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#1

Fiskalpakt-"Attacke aufs Grundgesetz"

in Gesellschaft 26.06.2012 20:08
von Lisadill • 744 Beiträge

Attacke aufs Grundgesetz
Am Freitag soll in Bundestag und Bundesrat der »Europäische Fiskalpakt« mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden. Ein Kommentar
Von Alexander Ulrich

Protestaktion gegen EU-Fiskalpakt am 19. Mai in Frankfurt am Main
Foto: Eoghan OLionnain (Cl BY-SA2.0)
In Berlin haben sich die Parteispitzen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen auf einen Kompromiß geeinigt. Die Regierung wollte den Europäischen Fiskalpakt unbedingt noch vor der Sommerpause durch das Parlament pauken. Nachdem auch der Länderrat von Bündnis 90/Die Grünen zugestimmt hat und mit den Bundesländern ein Deal eingetütet wurde, dürfte das bei der Abstimmung am Freitag (29. Juni) voraussichtlich gelingen.

Der Weg dorthin war mühsam. Die Regierung braucht im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit und ist deswegen auf Stimmen der Opposition angewiesen. SPD und Grüne haben nichts dagegen, hier behilflich zu sein. Allerdings, so heißt es, wollte man keine reine Sparpolitik akzeptieren. Statt dessen sollten auch Wachstums­impulse gesetzt und die Einnahmen der Staaten erhöht werden. Entsprechende Zugeständnisse seitens der Regierung wollte man im Kuhhandel gegen die Stimmen für den Fiskalpakt durchsetzten.

Diese Strategie hatte von Anfang an einen Haken. SPD und Grüne haben zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Erwägung gezogen, den Pakt abzulehnen. Eine solche Möglichkeit wird von den Parteispitzen – vollkommen unabhängig von seinen Inhalten – als antieuropäisch interpretiert. Und da man proeuropäisch ist, stand die Zustimmung nie ernsthaft in Frage. Zumindest so lange man in den Verhandlungen sein Gesicht einigermaßen wahren konnte. Das wußte und weiß natürlich auch die Regierung. Deswegen ging es weniger um Zugeständnisse, sondern darum, SPD und Grüne mit erhobenem Haupt aus dem Verhandlungsraum schreiten zu lassen.

Eine solche Lösung wurde nun gefunden: Die Regierung erneuert ihr Lippenbekenntnis zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer und sagt zu, dies auch zu wollen, wenn nicht die ganze EU mitmacht. Zudem gibt es ein paar Beschlüsse, die man als Wachstumsimpulse verkaufen kann. Im wesentlichen hat die Regierung zugesagt, sich dafür einzusetzen, daß ohnehin vorhandene EU-Gelder für Investitionen in Wachstum und Beschäftigung effizienter eingesetzt werden sollen. Zusätzliche Mittel soll es nur in sehr geringem Umfang geben. Abgerundet wird das Ganze durch ein sogenanntes Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit. Enthalten sind vor allem ein paar Zugeständnisse. So will sich die Bundesregierung in der EU für dieses und jenes einsetzten, es brauche zudem bessere Anreize für Unternehmen, Jugendliche auszubilden. Insgesamt ist der »Verhandlungserfolg« von SPD und Grünen das, was zu erwarten war – ein schlechter Witz.

Die Argumentationslogik beider Oppositionsparteien ist dabei genauso fragwürdig wie die Strategie. Eine Zustimmung zum Fiskalpakt ist nicht proeuropäisch. Der Pakt bedeutet einen heftigen Angriff auf soziale Rechte in ganz Europa. 25 von 27 Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, würden damit zu weitreichenden Ausgabenkürzungen gezwungen werden. Das bedeutet Sozialabbau mit Verfassungsrang. Was aber ist an einem solchen Vertragswerk proeuropäisch, das die Lebensbedingungen der Menschen europaweit nachhaltig verschlechtert?

