesamt Abflüsse zwischen 750 Milliarden und 1250 Milliarden Dollar pro Jahr bevorstehen. Alle Bankeinlagen im Währungsraum summieren sich auf rund 7600 Milliarden Euro, wovon 5900 Milliarden privaten Haushalten gehören. Dabei seien die Haushalte in den peripheren Ländern, die über 1800 Milliarden Euro an Bankeinlagen verfügen, am anfälligsten für die Kapitalflucht.
Infolge dessen hat der Euro in den letzten drei Monaten rund fünf Prozent seines Wertes gegenüber einem Korb der wichtigsten anderen Währungen verloren. Gegenüber dem US-Dollar waren es sogar rund acht Prozent. Auf dem Weg in den Keller rechnen Experten als nächste Zwischenetappe für den Euro mit einem Tauschverhältnis von 1 zu 1 zum Dollar.
Diese Entwicklung engt den ohnehin geringen Spielraum der Politiker noch weiter ein. Denn welch internationaler Investor soll bei diesen Abwertungsaussichten noch Staatsanleihen aus der ohnehin unsicheren Euro-Zone kaufen? Zugleich fehlt es zunehmend an Geld, um die Euro-Staatsanleihen zu finanzieren. Um den längst überfälligen Bankrott der Währung doch noch weiter hinauszuschieben, bleibt Europas Politik gar nichts anderes übrig, als die Notendruckpresse der Europäischen Zentralbank auf Hochtouren laufen zu lassen. Das aber wird zu einer noch stärkeren Entwertung, weiter sinkenden Wechselkursen und höheren Importpreise führen. Und am Ende könnte doch der Bankrott kommen, diesmal nur nicht mehr allein für Griechenland, Portugal, Spanien und Italien, sondern für alle Euro-Staaten, einschließlich Deutschland.
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