SPD feiert 150. Geburtstag
Die Sozialdemokratische Partei Deutschland feiert am heutigen Donnerstag mit einem Festakt in Leipzig 150. Geburtstag. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sowie Bundespräsident Joachim Gauck gratulieren. Dem Journalisten und Schriftsteller Kurt Tucholsky war zur SPD eingefallen:
Wie rasch altern doch die Leute in der SPD –! Wenn sie dreißig sind, sind sie vierzig; wenn sie vierzig sind, sind sie fünfzig, und im Handumdrehn ist der Realpolitiker fertig. (»Schnipsel«, in: Die Weltbühne, 9. August 1932, Seite 205)
Es ist ein Unglück, daß die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie seit dem 1. August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleinern Übels oder Hier können Familien Kaffee kochen oder so etwas – vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahin gegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Geschäfte unter einem ehemals guten Namen. (Die Weltbühne, 19. Juli 1932, Seite 98)
Na, also ick bin ja eijentlich, bei Licht besehn, ein alter, jeiebter Sosjaldemokrat. Sehn Se mah, mein Vata war aktiva Untroffssier ... da liecht die Disseplin in de Familie. Ja. Ick rin in de Vasammlung. Lauta klassenbewußte Arbeita wahn da: Fräser un Maschinenschlosser un denn ooch der alte Schweißer, der Rudi Breitscheid. Der is so lang, der kann aus de Dachrinne saufn. Det hat er aba nich jetan – er hat eine Rede jehalten. Währenddem dass die Leute schliefen, sahr ick zu ein Pachteigenossn, ick sahre: »Jenosse«, sahre ick, »woso wählst du eijentlich SPD –?« Ick dachte, der Mann kippt mir vom Stuhl! »Donnerwetter«, sacht er, »nu wähl ick schon ssweiunsswanssich Jahre lang diese Pachtei«, sacht er, »aber warum det ick det dhue, det hak ma noch nie iebalecht! – Sieh mal«, sachte der, »ick bin in mein Bessirk ssweita Schriftfiehra, un uff unse Ssahlahmde is det imma so jemietlich; wir kenn nu schon die Kneipe, un det Bier is auch jut, un am erschten Mai, da machen wir denn ’n Ausfluch mit Kind und Kejel und den janzen Vaein ... und denn ahms is Fackelssuch ... es is alles so scheen einjeschaukelt«, sacht er. »Wat brauchst du Jrundsätze«, sacht er, »wenn dun Apparat hast!« Und da hat der Mann janz recht. Ick werde wahrscheinlich diese Pachtei wähln – es is so ein beruhjendes Jefiehl. Man tut wat for de Revolutzjon, aber man weeß janz jenau: mit diese Pachtei kommt se nich. Und das is sehr wichtig fier einen selbständjen Jemieseladen! (»Ein älterer, aber leicht besoffener Herr«, in: Die Weltbühne, 9. September 1930, Seite 405)
Sinnend geh ich durch den Garten, / still gedeiht er hinterm Haus; / Suppenkräuter, hundert Arten, / Bauernblumen, bunter Strauß. / Petersilie und Tomaten, / eine Bohnengalerie, / ganz besonders ist geraten / der beliebte Sellerie. / Ja, und hier –? Ein kleines Wieschen? / Da wächst in der Erde leis / das bescheidene Radieschen: / außen, rot und innen weiß.
Sinnend geh ich durch den Garten / unsrer deutschen Politik; / Suppenkohl in allen Arten / im Kompost der Republik. / Bonzen, Brillen, Gehberockte, / Parlamentsroutinendreh … / Ja, und hier – ? Die ganz verbockte / liebe gute SPD. / Hermann Müller, Hilferlieschen / blühn so harmlos, doof und leis / wie bescheidene Radieschen: / außen rot und innen weiß. (»Feldfrüchte«: Weltbühne, 21. September 1926, Seite 470)