Die Linke ist die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die den Fiskalpakt konsequent ablehnt. Das ist nicht der Fall, weil wir die Punkte, die SPD und Grüne in die Debatte eingebracht haben, für unwichtig halten. Natürlich wollen wir eine Besteuerung der Finanzmärkte, eine wachstums­orientierte Krisenpolitik und eine Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit. Aber selbst wenn auf diesen wichtigen Politikfeldern ernsthafte Maßnahmen in einem Kuhhandel gegen die Zustimmung zum Fiskalpakt durchgesetzt werden könnten, würden wir uns darauf nicht einlassen. Die Demokratie ist unverkäuflich. Sie kann nicht zum Gegenstand politischer Verhandlungen gemacht werden. Genau das ist aber in den Verhandlungen zwischen den anderen im Bundestag vertretenen Parteien geschehen, denn der Fiskalpakt bedeutet eine weitreichende Beschneidung der Rechte der Parlamente in Europa. Die Europäische Kommission würde befugt werden, gegenüber Ländern, die gegen die Schuldenkriterien verstoßen, also nach aktuellem Stand 25 von 27, konkrete wirtschafts- und sozialpolitische Vorgaben zu machen und diese mit finanziellen Sanktionierungsrechten durchzusetzen. Wesentliche Politikfelder würden zumindest teilweise dem demokratischen Prozeß entzogen werden. Und zwar dauerhaft, denn der Pakt impliziert eine Art »Ewigkeitsklausel«.

Das ist antidemokratisch und zumindest im Sinne eines demokratischen, sozialen Europas auch antieuropäisch. SPD und Grüne haben seit Hartz IV und Agenda 2010 offenbar wenig gelernt. Mit ihrer Zustimmung zum Fiskalpakt verabschieden sie sich endgültig von der Idee einer sozialen EU und einer Politik im Interesse der Menschen.

Die Linke wird weiter gegen den Fiskalpakt kämpfen. Er markiert einen Angriff auf soziale und demokratische Rechte und ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Deswegen wird die Partei Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erheben.


Unser Autor ist Mitglied des Deutschen Bundestages (Fraktion Die Linke) und Obmann im EU-Ausschuß des Bundestages

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#2

RE: Fiskalpakt-"Attacke aufs Grundgesetz"

in Gesellschaft 03.07.2012 15:07
von Lisadill • 744 Beiträge

sehr lesenswert!!!

Das ist ein kalter Putsch gegen das Grundgesetz«
Projekt von Deutscher Bank, Goldman Sachs und Morgan Stanley zur Ausplünderung der europäischen Steuerzahler: Warum Die Linke den Fiskalpakt ablehnt. Rede von Sahra Wagenknecht in der Bundestagsdebatte am 29. Juni

Drinnen und draußen – Sahra Wagenknecht am Freitag bei der Protestkundgebung vor dem Reichstag
Foto: dapd
Der Bundestag veröffentlichte am Montag auf seiner Webseite das Protokoll der Plenardebatte über den Europäischen Rettungsschirm ESM am vergangenen Freitag abend. junge Welt dokumentiert leicht gekürzt die Rede von Sahra Wagenknecht, Erste Stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, inklusive Zwischenrufe.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

»Milliarden von Steuergeldern sind verpufft. Derjenige, der Verantwortung trug, erwies sich als Marionette. Als Puppenspieler agierte ausgerechnet die Sorte Manager, die zuletzt Besserung gelobte: ein Investmentbanker.«

Was das Handelsblatt über die Verstaatlichung des Energieversorgers EnBW geschrieben hat, gilt leider auch für die Europapolitik dieser Bundesregierung: Sie handeln wie Marionetten. Die Puppenspieler sind die Banker, und heraus kommen Verträge, mit denen die Bürgerinnen und Bürger über den Tisch gezogen werden, um die Vermögen der Reichsten zu retten und das Spielkasino Finanzmarkt am Laufen zu halten. Es ist schon bezeichnend, daß auf die gestrigen Gipfelbeschlüsse mit einem Kursfeuerwerk der Aktienmärkte reagiert wird.

Europa – ich darf das in Erinnerung rufen – sollte einmal ein Projekt des Friedens, der Demokratie und der Sozialstaatlichkeit sein, eine Lehre aus Jahrhunderten brutaler Kriege und eine bewußte Alternative zu jenem rüden Kapitalismus, der die Weltwirtschaftskrise und blutige faschistische Diktaturen heraufbeschworen hatte.

(Zuruf von der FDP: Die Kommunisten nicht zu vergessen!)

»Europa muß, seinem Erbe getreu, einen neuen Humanismus verkörpern, als Hort der Menschenwürde und der sozialen Gerechtigkeit.« Das hat Richard von Weizsäcker einmal gesagt.

Das heutige Europa, das Sie jetzt mit dem zweiten riesigen Bankenrettungsschirm und dem Fiskalpakt besiegeln wollen, ist das genaue Gegenteil davon. Dieses Europa ist ein Projekt der Zerstörung von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit, ein Projekt zur Zerschlagung von Arbeitnehmerrechten und ein Projekt zur Senkung von Löhnen und Renten. Es ist ein Projekt von Deutscher Bank, Goldman Sachs und Morgan Stanley zur Ausplünderung der europäischen Steuerzahler.

Daß es dahin kommen konnte, dafür sind Sie alle gemeinsam verantwortlich: Sie, Frau Merkel, und Ihre schwarz-gelbe Koalition, für die es offenbar gar keine anderen Werte mehr gibt als die, die auf den Finanzmärkten gehandelt und von den Rating­agenturen benotet werden, aber auch Sie, werte Damen und Herren von der vermeintlichen Opposition aus SPD und Grünen, die sich zwar vor den Kameras gern als Regierungskritiker aufplustern, aber bisher nahezu jeder europapolitischen Schandtat dieser Regierung zugestimmt haben, so wie Sie es heute auch wieder vorhaben.

»Bitte sagen Sie mir, daß nicht alles, was ich gelernt habe, umsonst war«, schrieb mir vor kurzem eine junge Frau,

(Johannes Kahrs (SPD): Ihre Rede sagt es!)

die aus Begeisterung für Europa und die europäische Idee ein Freiwilligenjahr in Griechenland verbracht hat und jetzt nach Deutschland zurückkommt. Sie ist entsetzt über das Griechenland-Bashing, aber vor allem hat sie Angst um ein Land, in dem über die Hälfte ihrer Altersgenossen keinen Job und keine Perspektive hat, in dem Schwangere vor dem Kreißsaal abgewiesen werden, wenn sie kein Bargeld dabei haben, in dem Rentner auf ihrem Balkon Zucchini züchten, weil die Rente nicht einmal mehr zum Sattwerden reicht. Mitten in Europa! Ja, Griechenland hatte große hausgemachte Probleme. Aber die soziale Katastrophe, die Griechenland heute durchleidet, ist nicht hausgemacht. Sie ist das Resultat Ihrer Politik.

Ich lese die junge Welt, weil sie mich schon seit 30 Jahren begleitet und weil ich selbständig politisch denken und schlußfolgern kann und möchte. Die jW bildet auch dafür die vermeintlich ehrlichste Grundlage.
Janusz Berthold, Berlin

Hören Sie endlich auf, die Realität durch Lügenworte zu umnebeln! Sie erzählen uns, wir hätten eine Staatsschuldenkrise. Tatsächlich ist es die Bankenkrise, die die Schulden der Staaten immer weiter nach oben treibt, weil Sie einerseits milliardenschwere Rettungsschirme aufspannen und riesige Brandmauern errichten und weil Sie andererseits nichts dafür tun, den eigentlichen Brandherd zu löschen. (…)

Sie erzählen uns, die Krise in den Südländern gehe auf mangelnde Wettbewerbsfähigkeit zurück. Die spanische Industrie produziert heute zwar 30 Prozent weniger als 2008. Aber zwischen 2008 und heute sind die spanischen Lohnstückkosten um neun Prozent gesunken. Daran kann es also nicht liegen. Es liegt daran, daß die Banken in Spanien marode sind und die Realwirtschaft nicht mehr mit Krediten versorgen. Es liegt des weiteren daran, daß seit Jahren ein brutales Kürzungsprogramm in Spanien läuft, das der Wirtschaft die Luft zum Atmen nimmt. Genau das Gleiche haben wir schon in Griechenland erlebt.

Dieses Katastrophenkonzept soll jetzt mit dem Fiskalpakt auf ganz Europa übertragen werden? Wollen Sie irgendwann auch in Deutschland griechische Verhältnisse? Das ist doch Wahnsinn, Frau Merkel!

Schauen wir uns einmal die Zahlen an. Wenn der Fiskalpakt eingehalten wird, müssen die europäischen Staaten in den nächsten Jahren über 2000 Milliarden Euro aus ihren Haushalten heraushacken: bei Gesundheit, bei So­zialem, bei Bildung und bei Renten. Was soll dann denn noch von Europa übrig sein? (…)

Wer Wachstum und Wohlstand in Europa will, der muß den unsäglichen Fiskalpakt mit seinen billionenschweren Kürzungsdiktaten stoppen. Wer das nicht macht, der heuchelt. Das sage ich Ihnen ganz deutlich.

Vieles spricht dafür, daß die geplante Finanztransaktionssteuer eine Mogelpackung wird. Immerhin rechnet Herr Schäuble gerade einmal mit Einnahmen von zwei Milliarden Euro. Schauen Sie sich doch einmal an, was auf den Derivatemärkten umgesetzt wird. Eine ordentliche Steuer müßte wesentlich mehr einbringen.

Frau Merkel, ich sage Ihnen auch: Wenn Sie weiter die europäischen Staaten mit brutalen Kürzungsprogrammen in die Krise zwingen, statt sie endlich durch Direktkredite der Europäischen Zentralbank von der Zins­treiberei der Finanzmärkte unabhängig zu machen, dann werden Sie nicht als eiserne Kanzlerin in die Geschichte eingehen, sondern als Totengräberin des Euro.

Sie erzählen uns, daß der Fiskalpakt dazu da wäre, die Schulden zu senken. Auch das ist unwahr. Wenn Sie die öffentliche Schuldenexplosion eindämmen wollen, dann müssen Sie endlich aufhören, weitere Milliarden auf Pump in den Finanzsektor zu schleusen. Aber das haben Sie gar nicht vor; denn parallel zu diesem europäischen Kürzungspakt soll der Bundestag heute das nächste Milliardengrab absegnen, nämlich den ESM.

Sie haben vor kurzem einen Nachtragshaushalt beschlossen, in den schon einmal acht Milliarden Euro eingestellt wurden, um die erste Überweisung an diesen großen, neuen Bankenrettungsschirm zu leisten. Ich möchte Ihnen gar nicht vorrechnen, wie Sie die Lebenssituation und die Bildungschancen von Kindern aus Hartz-IV-Familien mit diesen acht Milliarden verbessern könnten. Schauen Sie sich die Situation in deutschen Kommunen, Städten und Gemeinden an. Da werden Bibliotheken, Schwimmbäder und Grundschulen geschlossen wegen Beträgen, die im Vergleich zu diesen acht Milliarden lächerlich gering sind. Die Gemeinden haben seit Jahren kein Geld. Für die Kinder haben Sie kein Geld. Aber endlose Milliardenbeträge haben Sie offensichtlich, um die Banken zu retten. (…) Sie nehmen den einen und geben den anderen. Das nenne ich nicht Sparen, sondern Umverteilung. Wer von dieser Umverteilung tatsächlich profitiert, kann man in Griechenland deutlich sehen. Zu Beginn seiner vermeintlichen Rettung hatte Griechenland 300 Milliarden Euro Schulden, die von Banken, Hedgefonds und vermögenden Privatanlegern gehalten wurden. Heute hat Griechenland 360 Milliarden Euro Schulden, aber für 300 Milliarden davon haften jetzt die europäischen Steuerzahler. An diesem Beispiel sieht man übrigens auch, was mit den vermeintlichen Hilfsgeldern passiert. Sie gehen nicht an griechische Rentner, sondern an die europäische Finanzmafia. (…)

Herr Brüderle, Sie haben hier gerade populär herumgetönt, daß die Oma mit ihrem Sparbuch nicht für die Investmentbanker haften soll. Wenn Sie das ernst nehmen, müssen Sie und Ihre Fraktion heute aber geschlossen gegen den ESM stimmen; denn der bedeutet genau das, was Sie gesagt haben, daß nämlich Rentner, Beschäftigte und Arbeitslose für die Zockereien der Investmentbanker zahlen müssen.

(Rainer Brüderle (FDP): Viele Grüße von Erich!)

Wer den Steuerzahler solchen Risiken aussetzt – wir reden hier über zwei gigantische Rettungsschirme mit einem Haftungsvolumen für Deutschland von 300 Milliarden, eventuell von 400 Milliarden Euro –, wer solche Risiken provoziert, sollte rot anlaufen, wenn er von Haushaltskonsolidierung redet. Nehmen Sie das doch von Ihnen selber beschworene Prinzip der Haftung nur einmal ernst: Wer den Nutzen hatte, soll auch den Schaden tragen. Wer hatte den Nutzen? Es ist doch kein Zufall, daß parallel zu den Staatsschulden auch die privaten Vermögen der oberen Zehntausend in Europa immer neue Rekorde erreichen. Holen Sie sich das Geld doch dort zurück. Da liegen die Milliarden, die uns fehlen. Sie können sie von dort holen – ohne Fiskalpakt und ohne Zerstörung der Demokratie.

Sie aber tun das Gegenteil. Sie vergemeinschaften die Schulden, gerade damit die Finanzvermögen der Reichen nicht entwertet werden. Um das nötige Geld einzutreiben, soll jetzt die Budgethoheit der Staaten zugunsten einer Brüsseler Eurokratie aufgehoben werden, weil die natürlich rücksichtsloser kürzen kann. Das ist doch die Wahrheit darüber, was dahintersteht. Das ist der Kern Ihrer Politik. Sie retten nicht den Euro, sondern Sie retten die Euros der Millionäre. Dann seien Sie wenigstens so ehrlich und sagen das den Bürgern. Sagen Sie ihnen, daß sich der soziale Bundesstaat, den das Grundgesetz festschreibt, mit den vorliegenden Verträgen erledigt hat. Sagen Sie ihnen, daß sie in Zukunft auch in Deutschland ein Parlament wählen dürfen, das nicht mehr viel zu sagen haben wird; denn auch Deutschland gehört zu den Ländern, deren Staatsverschuldung weit über dem liegt, was der Fiskalpakt verlangt. Sagen Sie den Menschen, daß das ein kalter Putsch gegen das Grundgesetz ist.

Werte Abgeordnete von CDU und CSU, Ihre Parteien haben in der Nachkriegszeit den Slogan »Wohlstand für alle« auf ihre Fahnen geschrieben. Jetzt zerstören Sie den Wohlstand von Millionen.

(Rainer Brüderle (FDP): Es lebe der Sozialismus!)

Sie nehmen den Armen das Brot,

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)

weil Sie zu feige sind, den Reichen das Geld zu nehmen. (…)
www.bundestag.de


zuletzt bearbeitet 03.07.2012 15:11 | nach oben springen

#3

RE: Fiskalpakt-"Attacke aufs Grundgesetz"

in Gesellschaft 03.07.2012 16:05
von Lisadill • 744 Beiträge

für uns wärs wahrscheinlich noch schlimmer wenn wir "griechische verhältnisse" aushalten müssten.
zu kalt um Zuccinis auf dem Balkon anzubauen.auch die Krautgärtner haben nur den Sommer...und dann?

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#4

RE: Fiskalpakt-"Attacke aufs Grundgesetz"

in Gesellschaft 04.07.2012 21:12
von Lisadill • 744 Beiträge

Asozialer Pakt
Axel Troost, stellvertretender Vorsitzender der Partei Die Linke und finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, erklärte am Samstag nach Verabschiedung des Fiskalvertrags:

Nun ist es passiert: Bundestag und Bundesrat haben mit einer Mehrheit aus CDU, CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen dem europäischen Fiskalvertrag zugestimmt. Natürlich ist es politisch keine Überraschung, daß diese Mehrheit zustande gekommen ist. (…) Der Fiskalpakt ist (…) eine – sehr traurige und bedrückende – Zäsur: Traurig für Deutschland, weil damit sämtliche Hoffnungen auf ein nicht-neoliberales rot-grünes Projekt bis auf weiteres erloschen sind. Die zaghaften Ansätze in SPD und Grünen, sich in der Finanz- und Wirtschaftspolitik wieder nach links in Richtung Makroökonomie und nicht an der Markt- und Wettbewerbslogik der Betriebswirtschaft zu orientieren, sind innerhalb der Parteien und Fraktionen untergegangen bzw. niedergemacht worden.

Noch viel trauriger aber ist der gestrige Tag für Europa. Der von Bundeskanzlerin Merkel gegen die Mehrzahl der EU-Länder durchgesetzte Fiskalvertrag erzwingt in Zukunft per Gesetz bzw. per Verfassung ein Sparverhalten, das für soziale Fortschritte, für eine aktive und sozial ausgewogene Sozial-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- oder Gesundheitspolitik kaum mehr Raum läßt – nicht in Deutschland und noch viel weniger in Griechenland, Portugal, Spanien oder Italien. (…)


Der Fiskalpakt schreibt praktisch unumkehrbar fest, daß die Unterzeichnerstaaten jährlich nur noch 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an Schulden aufnehmen dürfen. Darüber hinaus muß jedes Jahr ein Zwanzigstel der Schulden abgebaut werden, die über der Maastricht-Grenze von 60 Prozent der BIP liegen. Für die Bundesrepublik bedeutet das im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2011 ein Finanzloch von zirka 75 Milliarden Euro, das entweder durch Sparen oder durch zusätzliche Einnahmen abgedeckt werden muß. Natürlich ist es wünschenswert, daß der Staat zur Deckung seiner Ausgaben nicht aufs Schuldenmachen angewiesen ist. Wir wissen aber auch, daß die herrschenden Eliten nicht bei der Bankenrettung oder bei den Unternehmenssubventionen sparen werden, sondern bei der Rente, bei den Schulen und bei der öffentlichen Infrastruktur. Sollte es tatsächlich zu Einnahmeerhöhungen kommen, dann am wahrscheinlichsten durch höhere Steuern für die niedrigen und mittleren Einkommen (z.B. über eine Mehrwertsteuererhöhung). Die Reichen und Superreichen, die Einkommens- und Erbschaftsmillionäre werden leider kaum dafür zahlen. Deswegen ist jede Schuldenbremse, die die finanziellen Einschränkungen nicht durch Steuererhöhungen für die Reichen ausgleicht, asozial. Asozial auch gegenüber der jungen Generation, denn ihr hinterlassen werden bröselnde Schulgebäude, leck geschlagene Abwassersysteme, eine schlechte Schul- und Hochschulbildung und Schlaglöcher auf der Straße. (…)

Der Fiskalpakt treibt linke Politik in die Enge, weil er uns und die Gesellschaft systematisch von den für eine emanzipatorische Politik und den für einen sozial-ökologischen Umbau nötigen Ressourcen und Reserven abschneidet. (…) Mit dem Rücken fiskalisch zur Wand gibt es daher nur eine Alternative: Die Reichen, Superreichen, die Großerben und Großunternehmen müssen noch viel mehr zur Kasse gebeten werden, als es unsere bisherigen Forderungen vorsehen. (…)
www.die-linke.de

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#5

RE: Fiskalpakt-"Attacke aufs Grundgesetz"

in Gesellschaft 12.07.2012 20:10
von Lisadill • 744 Beiträge

Ohne Schamgrenze
Das sogenannte Euro-Wachstumspaket ist ein trojanisches Pferd des Neoliberalismus
Von Rainer Rupp

Das Grundproblem spricht sich herum. Menschkette um die Bankentürme in Frankfurt am Main am 12. November 2011
Foto: dapd
Die Politik der radikalen Haushaltskürzungen hat bewirkt, daß die Wirtschaftsleistungen in den Krisenländern der Euro-Zone stark eingebrochen sind. Auch die übrigen EU-Mitgliedsstaaten wurden von der Kontraktion erfaßt. Die Rettung maroder Privatbanken, die das Hauptziel dieser Politik ist, findet auf dem Rücken der Lohnabhängigen statt. Es drohen soziale Unruhen. In dieser Situation mußte eine Korrektur her, ohne den Kurs der Umverteilung von unten nach oben zu ändern. Geschafft hat dies der neue französische Präsidenten François Hollande, der die Wahl mit der Forderung nach mehr Wachstum gewann.

Der zwischen Hollande und der als Sparzuchtmeisterin verschrieenen Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartete Konflikt blieb aber aus. Nach wenigen Tagen im Amt hat sich der Franzose den »Sachzwängen« der Euro-Krise gebeugt. Mit abenteuerlicher Geschwindigkeit zauberten er und Merkel gemeinsam mit ihren EU-Kollegen ein 120-Milliarden-Euro-»Wachstumspaket« herbei als Ausgleich für die drastischen Ausgabenstreichungen.
Totalumkrempelung
Eine genauere Analyse zeigt jedoch, daß die von den medialen Hofschranzen hochgelobten Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft vor allem aus heißer Luft bestehen: Es handelt sich bei ihnen vor allem um Umschichtungen bereits laufender Programme. Zudem sollen die versprochenen Gelder nur als Zuschuß zu privaten und öffentlichen Investitionen vergeben werden. Das Klima dafür ist aber derzeit EU-weit frostig, d.h. Zuschüsse werden nicht wirksam, weil nicht investiert wird. Der Rest des »Wachstumspakets« – Investitionen in die Infrastruktur der EU-Länder – benötigt mindestens ein Jahr Vorlauf, bevor Geld fließt. Die Behauptung, es werde ein Gleichgewicht zwischen Haushaltskürzungen und Wachstum angestrebt, erweist sich als eine weitere zynische Maßnahme, um die Rettung des kriminellen Bankensystems zu rechtfertigen. Es bleibt bei der Umverteilung von unten nach oben.

Wenn die »Eliten« heute von Wachstum sprechen, denken sie nicht an produktive Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern an ein breitgefächertes Programm »struktureller Änderungen«. Gemeint sind damit die neoliberale Totalumkrempelung der Wirtschaft und die Beseitigung verbliebener Elemente von Sozialstaatlichkeit. Um Wachstum zu fördern, werden weitere Privatisierungen staatlicher und kommunaler Betriebe, von Versorgungsbetrieben und Dienstleistungen, bis hin zu Schulen, Universitäten und Krankenhäusern gefordert.

Angeblich soll außerdem mit der Abschaffung staatlicher Subventionen Wirtschaftswachstum gefördert werden, in Wirklichkeit geht es um die Abschaffung des sozialen Netzes und der Sicherheit des Arbeitsplatzes. Zugleich schenken die Staaten Banken und ihren Eigentümern weitere Hunderte Milliarden Euro, indem sie deren Schrott- und Zockerpapiere übernehmen und mit Steuergeldern teuer bezahlen. »Wachstum« heißt hier lediglich, den internationalen Konzernen und Banken den Weg zur Übernahme staatlicher Unternehmen zu ebnen.
Todsichere Anlagen
Derweil sucht das internationale Kapital verzweifelt nach sicheren Anlagemöglichkeiten. Es ist sogar bereit, »Sicherheitsprämien« für Papiere zu zahlen, die bisher gute Erträge brachten. Käufer deutscher Schatzbriefe bekommen derzeit aber keine Zinsen mehr, sondern haben in den letzten Tagen sogar – nach Abzug des Verlustes durch Inflation – 0,3 Prozent drauflegen müssen, nur um ihr Geld beim deutschen Staat für eine Zeitlang sicher zu »parken«. Dagegen gelten die Anleihen der meisten anderen Staaten inzwischen als mehr oder weniger dubios. Wohin also mit den Bergen privat angehäufter Gelder? Da gelten Privatisierungen und Übernahmen z.B. von bisher staatlichen Versorgungsbetrieben für Wasser, Elektrizität und anderen Energieträgern, Verkehrsbetrieben, Immobilien, Sozialwohnungen usw. als »todsichere« Anlagen. Sie erhalten dadurch zusätzliche Attraktivität, daß sie in der Krise zu Schnäppchenpreisen zu haben sind. Denn die Krisenländer der Euro-Zone werden im Rahmen der sogenannten Rettungspakete zur raschen Privatisierung ihrer wirtschaftlichen »Filetstücke« regelrecht gezwungen.

Als Resultat dieser »Wachstumsstrategie« werden in den nächsten Jahren die ausländischen Direktinvestitionen stark ansteigen. Das bedeutet: Insbesondere in den EU-Krisenstaaten werden europäische und US-amerikanische Großkonzerne einen noch größeren Teil der Wirtschaft kontrollieren als bisher und folglich dort auch die Politik bestimmen. Die Gelder, welche die Regierungen durch die Privatisierungen einnehmen, sind meist schon für die Zahlung der Bankenschulden verpfändet. Daher wird nicht einmal kurzfristig eine Erleichterung der finanziell angespannten Lage der Staatskassen erreicht. Langfristig werden den Ländern wichtige Einnahmen entgehen, während die Bevölkerung höhere Preise für die privatisierten Dienstleistungen und höhere Mieten zahlen muß. Das lehrt die Erfahrung von neoliberal »reformierten« Volkswirtschaften wie Großbritannien oder Deutschland.

Resultat und Zweck dieser »Wachstumsstrategie«: Die Masse der Lohnabhängigen wird finanziell noch stärker ausgequetscht und durch steigende Arbeitslosigkeit in Schach gehalten, während die Reichen reicher werden. Schamgrenzen kennt das kriminelle System nicht.

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#6

RE: Fiskalpakt-"Attacke aufs Grundgesetz"

in Gesellschaft 22.07.2012 21:36
von Lisadill • 744 Beiträge

Hungern für die Banken
Von Carmela Negrete

»Hände hoch, das ist ein Überfall!« Immer mehr Spanier – hier am Samstag bei einer Demonstration in Madrid – fühlen sich von ihrer Regierung, der EU und den Banken ausgeplündert
Foto: AP
In Spanien gehen die Proteste gegen die Kürzungspolitik der Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy unvermindert weiter. Am Samstag erreichten mehrere Demonstrationszüge von Erwerbslosen aus ganz Spanien nach mehrwöchigen Fußmärschen über Hunderte Kilometer die Hauptstadt Madrid, um von der Regierung den Einsatz der von der EU bewilligten Gelder zur Schaffung von Arbeitsplätzen und nicht zur Subventionierung der Banken einzufordern. Tausende Madrilenen begrüßten die Teilnehmer des »Marsches der Würde« und zogen mit ihnen unter Parolen wie »Hände hoch, das ist ein Überfall!« oder »Sie pinkeln auf uns und sagen, es regnet« durch die Straßen der Metropole zum Arbeitsministerium.

Während die rechte Regierung mit dem jüngsten Kürzungspaket rund 65 Milliarden Euro einsparen will, zugleich jedoch an Steuergeschenken für die Großkonzerne festhält, sind inzwischen bereits rund zwei Millionen Spanier auf Lebensmittelspenden angewiesen. Einer Meldung der Tageszeitung El Mundo zufolge hat die EU-Kommission Madrid 80,4 Millionen Euro überwiesen, damit die Regierung 67 Millionen Kilogramm Grundnahrungsmittel an die Betroffenen verteilen kann. Die darin enthaltenen sechs Millionen Kilogramm Hülsenfrüchte entsprechen etwa 13 Prozent der gesamten spanischen Jahresproduktion. Ein Ende der Krise ist unterdessen nicht in Sicht. Die Regierung kündigte bereits an, daß die Rezession das gesamte Jahr 2013 über anhalten werde.


Doch nicht nur die Notwendigkeit von Lebensmittelhilfe wird in Spanien als Zeichen dafür gewertet, daß das Land auf dem Weg »zurück in die Unterentwicklung« sei. So berichtete der Journalist Juan Castromil von der Tageszeitung 20 minutos, er sei am Donnerstag bei der Großkundgebung in Madrid festgenommen und gemeinsam mit 15 weiteren Demonstranten von der Polizei gefoltert worden. »Es hat mich überrascht, feststellen zu müssen, daß sich in diesem Land im Jahr 2012 Dinge ereignen, die ich eher in Staaten der Dritten Welt erwartet hätte«, schrieb er.

Bei der Kinderarmut liegt Spa­nien inzwischen im europäischen Verhältnis gleichauf mit Rumänien und Griechenland. Das Armutsrisiko für Minderjährige liegt der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge inzwischen bei 29 Prozent. Insgesamt sind bereits elf Millionen Menschen in Spanien von Armut bedroht – jeder vierte Einwohner. Entsprechend steigt die Zahl der Auswanderer. Allein im ersten Quartal 2012 verließen 40000 Spa­nier zumeist aus wirtschaftlichen Gründen ihr Heimatland – ein Anstieg um 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die Vereinigte Linke (IU) hat die Bevölkerung inzwischen zu einem »demokratischen Aufstand« zum Sturz der Regierung aufgerufen, um die Krise von »ihren Verursachern, den Spekulanten und den von den antidemokratischen Eliten in der EU geförderten Finanzbetrügern« bezahlen zu lassen. In Santiago de Compostela demonstrierten am Samstag ehemalige Kunden des Bankhauses Nova Galicia (NGB) gegen die millionenschweren Entschädigungszahlungen für die Manager des Instituts. Während diese für den Verlust der Ersparnisse ihrer Kunden auch noch belohnt werden, sollen die Geprellten leer ausgehen. In Asturien wurden unterdessen die Proteste der Bergleute gegen die Kürzung der staatlichen Kohlebeihilfen um mehr als 60 Prozent fortgesetzt. Dabei kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen den streikenden Kumpeln und der Polizei.

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